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Er hatte es sich lange überlegt. Sein Vorhaben war riskant, wenn er erwischt wurde, wusste er nicht, was passieren würde. Er wollte es sich lieber gar nicht ausmalen. Die letzten Nächte hatte er wach gelegen, die Vor- und Nachteile abgewogen und sich gefragt, ob es das wirklich wert war.

Ja, sagte er sich. Sie war es definitiv wert. Sie war es wert, dass ihr geholfen wurde. Er wollte es für sie tun. Er konnte ihr helfen und ihr gleichzeitig beweisen, dass ihre Anschuldigungen nicht stimmten.

Es wurde nun wirklich auch Zeit, dass er etwas tat, denn die letzte Woche war er in Selbstmitleid versunken. Er führte sich ungefähr so auf, als er Taya noch nicht gekannt hatte und sie in seinen Gedanken herumgegeistert war. So auch jetzt. Oft war er das Gespräch oder eher ihren Monolog durchgegangen, aber es hatte nichts gebracht. Nichts konnte zur Besserung beitragen, sodass er sich weniger schuldig fühlte. Wenn er Taya die Tabletten nicht gegeben hätte, hätte sie sie ihrer Freundin nicht gegeben. Doch seine Gedanken drehten sich im Kreis, was auch seinen Kollegen an seinem Verhalten auffiel. Und erklären konnte er es niemandem.

Also hatte er sich entschlossen, etwas für Tayanara zu tun, obwohl er noch nicht wusste, ob sie die Informationen je erhalten würde. Doch so weit dachte er noch nicht. Jetzt zählte, dass er sich auf sein Vorhaben konzentrierte, und so wenig Geräusche wie möglich machte.

Es war tiefe Nacht und er konnte nur hoffen, dass alle schliefen. Dass keiner zufällig aus dem Fenster sah und sich über eine dunkle Gestalt wunderte, die vorüber huschte. Aber alle Lichter waren aus und Felipe konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.

Sein Weg führte ihn von den Wohncontainern weg, von denen noch sicher zwanzig andere in naher Umgebung von seinem standen, zu den wenigen, die ein wenig abseits standen. Hier schlief der Leiter der "Abholzungsmission", José, und direkt nebendran war auch das Hauptbüro. Hier gab es alle möglichen Aufzeichnungen, in welche Richtung geholzt wurde, wie viel Fläche geholzt wurde und wo es danach verkauft wurde. Zumindest vermutete Felipe das. Er hoffte, solche Informationen zu finden. Er wusste noch selbst nicht genau, was er suchte. Vielleicht belastende Beweise, dass das hier alles andere als legal war. Oder ein Handy, das funktionierte, damit er jemanden kontaktieren konnte. Er selber besaß zwar eines, aber er hatte nie Empfang. Natürlich nicht. Er musste nur irgendetwas finden, dass ausreichend war, um dieses Unternehmen zu stoppen. Um das Abholzen des Regenwaldes aufzuhalten und so auch Taya und ihr Dorf zu schützen.

Als er vor der Türe des Büros stand, holte er einen kleinen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Dieser sah aus wie sein eigener Schlüssel für den Container, aber Felipe vermutete, dass seiner nicht in dieses Schlüsselloch passte.

Deshalb hatte er einen Schlüssel von José klauen müssen. Er hatte schreckliche Angst gehabt, erwischt zu werden, als er in einer seiner Pausen hinter José schlich, der gerade ein Nickerchen hielt, und ihm vorsichtig den Schlüssel aus der Tasche und vom Schlüsselband zog. Er hoffte dabei inständig, dass der Mann nicht aufwachte.

Abends, als die Schichten zu Ende waren, wartete er angespannt, ob José das Fehlen bemerken würde. Aber ein anderer schloss das Büro ab, also hatte er gerade noch mal Glück gehabt.

Langsam steckte er den Schlüssel ins Loch, um möglich wenig Geräusche zu machen. Er drehte ihn und die Tür schwang nach innen auf.

Er wollte das Licht nicht anmachen, sonst hätte es jemand sehen können, deshalb hatte er sich von Santiago eine Taschenlampe ausgeliehen. Er hatte keine dabei, woher hätte er auch wissen sollen, dass er sich nachts auf geheime Mission begeben müsste, um einer Schönheit aus dem Urwald zu helfen.

Er schaltete die Lampe ein und leuchtete einmal durch den Raum. In der Ecke stand ein Schreibtisch. Darauf lagen Unterlagen und Blätterstapel, hoffentlich mit Informationen, die Felipe suchte. An der Wand standen kleine Aktenschränke. Groß war der Raum nicht, aber eine weitere Türe führte wohl in ein anderes Zimmer. Soviel er wusste, schlief dahinter aber niemand. Felipe trat auf den Schreibtisch zu. Er war unordentlich. Felipe lenkte das Licht der Taschenlampe auf die Dokumente vor ihm. In der Kopfzeile der Dokumente prangte ein großes Logo, das Felipe aber noch nie gesehen hatte. Es musste das Logo des Unternehmens sein, das diese ganze Aktion hier organisierte. Wobei das viel zu harmlos klang.

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