18. Eifersucht über Eifersucht

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Auf meine Worte verändern sich Nathaniels Gesichtszüge so, dass er für einen Moment wirklich glücklich aussieht. Seine Augen verkleinern sich, da sie durch sein Lächeln, von seinen Wangen zerquetscht werden.
"Das freut mich", lässt er mich wissen, "ich werde mir überlegen, was wir machen. Wenn du aber schon einen Vorschlag hast, dann halte dich damit natürlich nicht zurück!"
"In Ordnung."
"Ich ... Ich schreibe dir dann?"
Ich lächle ihm nickend zu. "Abgemacht!"
Den Rest der Freistunde unterhalten wir uns noch einmal über die anstehenden Themen in der Matheklausur, die bereits morgen ansteht. Jedoch sind meine Gedanken momentan mehr bei Nathaniel, als bei Vektorenrechnung. Wir essen auf und gehen zurück in die Klasse, wo bereits eine Vertretung auf uns wartet.
"Ist die von der Schule?", flüstere ich Nathaniel zu, der sich leicht zu mir runter beugt, um mich, kleinen Zwerg, zu verstehen. Wir sind kurz vor der Tür stehen geblieben.
"Ich glaube nicht ... Ich habe sie hier zumindest noch nie gesehen."
"Hey, könnt ihr mal weiter gehen?!", meckert Castiel, der plötzlich mit Lysander hinter uns steht, rum.
"Kannst du nicht wieder nachhause gehen?" Nathaniel verdreht die Augen.
Ich schaue Lysander ein wenig hilfesuchend an.
"Entschuldige", sagt er für Castiel, der bereits eine Hand zur Faust ballt.
Mich wundert es, dass die Vertretungslehrerin da nicht bereits eingreift. Man könnte glauben, sie sei schwerhörig.
"Damit du mir dann wieder hinterher rennst, weil ich zu viel schwänze?!"
"Wenn ich das nicht müsste, würde ich es auch lassen. Dann wärst du schon lange nicht mehr auf dieser Schule."
"Soll ich dir jetzt etwa dankbar sein, du Held?!"
Vorsichtig schiebe ich Castiel weiter, in Richtung seines Sitzplatzes. "Ist gut jetzt. Meinst du nicht?"
"Was willst DU jetzt überhaupt? Du hältst doch eh zu ihm! Ihr gebt ein tolles Paar ab. Ein tolles Verlierer-Paar."
Er schlägt meine Hand weg, woraufhin ich mich kurz erschrecke. Es hat nicht weh getan aber ich habe nicht damit gerechnet. Nathaniel kommt auf Castiel zugestürmt und packt ihn an seinem T-Shirt. "Was fällt dir ein, so mit ihr umzugehen? Behandelt man Mädchen etwa so?"
"Nein, aber was willst du jetzt tun? Mich schlagen?!", grinst Castiel höhnisch.
Lysander kommt dazu und zieht die beiden auseinander. "Der Unterricht beginnt jede Minute."
Nathaniel lässt Castiel kopfschüttelnd wieder los. Er geht auf mich zu und fragt mit sanfter Stimme: "Ist alles okay bei dir?"
"Ja, es ist nichts passiert."
"Besser so für ihn."
"Er würde mir aber auch nie mit Absicht weh tun wollen, Nathaniel, da bin ich mir sicher."
Nachdem ich das gesagt habe, schaut Castiel mich an. Ich blicke zu ihm zurück, wobei ich auf ein leichtes Lächeln von ihm stoße. Lysander geht mit ihm an ihren Platz, um sich dort niederzulassen.
"Wenn du meinst", gibt Nathaniel darauf in einem zürnendem Unterton zurück und geht ebenfalls auf seinen Platz.

Nach dem Unterricht packe ich alle meine Sachen zusammen und nehme auch diesmal alles mit nachhause, da die Hausaufgaben, trotz Vertretung, gefühlt unendlich viel sind. Als ich die Schule verlasse, sehe ich, wie Castiel etwas weiter vor mir seinen Nachhauseweg einschlägt.
"Castiel!", rufe ich ihm hinterher. Ich möchte mit ihm reden.
Er dreht sich um und bleibt stehen. Ich eile zu ihm.
"Hey", begrüßt er mich. Sein Gesichtsausdruck ist regungslos.
Ich rede gar nicht lange um den heißen Brei: "Warum können du und Nathaniel sich nicht mal gegenseitig in Ruhe lassen?!"
"Warum fragst du ihn das nicht?", schnauft er. Er hat recht, diesmal hat Nathaniel angefangen. Mit beiden aber gleichzeitig darüber zu reden, ist nicht gerade die beste Idee.
"Dein toller Schülersprecher hat angefangen zu provozieren."
"Er ist nicht 'meiner'", seufze ich, "und außerdem bist du doch auch darauf eingegangen. Er würde es nicht anders tun, wenn du angefangen hättest."
Castiel muss grinsen. Allerdings hält es nicht lange an.
Er wendet sich mir zu und legt eine Hand auf meiner Schulter ab.
"Ich sage dir jetzt ganz ehrlich, dass es mich tierisch nervt, wie oft ich euch beiden zusammen sehe."
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, jedoch fällt mir nichts ein und ich schließe ihn wieder. Ich schaue zu ihm rauf. Seine Stirn beginnt sich zu runzeln.
"Ich hasse diesen Typ einfach. Aber dich mag ich, deswegen nervt es, dass du dich so gut mit ihm verstehst."
Ich kann nichts dazu sagen. Er streicht mir einmal kurz über den Kopf, um dann seine Hand wieder zurück auf meiner Schulter abzulegen und richtet seinen Blick zur Seite aus.
"Wenn du mich fragst, ist er der Falsche für dich."
"W-Was?"
"Du hast mich schon verstanden."
"Wovon redest du?"
"Hältst du mich etwa für dumm?", fragt er und wird lauter, "ich sehe doch, wie du ihn anguckst. Nicht so, wie mich. Dabei könnte dieser Spinner dich doch niemals beschützen, wenn es drauf ankommt! Hast du darüber auch schonmal nachgedacht, Lisa? Er kann dir nichts bieten, außer Nachhilfe! Wann kapierst du es endlich? Er ist bloß nett zu dir, weil es seine Pflicht als Schülersprecher ist. Das habe ich bereits auf der Party versucht, dir zu verklickern! Ist es dir echt so egal, was ich sage?"
"Du redest so einen Schwachsinn ..."
Ich schiebe seine Hand von meiner Schulter weg und drehe mich um. Dabei entdecke ich, wie uns jemand aus dem Fenster des Zimmers der Schülervertretung beobachtet. Es ist nicht Nathaniel, sondern Melody. Als sie bemerkt, dass ich sie anschaue, rennt sie davon.
"Ich habe auch keine Lust, mich jetzt mit dir darüber zu streiten, Castiel."
Nun packt er mich an beiden Schultern und zieht mich zu sich zurück.
"Vertrau mir doch", bittet er nun sanfter.
"Das tue ich, jedoch weiß ich es besser, als du. Nathaniel sagt mir nicht, dass er mich mag, nur weil er höflich sein muss. Ich sehe auch eigentlich gar keinen Sinn darin, mich jetzt hier vor dir zu rechtfertigen."
"Das hat er gesagt?"
"Das hat er gesagt."
Für einen Augenblick ist er still. Schließlich zieht er mürrisch seine Augenbrauen zusammen und drückt mich wieder weg.
"Na dann, Glückwunsch. Wann ist eure Hochzeit?"
Verzweifelt verdecke ich mein Gesicht mit den Händen.
"Akzeptier einfach, dass wir uns gut verstehen. Wir verstehen uns doch eigentlich auch gut?"
"Ja", antwortet er, "aber ihn magst du mehr, als mich. Obwohl wir beide uns schon länger gut verstehen."
"Aber ... Das hat doch nichts mit Zeitspanne zutun?"
