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Unglücklicherweise nur, dass sie sich in diesen fremden Menschen mit seinen komischen Begriffen Hals über Kopf verliebt hatte und seine Welt und ihn unbedingt besser kennen lernen wollte.

Das wurde Tayanara klar, als sie in Felipes funkelnde gold-braune Augen sah. Er schaute zurück. Taya fiel auf, dass sie das oft taten - sich gegenseitig in die Augen zu schauen.

"Ach, ich habe ja noch das Essen. Das hätte ich fast vergessen." Felipe holte den "Rucksack" von seinem Rücken. Er öffnete ihn mit einem kleinen Henkel, welcher ein komisches, unnatürliches Geräusch von sich gab.

Dann holte er ein grau glitzerndes Päckchen heraus.

"Was ist das?" Taya hatte das Gefühl, diese Frage schon viel zu oft gestellt zu haben.

"Das ist das Essen", antwortete Felipe.

"Sieht aber nicht so aus, als ob man das essen könnte", erwiderte Taya und drückte einen Finger in das Päckchen. Es knisterte unter ihrer Berührung.

"Das Silberne kann man auch nicht essen, nur das innen drin." Felipe grinste und schlug sanft ihren Finger weg.

"Lass dich einfach überraschen." Dann begann er, den Inhalt des Päckchens auszuwickeln, fuhr währenddessen aber fort:" Das Silberne nennt man Alufolie, damit packt man bei uns Essen ein. Habt ihr auch so was?"

"Wir nehmen Bananenblätter", antwortete Taya, die seinen Fingern neugierig mit den Blicken folgte.

"Okay, hier habe ich belegte Brote. Mit Wurst und Käse. Magst du das?" Taya zögerte. Brot kannte sie, aber das, was er ihr da hinstreckte, sah nicht aus wie das ihr bekannte Sagobrot. Und was war Wurst? Etwa das labberige Rosafarbene, das da über den Rand quoll?

"Keine Angst, Tayanara. Ich habe nicht vor dich zu vergiften. Das kann man ruhig essen."

"Das glaube ich auch nicht, aber meine Mutter sagt, man soll unbekanntes Essen nicht probieren." Warum hatte sie das gesagt? Sie klang wie eine Fünfjährige. Aber Felipe schien es nichts auszumachen.

"Schau", sagte er und biss genüsslich in das Brot, "Ganz ungefährlich." Dann stockte er mit vollem Mund. "Oder ist es, weil du Wurst und Käse nicht kennst?"

Taya nickte beschämt. Er schluckte schnell, dann legte er ihr seine Hand mitfühlend auf den Arm und drückte ihn sanft, damit sie ihn ansah.

"Hey, das ist doch nicht schlimm. Ich bin unsensibel. Tut mir leid, wenn ich dich überrumpelt habe." Er schenkte ihr ein ermunterndes Lächeln.

Taya wusste nicht was sie sagen sollte. Sie hatte erwartet, dass er sie auslachte, weil sie etwas nicht kannte, dass bei ihm so elementar schien. Aber nicht, dass er sie tröstete, sie berührte, sodass ihr Herz Luftsprünge machte. Sie wollte auch ihn berühren, über seine stoppelige Wange fahren, ihm den Schweiß aus der Stirn streichen. Bei den Gedanken stieg ihr die Röte in die Wangen.

"Also, wie wäre es, wenn ich dir einen Grundkurs von meiner "Welt" gebe?", fragte Felipe. Taya nickte begeistert. Wenn sie zuvor noch in ihren Tagträumen festhing, überkam sie nun plötzlich große Neugierde. Sie wollte unbedingt alles über ihn und sein Leben erfahren. Über- wie hatte er gestern gesagt, Brasilien- und alles was dazu gehörte. Kurzerhand griff sie nach einem Brot, das in Felipes Schoß lag und biss hinein. Es schmeckte neu, auch komisch, aber gut. Würzig, nicht fad wie das Sago und nach Fleisch.

"Also, leg los", schmatzte sie mit vollem Mund. Felipe lachte und begann zu erzählen.

"Okay... wo fange ich am besten an? Also, ich wohne mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Maria in einer kleinen Hütte inmitten der brasilianischen Favela in Rio. Sie ist jetzt vierzehn. Und... die Favelas sind sozusagen ein Stadtteil, wo sehr viele Menschen ganz eng beieinander wohnen. Meine Mutter ist Hausfrau. Sie hat aufgehört zu arbeiten, um sich um mich und Maria zu kümmern." Als er den Namen seiner Schwester aussprach, erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Er musste sie sehr liebhaben, was Taya das Herz erwärmte.

Amazona GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt