4. Erster Arbeitstag

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Das energische Klingeln meines Weckers reißt mich aus meinem Schlaf und ich bin sofort hellwach. Trotz meines nächtlichen Telefonats mit James bin ich nicht im geringsten müde, sondern frisch und ausgeschlafen. Voller Elan stehe ich auf, lege mein Bettzeug zum auslüften aus und öffne das Fenster. Zwar habe ich ein mulmiges Gefühl wegen meines Jobs und dieser neuen Bekanntschaft James, aber ich dränge dieses Gefühl zurück. Ich will Katie nicht enttäuschen.
Kühle Morgenluft strömt ins Zimmer und ich hole mir frische Kleidung für meinen ersten Arbeitstag, dann gehe ich in mein kleines Bad und dusche mich.
Danach schließe ich das Fenster wieder, esse eine Kleinigkeit und putze mir die Zähne. Schließlich bin ich fertig und warte bis ich losgehen muss, um meinen Bus noch zu bekommen um zur Arbeit zu fahren.
Endlich ist es Zeit loszugehen, ich nehme mein Handy mit, ziehe mir meine Jacke über und verlasse die Wohnung. Schnell versichere ich mich, dass ich Schlüssel, Busfahrkarte und Ausweis dabei habe, dann verlasse ich das Haus und gehe zur Bushaltestelle. Das Busfahren ist noch so eine Sache die Katie für mich bezahlt.
Der Bus bringt mich zu meiner Arbeit, wo ich bereits einmal zur Probe gearbeitet habe, und ich werde von einem jungen Mann am Personaleingang begrüßt. Etwas befangen mustere ich ihn, bemühe mich aber, mir nichts anmerken zu lassen.
"Guten Morgen, Sie müssen Melody Grand sein. Ich bin Peter Jenkins", sagt er freundlich und reicht mir die Hand. Schnell schüttele ich sie und lächle kurz.
"Ja, die bin ich."
"Gut, kommen Sie, ich zeige Ihnen ihre Sachen und arbeite Sie ein."
Innerlich sträube ich mich dagegen, diesem Mann einfach so zu vertrauen, doch schließlich folge ich ihm und die Tür schließt sich hinter uns.

~~~

Am Nachmittag fahre ich mit dem Bus nach Hause. Ich muss stehen und lehne mich gegen die Stange, damit ich nicht umfalle vor Müdigkeit. Das Einarbeiten war anstrengend und ich sehne mich nach einem Stuhl. Doch obwohl ich so erschöpft bin, fühle ich mich gut und erleichtert, da ich endlich einen Job gefunden habe. Er ist weder toll noch besonders anspruchsvoll, aber fürs erste reicht er.
An meiner Station steige ich aus und laufe die Straße entlang zu dem Haus. Von hier aus kann ich das alte, verlassene Baugrundstück mit dem angefangenen Haus darauf sehen, in dem sich den ganzen Tag seltsame Gestalten herumtreiben.
Oben vor meiner Wohnungstür höre ich laute Musik aus der Wohnung drei Türen weiter den Gang hinunter. Heavy Metal.
Genervt schließe ich die Tür auf, lasse sie hinter mir ins Schloss fallen und schlurfe in meine Wohnung. Den Mantel hänge ich wieder an den Haken, hole aber vorher noch mein Handy aus der Tasche, dann setze ich mich seitwärts auf meinen Sessel im kleinen Wohnzimmer. Ich entsperre es, ignoriere das Gewummer der Musik durch die Wände und schaue, ob James mir eine Nachricht geschickt hat. Tatsächlich blinkt ein kleiner Briefumschlag in der Statusleiste und ich öffne mein Nachrichtenprogramm.

J. Moriarty: Na, wie ist Ihr Job?

Diese Frage hat er bereits vor drei Stunden gestellt, doch ich antworte dennoch.

Me: Ganz okay. Zwar nicht das was ich bevorzuge, aber man kann ja nicht alles haben.

Schon kurze Zeit später kommt eine Antwort rein.

J. Moriarty: Was bevorzugen Sie denn?

Me: Ich brauche Herausforderungen. Ich will meinen Kopf benutzen, logische Schlüsse ziehen und knifflige Situationen lösen müssen. Aber ich habe keine Chance in eine solche Branche zu kommen, da kein Arbeitgeber mich annehmen würde.

J. Moriarty: Wieso denn das?

Me: Ich bin anders als andere Leute.

J. Moriarty: Das habe ich bereits bemerkt. Tut mir leid, ich muss Schluss machen, aber unser Gespräch für heute Abend steht doch noch, oder?

Me: Natürlich. Bis dahin.

Langsam lasse ich das Handy sinken und starre auf die Wand. Was ist in mich gefahren, dass ich diesem Mann einfach meine halbe Lebensgeschichte erzähle? Naja, das ist übertrieben, es war nur ein winziger Bruchteil. Ein winziger winziger Bruchteil. Damit lege ich das Handy auf den Beistelltisch, rolle mich auf dem Sessel zusammen und schließe die Augen. Erst döse ich nur so vor mich hin, doch da schlafe ich einfach ein.

~~~

Ich wache durch das Klingeln meines Handys auf dem Beistelltisch auf und hebe verwirrt den Kopf.
Während ich geschlafen habe ist es dunkler geworden und ich setze mich auf. Das Gewummer der Musik ist verstummt und es herrscht angenehme Stille, bis auf das Klingeln des Handys. Gähnend strecke ich mich und nehme dann das Handy in die Hand. Es ist James, der anruft.
Mit vor Schlaf rauer Stimme nehme ich das Gespräch an.
"Guten Abend James."
"Guten Abend Melody. Sie hören sich sehr verschlafen an, habe ich Sie gestört?"
"Nein, nein. Ich bin nur auf meinem Sessel eingeschlafen, keine Sorge."
"Oh, wenn Sie weiterschlafen möchten, können wir auch morgen reden..."
"Auf keinen Fall! Ich habe mich den ganzen Tag schon darauf gefreut."
"Den ganzen Tag?"
Ich kann das Grinsen aus seiner Stimme heraushören und würde die Worte am liebsten durch das Telefon zurückziehen. Mein Kopf wird langsam klarer und meine Alarmglocken beginnen leise zu klingeln.
"Ähm, ja. Bei der Arbeit sind alle langweilig."
Und schon wieder so eine unbedachte Bemerkung. Die Alarmglocken werden lauter und ich malträtiere meine Unterlippe.
"Ich höre schon, Sie sind noch nicht so ganz wach", sagt er lachend und ich spüre, wie ich erröte. Das Klingeln in meinem Kopf wird etwas leiser und verstummt schließlich ganz.
"Und wie war Ihr Tag?", frage ich verschmitzt um von dem peinlichen Thema abzulenken.
"Ach, ich kann mich nicht beklagen. Heute war ich in Cardiff bei einem Meeting und morgen werde ich nach Edinburgh reisen, zu einem Klienten."
"Hört sich spannender an als bei mir..."
"Das kommt auf die Sichtweise an."

~~~

Wir reden noch eine ganze Weile, bis mir irgendwann vor Müdigkeit die Augen zufallen und ich seinen letzten Satz nicht mehr mitbekommen habe.
"Was? Wie?", frage ich aufgeschreckt und James lacht leise am anderen Ende.
"Ich glaube, Sie sollten ins Bett gehen, Melody."
"Na gut. Werden Sie eigentlich nie müde?"
"Doch, aber ich schlafe ausreichend."
"Haha. Na dann, bis morgen."
"Bis morgen, Melody. Schlafen Sie gut."
"Danke..."
Ich lege auf, schalte das Handy aus und falle in meinem Zimmer aufs Bett. Gerade schaffe ich es noch meine Kleidung zu wechseln und nicht an den bevorstehenden Tag zu denken. Diese Nacht habe ich keine Albträume.
Anscheinend tun mir die Gespräche mit James gut, auch wenn ich das kaum wahrhaben will. Denn immer, wenn ich mit ihm spreche, oder schreibe, spüre ich diese leise Panik und das Misstrauen in mir. Dennoch kann ich nicht abstreiten, dass ich besser schlafe wenn ich mit ihm geredet habe.
Ausgerechnet ein Mann hilft mir dabei besser zu schlafen. Katie hätte ihre helle Freude daran. Bei diesem Gedanken lächle ich und erinnere mich unwillkürlich an all die schönen Tage die ich mit meiner Freundin erlebt habe. An all das Lachen, das Weinen, die Ausflüge und die Tage in der Schule. Ein dumpfes Gefühl regt sich in mir, was ich als Sehnsucht identifiziere. Ich vermisse Katie. Ich vermisse sie sogar so sehr, dass mir eine einzelne Träne die Wange herunterläuft und im Stoff meines Kissens versickert. Dann schlafe ich ein, in Gedanken bei Katie.

* * *

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt