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Tayanara begab sich sofort zu dem Baum, in dem sie sonst ihren Bogen versteckt hatte, um nachzusehen, ob dort wenigstens noch ihre Messer darin lagen. Bis Naira- hoffentlich- ihr ihren Bogen bringen würde, müsste sie sich doch irgendwie verteidigen können. Und etwas essen musste sie auch mal wieder. Wann hatte sie das letzte Mal Nahrung zu sich genommen? Sie konnte sich gar nicht erinnern, so viel war in der Zwischenzeit passiert. Zu viel, um alles zu begreifen. Aber hier im Wald fühlte sie sich wohl, ungestört und uneingeschränkt.

Tayanara kam an ihrem Baum an und sah sich noch einmal um, ob auch niemand in der Nähe war. Aber offensichtlich schien niemand nach ihr zu suchen. Es wunderte sie, dass Cyr ihr nicht nach gelaufen war. Er erwartete sicher nicht, dass sie freiwillig zu ihm zurückkehrte.

Sie kletterte behände den Baum nach oben, bis sie an dem großen Astloch ankam. Vor ihrem inneren Auge sah sie noch ihren Bogen und den Köcher mit Pfeilen darin liegen, bedeckt von einer Schicht Blätter, aber nun war da nichts mehr. So sah es zumindest aus. Sie streckte ihren Arm in das Loch und wühlte in den feuchten Blättern. Da streiften ihre Finger etwas Hartes, Ledernes und sie schloss die Hand darum. Erleichtert zog sie eines ihrer Messer heraus. Es war groß und würde zum Jagen reichen. Sie wollte es in ihren Gürtel stecken. Dann fiel ihr aber auf, dass sie noch immer den Rock von ihrer Hochzeit trug. Bisher hatte er sie nicht behindert, aber vielleicht würde er das noch tun, denn er raschelte bei jeder Bewegung. Kurzentschlossen zog sie ihn aus und kürzte die Fasern mit dem Messer. Nun waren sie nur noch halb so lang. Sie würden zwar immer noch Geräusche von sich geben, wenn Taya sich bewegte, aber immerhin besser als nichts. Auch wenn sie lieber ihren Lendenschutz hätte. Also behielt sie das Messer notgedrungen in der Hand.

Schnell kletterte Taya wieder hinunter, inzwischen war es schon Mittag. Dann begab sie sich auf die Jagd, was sie jetzt unter noch schwierigeren Bedingungen tun musste, denn die Jäger des Dorfes waren schließlich auch unterwegs. Nicht auf der Suche nach ihr, aber auf der Suche nach Essen.

Aber sie hatte kein Glück. Kein einziges Tier kreuzte ihren Weg oder ließ sich auch nur ansatzweise blicken. Also blieb Taya nichts anderes übrig, als Beeren und Nüsse zu sammeln. Sie fand ein paar Bananen und Paranüsse. Es war wie verflucht. Mehr konnte sie nicht finden. Nun brauchte sie nur noch einen Platz zum Essen und Schlafen. Da sie sich sowieso mit Naira dort treffen wollte, entschied sich Taya nun schon zum See mit dem kleinen Wasserfall. Nairas und Tayas Lieblingsplatz. Wo sie auch schon mit Felipe gewesen war...

Enttäuscht und hungrig machte sie sich auf den Weg. Es wirkte alles ruhig. Die Wasseroberfläche glänzte und lag still da. Vögel schossen gelegentlich hinunter, um Wasser zu trinken. Taya war misstrauisch und versteckte sich deshalb erst mal hinter einem Busch, während sie aufmerksam die Umgebung beobachtete. Sie musste wachsam bleiben, wenn sie auch diese Nacht im Wald überleben wollte. Nach einer Weile, es war alles still geblieben und niemand hatte sich gezeigt, beschloss Taya, noch einmal kurz den See zu umrunden, um sicher zu gehen, dass auch wirklich niemand auf sie wartete.

Sie entdeckte niemanden. Das war gut. Beruhigt ließ sie sich also mit dem Messer und dem Essen in den Händen auf einem Stein in der Nähe des Wasserfalls nieder. So hatte sie einen guten Überblick und konnte Ankömmlinge sofort ausfindig machen. Und sich gegebenenfalls hinter dem kleinen Wasserfall verstecken. Alleine und ohne wirklich Lust aß sie ihre Banane und ein paar der Nüsse. Sie hatte wirklich Hunger gehabt, aber es schmeckte alles nach nichts. Warum hatte sie heute nichts gefangen? Normalerweise hatte sie mehr Glück. Normalerweise war sie besser. Sie hatte sich doch alle Mühe gegeben und auf alles geachtet, was ihr Vater ihr über das Jagen beigebracht hatte.

In ihrem Unterbewusstsein wusste Taya genau, was das Problem war, aber sie wollte die Gedanken daran lieber verdrängen. Das Gespräch mit Naira von heute Morgen beschäftigte sie sehr. Es hatte sie abgelenkt, sodass sie sich nicht auf das Jagen konzentrieren konnte. Vor allem ein Satz ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.

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