"Du bist echt schwer von Begriff", sagt er abschließend und geht. Ich muss in die andere Richtung, weswegen ich ihm nun auch nicht weiter folge. Ich bin nicht schwer von Begriff, er ist eifersüchtig. Das haben mir seine letzten Sätze bestens vermittelt. Das legt sich aber bestimmt schnell wieder, denn irgendwas vormachen, nur damit er es nicht mehr ist, werde ich ihm auch nicht. Ich vermute auch eher, dass er momentan aus Pinzip so ist ... Weil es ausgerechnet Nathaniel ist, auf den ich stehe.

Zuhause schaue ich mir noch einmal Mathe an und löse ein paar Übungsaufgaben. Das Gespräch mit Castiel belastet mich nicht weiter. Stattdessen belastet es mich, dass Nathaniel mir noch nicht geschrieben hat. Ich bin die Ungeduld in Person.
Auch nach dem Abendessen hat mein Handy noch nicht einmal den Nachrichtenton von sich gegeben. Ungehalten tippe ich immer wieder auf seinen Namen in meiner Kontaktliste. Ob ich ihm vielleicht doch besser schreiben soll? Vielleicht hat er es während dem ganzen Unterlagenkram mit Melody vergessen. Vielleicht hat er aber auch noch gar keine Idee, was wir unternehmen können. Oh man, ich kann nicht mehr warten! Ich muss ihm schreiben und nachhören!
Ich: Hey :)
Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr. Bereits innerhalb einer Minute bekomme ich eine Antwort.
Nathaniel: Hey
Kein Smiley? Hm ... Okay, ganz ruhig! Ich darf nicht immer so viel in so Kleinigkeiten hinein interpretieren.
Ich: Hast du schon eine Idee für's Wochenende? :)
Nathaniel: Nein
Okay ... Ich mag das gerade nicht. Ich lege mein Handy auf dem Schreibtisch ab und werfe mich ins Bett. So stumpfe Antworten verunsichern mich total. Es ist eine Art Fluch, dass ich so leicht unterzukriegen bin. Ich habe auch keinen blassen Schimmer, was ich jetzt noch schreiben soll. Ich habe auch keine Idee und zu fragen 'Warum nicht?' geht gar nicht! Unerwartet klingelt mein Handy wieder. Ich stehe auf, um nachzuschauen.
Nathaniel: Warum fragst du nicht Castiel? Vielleicht hat der ja eine.
M-M-Moment, MOMENT! WAS?! Okay, ich bin raus. Ich verstehe jetzt wirklich gar nichts mehr. Warum denn Castiel?
Ich: Warum sollte ich?
Ich lasse mich wieder zurück in mein Bett fehlen, diesmal aber mit Handy in der Hand. Komplett durcheinander starre ich an die Decke. Da piepst es wieder.
Nathaniel: Stell dich nicht dümmer, als du bist. Ich weiß Bescheid.
ICH STELLE MICH ABER NICHT DÜMMER ALS ICH BIN! Mein Gott, was passiert hier gerade?!
Ich: Dann weißt du mehr als ich.
Nathaniel: Aha.
'AHA'? Jetzt beginnt er damit, mich zu provozieren. Am liebsten würde ich ihn gerade anrufen, doch das traue ich mich nicht ... Langsam wütend tippe ich auf mein Handy ein.
Ich: Und worüber weißt du nun Bescheid?
Nathaniel: Denk nach.
Ich: Ich weiß es aber nicht, man! 😐
Nathaniel: Geh einfach wieder zu Castiel und gut ist.
Spreche ich chinesisch?! Warum sagt er mir nicht, was los ist?! Ob er im Nachhinein nun auch noch eifersüchtig ist? Aber weswegen?! Ich kann ihm unmöglich einen Grund dafür geliefert haben! Wenn ich den ganzen Tag nochmal durchgehe, gab es nichts, worauf er nun so reagieren könnte. Meine Welt steht Kopf. Derweilen beginnen sich Kopfschmerzen bei mir auszubreiten. Es ist zwecklos, nun weiter nachzuhacken. Ein wenig deprimiert schalte ich mein Handy aus. Außerdem muss ich für morgen klar im Kopf sein, ich darf Mathe nicht verhauen.

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt