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 José ließ von Taya ab und richtete sich auf.

"Was ist denn jetzt los?", fragte er, mürrisch, weil er bei seiner Tätigkeit unterbrochen wurde. Taya atmete zitternd ein und zog sich ihren kurzen Rock weiter herunter, um zu bedecken, was es zu bedecken gab, traute sich aber nicht, sich aufzusetzen.

José sah aus dem Fenster. Er konnte vermutlich nichts erkennen. Die Krieger konnten sich gut der Nacht anpassen. Sie waren nicht zu sehen, nur ein sehr gutes Auge konnte die Schatten herum huschen sehen. José verstand nicht, was sich dort in der Dunkelheit abspielte.

Taya aber begriff es sofort. Die Krieger aller Tukuta-Dörfer griffen die Holzfäller an!

Taya hörte, wie anderen Holzarbeiter aus ihren Containern kamen, weil sie den Lärm ebenfalls gehört hatten. Taya hörte es, weil sie ihre Türen zuschlugen. Das war unklug, denn so verrieten sie ihren Standpunkt. Taya hörte auch, wie weiter Pfeile an den Containern und Baggern abprallten und auch die ersten Schmerzensschreie, wenn ein Pfeil ein Ziel traf.

"Das ist mein Volk!", rief Taya triumphierend. "Sie werden euch Monster aufhalten!"

José stand noch immer am Fenster und versuchte etwas zu erkennen.

"Was soll der Scheiß?" Verärgert drehte er sich zu Taya um. Du wartest hier." Dann nahm er sein langes Messer vom Tisch und angelte seine Schlüssel aus der Hosentasche. Noch im Hinausgehen sprach er in ein schwarzes Gerät in seiner Hand. "Macht die Bagger bereit. Wir werden anscheinend angegriffen." Die Tür fiel hinter ihm zu und Taya hörte, wie er sie verriegelte. Das war alles so schnell passiert, dass sie gar nicht reagieren konnte. Außerdem war sie immer noch wie gelähmt von Josés Annäherungsversuch. Sie schüttelte sich, um den Ekel abzuschütteln, der in ihr hoch kroch.

Sie hörte wütende Schreie, einmal die Kampfschreie der Krieger, ein anderes Mal die der Holzarbeiter. Schnell lief sie zu dem Fenster, aus dem José vorhin auch schon geschaut hatte. Ihre Augen erkannten in der Dunkelheit Menschen. Schnelle Bewegungen, wenn zum Beispiel einem Geschoss ausgewichen oder ein Bogen gespannt wurde.

Unruhig lief Tayanara im Container auf und ab. Sie musste hier raus! Sie rüttelte an der Tür und trat dagegen. Aber sie gab natürlich nicht nach. Auch das Fenster würde nicht nachgeben. Das bekam sie nicht auf. Und einen anderen Ausgang gab es nicht. Wieder ging Taya ans Fenster, denn sie hatte eine Idee. Wenn sie jemanden von ihrem Volk auf sie aufmerksam machen könnte, könnten die sie ja vielleicht befreien. Sie drückte ihre Nase ans Fenster, um möglichst viel zu sehen. Und da erkannte sie tatsächlich eine Person.

Die eine Person, die sie nie im Leben um Hilfe gebeten hätte. Jetzt zumindest nicht mehr. Denn sie erkannte Cyr, mit seinen kurzen Haaren und den massiven Schultern, wie er seinen Bogen spannte und auf jemanden zielte. Taya wollte ihn nicht um Hilfe bitten. Es widerstrebte sich ihr. Aber als sie den Schrei hörte, den der Mann losließ, als er anscheinend von Cyrs Pfeil getroffen wurde, entschloss sie sich, ihn doch auf sie aufmerksam zu machen. Sie konnte nicht zulassen, dass jemand Felipe entdeckte und ihm dasselbe antat. Mit den Fäusten hämmerte sie gegen das Fenster. Es vibrierte unter ihren Schlägen.

"Cyr! Cyr, hol mich hier raus!", rief sie durch die Fensterscheibe. Cyr hörte sie nicht. Taya gab nicht auf und rief weiter. Nun trommelte sie auch auf die Wand des Containers, sodass das Geschirr in den Schränken klapperte. Und sie rief weiterhin Cyrs Namen, auch wenn sie sich erbärmlich dabei vorkam. Sie beobachtete, wie Cyr einen nächsten Pfeil einspannte und rief nochmal nach ihm. Und tatsächlich schien er sie gehört zu haben, denn er drehte sich verwirrt um und suchte nach dem Ursprung für das Geräusch, das Taya verursachte.

Seine Augen wurden groß, als er sie hinter der Fensterscheibe entdeckte. Schnell lief er auf sie zu und blieb vor ihr stehen, getrennt nur von dem Fenster.

Amazona GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt