23. Keine Geheimnistuerei

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Mit einer tiefen Einatmung, wache ich schockiert auf. Meine Uhr bestätigt meine Vermutung: Ich habe verschlafen! In fünf Minuten beginnt der Unterricht! Wie konnte das nur passieren?!

Mit noch immer nassen Haaren, renne ich in Richtung Klasse. Ich habe es irgendwie geschafft, wie ein Marathonläufer, mich innerhalb von knapp zwanzig Minuten fertig zu machen und hier anzukommen. Vor allem aber habe ich mich noch nie so schnell geschminkt, wie heute.
Vor der Tür, stütze ich mich, völlig aus der Puste, auf meinen Knien ab. Das Pochen meines Herzens füllt meinen ganzen Körper. In letzter Zeit muss dieses wertvolle Organ ganz schön viel mitmachen. Wieder etwas gefasst, klopfe ich hysterisch gegen die Tür. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Eine viertel Stunde zu spät. Mr. Faraize öffnet mir die Tür und zieht eine enttäuschte Mine.
"Du bist zu spät, junge Dame. Was war los?"
"Mein Wecker hat nicht geklingelt, ich weiß auch nicht genau, weshalb. Ich habe mich daran nicht länger aufgehalten und bin hierher gesprintet. Vielleicht hören sie das noch in meiner Atm-"
Mir geht die Luft aus. Ich war noch gar nicht in der Lage, so schnell zu sprechen. Mein Lehrer sieht mich nun nicht mehr vorwurfsvoll, sondern viel mehr bemitleidend an.
"Ach du Schreck", platzt es aus ihm raus, "geht es?"
"J-Ja, ja ..."
Er dreht sich zu seiner Klasse um, die gerade still eine seiner erteilten Aufgaben erledigt.
"Vielleicht solltest du besser ins Krankenzimmer gehen?"
"Ach was, nein ..." Ich versuche mein Japsen ein wenig zu zügeln.
"Hast du Asthma?"
"Nein!", entgegne ich verwirrt, "i-ich bin bloß erschöpft. Meine Kondition ist nicht die Beste."
"Na gut. Komm rein."
Er macht den Weg für mich frei. Bei den Lauten meiner Schritte, die beim Betreten des Raumes ertönen, blicken einige Köpfe zu mir auf. Ich schaue allerdings nur Nathaniel an. Er schenkt mir ein breites Lächeln, welches ich ihm zurückgebe, bevor ich mich auf meinen Platz setze. Rosalia hat mich scheinbar mal wieder im Stich gelassen, denn ich bin alleine. Ich habe aber keine Lust alleine zu sitzen. Nach einem weiteren Einzelgänger suchend, sehe ich mich in der Klasse um. Ich hebe meine Hand, um zu fragen, ob ich mich neben Alexy setzen darf.
"Ja, Lisa?", nimmt Mr. Faraize mich dran.
"Dürfte ich mich neben Alexy setzen?"
"Natürlich, kein Problem."
Ein Glück! Ohne zu zögern, springe ich auf und geselle mich zu ihm. Er erwartet mich bereits mit einem erfreuten aber leisen Kichern. Ich blicke noch kurz zur Tafel, um zu erfahren, was überhaupt zu tun ist.
"Klasse Idee von dir gewesen", grinst der blauhaarige, verrückte Kerl.
"Was erwartest du auch sonst von mir?"
Er kommt mit seinem Gesicht näher an meines.
"Nanu, was höre ich denn da? Selbstbewusstsein?"
"Ein wenig." Ich kann mein schelmisches Lächeln nur schwer unterdrücken.
"Was führst du im Schilde?"
"Gar nichts."
"Lügst du mich etwa an?"
"Nein, ich bin bloß glücklich."
"Hau raus!"
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich komme mit meinem Mund auf sein Ohr zu, halte noch eine Hand davor und berichte ihm so leise, wie es geht, was mich so erstrahlen lässt: "Nathaniel hat mich am Freitag, nach der Klausur, geküsst UND er hat mich gestern gefragt, ob ich mit ihm zusammen sein möchte. Wir sind jetzt ein Paar!"
Mein bester Freund quiekt vor Aufregung, womit er Mr. Faraizes skeptischen Blick auf uns zieht. Ich lächle ihm schief zu, als eine Art Versicherung, dass das nicht wieder vorkommt.
"Du verarschst mich doch!"
"Nein, wirklich!"
Völlig aus der Fassung, umarmt er mich. Ziemlich feste. So fest, dass mir schon wieder die Luft ausgeht. Um mich doch noch vor einem sicheren Tod zu bewahren, lässt er mich wieder los.
"Das ist der Wahnsinn, Lisalein! Ich freue mich so für dich!"
"Dankeschön", kichere ich.
"Ich wünsche euch ganz viel Glück!"
"Nochmals danke!"
"Sag bescheid, wenn ihr den nächsten Schritt gegangen seid."
Sein euphorischer Gesichtsausdruck verändert sich zu einem schlingeligen Grinsen.
"Alexy!", zische ich.
"Was? Unser Schülersprecher soll doch nicht als ewige Jungfrau sterben."
Ich stoße ihn leicht weg. So ein Idiot! Ich muss lachen, versuche aber die Lautstärke im niedrigen Bereich zu halten.
Ein wenig eingekriegt, wiederholt er nun ernster: "Erzähl es mir, wirklich!"
"Ja, wenn es so weit ist. Wir sind noch keine vierundzwanzig Stunden zusammen, vergiss das nicht."
Er kichert wieder, schnappt sich dann seinen Stift und widmet sich wieder der Aufgabe. Ich tue es ihm gleich, schließlich habe ich noch gar nicht angefangen.

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt