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Am nächsten Morgen begann man schon mit den Hochzeitsvorbereitungen. Doch die Stimmung war gedrückt, niemand freute sich so wirklich über das anstehende Fest. Denn der Häuptling hatte veranlasst, alles so schnell wie möglich in die Wege zu leiten, um Taya unter Cyrs Fittiche zu bringen.

Taya selbst ließ sich den ganzen Tag draußen nicht blicken. Sie sinnierte in ihrer Hütte vor sich hin. Diese würde bald nicht mehr ihr Zuhause sein. Sie würde nämlich zu Cyr ziehen müssen. So war das in ihrem Stamm. Die verheiratete Frau zog zu ihrem Mann, damit sie fortan ihm den Haushalt machen und Kinder bekommen konnte. Doch Taya wollte nicht umziehen. Sie wollte sich am liebsten für immer zurückziehen, weg von den hämischen und abwertenden Blicken, die sie sicherlich zugeworfen bekommen würde. Sie konnte sie ja jetzt schon durch die Wände der Hütte spüren, wenn ein paar Frauen des Dorfes wie zufällig vor ihrer Hütte stehen blieben und lästerten.

Sie hätte die Hütte natürlich verlassen können, und auch mal müssen, aber Don war wieder vor dem Eingang positioniert worden und sie hatte keine Lust auf einen Aufpasser. Ihre Vitalfunktionen waren sowieso komplett ausgeschaltet. Sie hatte keinen Hunger, keinen Durst, und sie wollte nur schlafen. Doch auch der Schlaf brachte keine Erleichterung, denn Alpträume und Erinnerungen fielen über sie her, bis sie schließlich schwitzend wieder aufwachte.

Manchmal kam sie jemand besuchen, aber es waren immer nur abwechselnd ihre Mutter, Naira oder eines ihrer Geschwister. Sie alle versuchten Taya aufzuheitern, aber sie schafften es nicht. Wenigstens sprach Taya, wenn auch nur wenige Worte. Sie hatte einfach nichts mehr zu sagen. Für sie war jetzt bestimmt worden, wie ihr Leben weiter gehen sollte und sie konnte nichts mehr sagen, was es geändert hätte. Sie wollte es gar nicht mehr. Felipe hatte ihr einmal gesagt, als sie sich über die Ungerechtigkeit der Stammesregeln beschwert hatte, sie sollte sich nicht ärgern, es bringe sowieso nichts. Sie solle es einfach akzeptieren und das Beste daraus machen.

Dass ihr dieser Rat ausgerechnet jetzt in den Sinn kam, konnte nur ein weiterer Schlag des Schicksals sein.

Zum Glück ließ Cyr sich nicht blicken. Das wäre die Höhe gewesen und hätte Taya den Rest gegeben. Sie war so unfassbar wütend und enttäuscht von ihm. Immer wieder fragte sie sich, wie er ihr das hatte antun können. Er wusste doch genau, dass sie ihn nicht heiraten wollte. Sie wollte einfach selbst über ihr Leben bestimmen und mit wem sie es verbrachte. Trotz, dass sie ihn auf der einen Seite hasste, wollte sie auf der anderen Seite unheimlich gerne mit ihm reden. Sie interessierte sich nämlich für seine Beweggründe. Wenn Taya über die letzten Wochen nachdachte, war sie vielleicht nicht immer gerecht zu ihm gewesen. Sie hatte ihn mit ihrem Verhalten verletzt, hatte ihn immer wieder zurückgewiesen und hatte sich nie dafür entschuldigt. Aber er hatte über ihre Gefühle Bescheid gewusst und deshalb hatte er nun auch kein Recht, so über sie zu bestimmen.

Und eine Frage beschäftigte sie sehr. Der Häuptling hatte gesagt, dass Cyr den Bogen zu ihm gebracht hatte. Wie hatte er ihn aber gefunden?

Er konnte ihr unmöglich nachts gefolgt sein! Sie war immer vorsichtig gewesen und hatte auf die Umgebung geachtet. Und sie hatte ihn immer gut versteckt. Wenn man also nicht wusste, wo man suchen musste, war er nicht zu finden. Aber Cyr hatte ihn gefunden. Und nun war der Bogen im Besitz des Häuptlings oder wo auch immer und Taya würde auch ihn nie wiedersehen. Der Bogen war der einzige Besitz, den sie von ihrem Vater noch hatte!

Sie musste ihn zurückhaben! Und dann musste sie gehen. Egal wohin, nur weg von Cyr. Selbst wenn Felipe sie nicht mehr wollte, würde sie auch alleine im Regenwald überleben. Aber sie musste dafür ihre Hütte verlassen und sie traute sich noch nicht, sich den anderen Bewohner des Dorfes wieder zu stellen.

Taya setzte sich auf und streckte den Rücken durch. Dieser tat vom vielen Liegen auf hartem Boden höllisch weh. Auch ihre Beine, die sie wie ein Baby an den Körper gezogen hatte, streckte sie von sich, und in ihren Knien knackste es. Es war, als würden die Beine gar nicht mehr zu ihrem Körper gehören, als wären sie eingeschlafen. Sie streckte auch ihre Arme nach oben, die fast schon das Dach der niedrigen Hütte berührten.

Amazona GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt