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 Jemand rüttelte sanft an Tayanaras Schulter.

"Taya, komm schon, wach auf." Grummelnd drehte sich Taya auf die andere Seite. Sie wollte nicht aufstehen, sie wollte weiterschlafen. Sie war müde, denn der Abend gestern war spät geworden. Aber der Jemand ließ nicht locker und rüttelte weiter, bis Taya sich ergebend die Augen aufschlug. Sie wollte etwas erwidern, aber es kam im ersten Moment nur ein Krächzen heraus. Bei Christo, sie hatte gestern Abend wirklich zu viel Rauch eingeatmet. Wenn sie Luft holte, schmerzte ihre Lunge, als wäre sie ausgeräuchert worden.

"Taya, es geht los. Wir machen dich jetzt hübsch."

Tayas Mutter und Naira standen erwartungsfreudig vor ihr. Die eine mit einem Kamm und Blumen, die andere mit bunten Farben bewaffnet. Taya stöhnte und räusperte sich.

Auf das, was gleich folgte, hatte sie nun wirklich keine Lust. Sie hatte die letzten Stunden verbissen versucht, die Gedanken an die Hochzeit, an ihre Hochzeit zu vergessen, aber die Geisterstunde am Abend, an dem auch Cyr beteiligt gewesen war, und die zwei übereifrigen Frauen vor ihr, machten es Taya nicht gerade leicht. Sie wollte nicht geschminkt und hübsch gemacht werden, für etwas, auf das sie sich gar nicht freute. Sollte man sich nicht auf eine Hochzeit freuen? Taya jedenfalls verspürte keinerlei Glücks- oder Freudengefühle. Höchstens Übelkeit, die sich langsam von ihrem Bauch ausbreitete und ihr die Kehle hochstieg. Und Angst.

Taya konnte nichts mehr verhindern. Sie konnte sich nur noch schnell auf die Seite drehen, bevor sie schon würgen und sich übergeben musste. Ihre Mutter reagierte zum Glück und hob Taya schnell die Haare aus dem Gesicht. Mehrere Minuten saß Taya unbeweglich da, versuchte alles Weitere, das sich den Weg nach oben bahnen wollte, zurück zu halten. Tief atmete sie durch den Mund, um die Kontrolle wieder zu erlangen. Dann wurde es langsam etwas besser. Die Übelkeit war zwar immer noch da, aber Taya konnte sich aufrichten. Schnell wischte sie sich mit der Hand über den Mund.

"Geht es wieder?", fragte ihre Mutter besorgt und befühlte Tayas Stirn. Sie war nicht übermäßig warm, sie hatte kein Fieber. Das wusste Taya selbst. Sie hatte Angst, riesengroße Angst. Sie wollte nicht verheiratet werden, schon gar nicht mit jemandem, der sie so hintergangen hatte. Sie wollte nicht ihr restliches Leben lang an Cyr gebunden sein und ihm gehorchen müssen. Sie wollte nicht im Dorf und schon gar nicht in einer Partnerschaft gefangen sein, zu der sie gezwungen wurde. Die Vorstellung, auch noch Cyrs Kinder austragen zu müssen, wie es von ihr sicherlich verlangt wurde, ließ ihr schwindelig werden.

Sie stützte ihren Kopf in die Hände. Ihre Gedanken trieben sie noch in den Wahnsinn. Sie drehten sich immer um dieselben Dinge und machten ihre Situation nicht besser. Nur noch aussichtsloser. Am liebsten würde Taya wieder in ihr Bett kriechen oder sich irgendwo verstecken, um allem, das momentan in ihrem Leben falsch lief, zu entkommen und nicht vor Cyr treten müssen. Sie konnte ihm unmöglich das Ja-Wort geben, sie konnte nicht den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen. Er hatte ihr alles genommen, was sie noch geglaubt hatte zu besitzen. Ihren Bogen und ihre Freiheit. Eigentlich die zwei wichtigsten Dinge in ihrem Leben, abgesehen von Felipe. Aber er gehörte nicht mehr ihr, sie hatte ihn verloren und würde ihn auch nie wieder zurückbekommen.

"Taya? Geht es dir wieder besser?", fragte ihre Mutter noch einmal. Oder schon mehrere Male.

Taya war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie alles andere ausgeblendet hatte. Sie nickte. Obwohl sie sich kein Stück besser fühlte. Trotzdem ließ sie sich nun aufhelfen und ließ sich auf einem kleinen Baumstamm wieder nieder. Dann begannen Naira und ihre Mutter, sie zu schminken und sie hübsch zu machen. Taya ließ es über sich ergehen.

Ihre Mutter kämmte ihre Haare und flocht sie kunstvoll, um sie schließlich hochzustecken. Dann steckte sie noch Haarschmuck hinein. Ihre Mutter erklärte ihr stolz, dass es derselbe Schmuck sei, den sie auch schon sie selbst bei ihrer Hochzeit und sogar Tayas Großmutter getragen hatte. Doch Taya hörte nicht hin. Sie wollte die Vorfreude ihrer Mutter nicht teilen, auch wenn sie sie nicht verletzen wollte. Sie konnte nicht anders.

Amazona GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt