Mit hochgezogenen Schultern laufe ich fröstelnd von der Bushaltestelle zu meiner Wohnung. Es regnet in Strömen und ich habe keinen Regenschirm dabei, weswegen ich so schnell es geht nach Hause will. Doch plötzlich tritt jemand vor mich auf den Bürgersteig und ich bleibe erschrocken sofort stehen. Es ist Jim, gekleidet in einen seiner heißgeliebten schwarzen Westwood-Anzüge, die Hände in den Hosentaschen und das Wasser tropft an ihm herab. Er ist komplett durchnässt, aber das scheint ihm herzlich wenig auszumachen. Sein Anblick versetzt mir einen Stich und ich muss schlucken.
"Was willst du hier?", frage ich und registriere das Zittern in meiner Stimme, doch Jims Gesicht bleibt ausdruckslos während er beginnt zu sprechen.
"Ich bin gekommen um mit dir zu reden."
"Ich will aber nicht mit dir reden."
Der kalte Regen dringt mir langsam unter den Mantel und ich beginne zu zittern, da tritt Jim einen Schritt vor und streckt eine Hand nach mir aus, so als wolle er mich wärmen, doch ich weiche zurück.
"Nein."
Wortlos lässt er den Arm sinken und schaut mich aus seinen dunkelbraunen Augen heraus an. Doch in ihnen ist keine Liebe, sie sehen eher aus wie schwarze, abgrundtiefe Löcher.
"Es ist mir bewusst dass ich dich verletzt habe, aber-"
"Verletzt? Du hast mich verletzt? Zerstört hast du mich! Von Anfang an hast du gelogen, ich habe dir vertraut und du hast mich benutzt!", unterbreche ich ihn und er spannt sich sichtlich an. Anscheinend mag er es überhaupt nicht wenn man ihn unterbricht.
"Ich habe dich nie benutzt!", sagt er laut und ich zucke unwillkürlich zusammen. Sein drohender Ton jagt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken und ich schlucke wieder. So hat er immer mit den Menschen gesprochen die mir etwas antun wollten, und ich habe nie verstanden wieso. Wie konnte ich so blind und naiv sein.
"Es gab keinen anderen Weg, wie hätte ich es dir denn sonst sagen sollen? 'Hey Schatz, danke für das Frühstück, ach übrigens, ich bin ein Psychopath der als Consulting Criminal arbeitet, hast du noch Kaffee?'!"
Seine Stimme hebt sich am Ende und er wirkt sichtlich aufgewühlt.
"Vielleicht mit etwas mehr Gefühl, und nicht so eiskalt und erbarmungslos wie du es getan hast!"
"Tja, aber so bin ich nun mal. Jim Moriarty, Psychopath und eiskalter Killer. Ich kenne keinen Mitleid."
"Du lügst. Ich habe dich kennengelernt, habe den anderen Jim lieben gelernt."
"Der ist nicht mehr da!", ruft er und atmet tief durch. Mittlerweile werde ich ganz taub vor Kälte und Tränen vermischen sich mit den Regentropfen auf meinem Gesicht.
"Er ist weg seit du gegangen bist", fügt Jim ruhiger hinzu und ich höre das leise Bedauern in seiner Stimme.
"Soll das heißen ich soll zu dir zurückkommen?", frage ich zitternd nach und Jim zuckt mit den Schultern.
"Wäre eine Möglichkeit."
Fassungslos schaue ich ihn an und erkenne den Mann den ich liebe kaum noch wieder.
"Warum in aller Welt sollte ich das tun?", frage ich bitter und er schaut mir fest in die Augen während er langsam auf mich zukommt.
"Ich bin der einzige der dich beschützen kann."
Einen Schritt vor mir bleibt er stehen und ich rieche seinen vertrauten Geruch, wenn auch gedämpft durch den Regen. Ihm nach all den Wochen wieder so nahe zu sein ist schwer für mich, aber ich beherrsche das Verlangen wieder seine Nähe zu spüren. Jim schaut mich einen Moment lang an, dann holt er Luft.
"Bitte."
Dieses eine Wort hat ihm anscheinend einige Überwindung gekostet, und ganz kurz höre ich wieder den anderen Jim heraus. Doch meine Entscheidung steht fest, auch wenn sie mich innerlich zerreißt.
"Nein. Irgendwann ist es genug. Leb wohl", sage ich leise, aber bestimmt und gehe an Jim vorbei und die Straße weiter.
"Melody!"
Doch ich drehe mich nicht um, sondern beschleunige meine Schritte sogar noch. Trotz der Kälte klopft mein Herz wie wild vor Angst, weil ich Jim nicht mehr einschätzen kann. Ich würde ihm zutrauen dass er mir hinterher rennt und mich mit Gewalt dazu bringt ihm zu folgen, doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen ertönt, kaum dass ich um die nächste Ecke verschwunden bin, hinter mir ein Schrei. Ein Schrei voller Wut, Schmerz, Verzweiflung und Trauer. Und er stammt von Jim.
Einen Moment lang bleibe ich erschrocken stehen und schaue zurück, doch dann gehe ich schnell weiter, nach Hause. Der Regen lässt ein wenig nach, aber ich bin komplett durchgefroren und nass und sehne mich nach einer heißen Dusche und einem Tee.
Mit einem erleichterten Seufzer trete ich ins warme Treppenhaus und laufe nach oben zu meiner Wohnung, nasse Spuren hinterlassend. In meinem Flur ist es dunkel und kühl, aber dennoch wärmer als draußen.
Schnell ziehe ich meinen nassen Mantel aus, drehe überall die Heizung auf und bereite alles für Tee vor. Meine triefenden Schuhe stelle ich auf die Heizung und will mich gerade auf ins Bad machen, als es an meiner Tür klingelt. Murrend gehe ich dorthin und öffne sie, noch immer in meine nassen Sachen gekleidet. Vor mir steht ein schwarz gekleideter Mann mit braunen, schulterlangen Haaren, die von der Feuchtigkeit gekräuselt sind und auf seiner Jacke prangt das Logo einer Logistik Firma. Bevor ich ihn fragen kann was er von mir will, presst sich ein Tuch auf meinen Mund und Nase und ich will schreien, doch da wird auch schon alles schwarz und mein Körper erschlafft.~~~
So kalt. Es ist alles so kalt und klamm. Als wäre meine Kleidung eingefroren. Mein Kopf tut weh und meine Kehle ist trocken, als hätte ich stundenlang nichts getrunken. Ansonsten spüre ich aber kaum etwas, es ist viel zu kalt. Meine Hände und Füße sind taub von der Kälte und ich bemerke nur am Rande dass ich keine Schuhe anhabe. Langsam kehrt die Wahrnehmung zurück und ich fühle, dass ich auf einem Stuhl sitze, meine Socken streifen nur leicht den Boden. Allerdings kann ich meine Arme und Beine nicht bewegen, auch wenn ich es versuche. Es fühlt sich fast so an als wären sie festgebunden.
Da erinnere ich mich plötzlich an Jim, den Regen, den fremden Mann und die Entführung und öffne mühsam die Augen. Ich hätte sie auch geschlossen lassen können, denn es ist genauso dunkel wie vorher. Kein Licht dringt zu mir, wo auch immer ich mich befinde. Vorsichtig versuche ich mich zu bewegen, aber meine Finger sind steif von der Kälte und auch sonst fühle ich mich schwach.
Ich habe so unglaublichen Durst und meine Kopfschmerzen werden immer stärker. Als würde hinter meiner Stirn jemand mit einem Hammer gegen meinen Schädel schlagen. Das Denken fällt schwer und ich versuche verzweifelt irgendetwas in der Dunkelheit vor mir zu erkennen. Man hat mich entführt, das ist klar, aber warum? Und wer? Wem habe ich etwas getan? Oder ist es etwa wegen Jim...
Plötzlich höre ich gedämpfte Schritte hinter mir, und dann eine Tür die aufgeschlossen wird. Mit einem Klicken fängt eine grelle Lampe an zu leuchten und ich kneife sofort die Augen mit einem schmerzvollen Stöhnen wieder zusammen. Das Licht bohrt sich in meinen Kopf und die Schmerzen werden schlimmer.
Die Schritte laufen einmal um mich herum und bleiben vor mir dann stehen. Langsam, unter starken Kopfschmerzen und heftig blinzelnd öffne ich die Augen wieder und gewöhne mich an das grelle Licht, bis ich eine Gestalt vor mir ausmachen kann.
"Was wollen Sie von mir?", krächze ich heiser und huste daraufhin. Der Mann, denn das ist die Gestalt, holt etwas aus seiner Jackentasche und dreht einen Verschluss ab, dann zwingt er meinen Kopf grob in den Nacken und hält mir etwas an die Lippen. Kühles, belebendes Wasser fließt in meinen Mund und ich trinke gierig, da nimmt er mir die Flasche wieder weg und lässt mich los. Mein Durst ist noch längst nicht gestillt, doch es reicht um mich nicht mehr ganz so ausgetrocknet zu fühlen.
Gerade will ich erneut zu einer Frage ansetzen, als noch jemand in den Raum kommt und sich vor mich hinstellt. Es ist ein großer, und doch schlanker Mann, mit wasserstoffblonden Haaren, einem kantigen Gesicht und einer hässlichen Narbe, die sich quer über seine linke Gesichtshälfte zieht.
"Sie sind also Melody Grand", sagt er mit einem leichten deutschen Akzent und schaut mich intensiv aus blassblauen Augen an. Sein Blick ist mir unangenehm und ich drehe den Kopf.
"24 Jahre alt, braune Haare, grüne Augen, ledig, Mutter ist tot, der Vater hingegen nicht auffindbar. Abschluss verspätet nachgeholt als eine der besten Ihres Jahrgangs, Sie tanzen sehr gerne, gehen aber nie auf Partys. Sie haben Erfahrungen mit Drogen, Gewalt und Missbrauch gemacht, allerdings sind Sie mittlerweile nicht mehr so ängstlich wie früher", rattert er runter als würde er meine Akte lesen und ich schlucke.
"Sie sind nichts besonderes, warum also interessiert er sich für Sie?", fragt der Mann, doch ich antworte noch immer nicht. Da packt er plötzlich mein Kinn und zwingt mich grob ihn anzusehen.
"Sieh mich an wenn ich mit dir rede!", zischt er und seine anfängliche Höflichkeit ist wie weggewischt. Ängstlich schaue ich ihn an und schlucke.
"Ich weiß nicht wen Sie meinen", antworte ich und muss das Zittern in meiner Stimme unterdrücken. Sofort brennt meine Wange und ich zucke erschrocken zurück. Der Mann hat mich mit der flachen Hand geschlagen und starrt mich nun wütend an.
"Lüg mich nicht an!"
Seine Stimme wird drohend und ich beginne unwillkürlich zu zittern.
"Du kennst James Moriarty, du bist mit ihm zusammen!"
Meine Wange schmerzt furchtbar und ich fühle wie sie rot wird, doch ich weine nicht. Ängstlich nicke ich leicht, da beugt der Mann sich über mich. Ich will ihm nicht sagen dass ich genaugenommen seit zwei Monaten Single bin. Könnte falsch ankommen.
"Also, was will er von dir?"
"Ich weiß es nicht", antworte ich leise.
"Was weißt du über ihn?", fragt der Mann weiter und ich schaue ihn voller Angst an. Auch wenn Jim mich angelogen und mir so wehgetan hat, ich will niemandem der mich entführt und geschlagen hat Dinge über Jim sagen.
Also schüttele ich den Kopf, da schlägt der Mann mich erneut, dieses Mal mit der Faust. Mein Kiefer schmerzt und ich kann nur mühsam einen Schrei zurückhalten.
"Du wirst mir alles erzählen was du weißt, sonst werde ich dir schlimmeres antun als das", droht er wütend und vor Angst beginnen Tränen über meine Wangen zu laufen, doch ich schüttele den Kopf und schließe die Augen.~~~
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Moriarty In Love
Fanfiction"Jim, ich vertraue dir." "Ich weiß Honey." Das Leben der jungen Melody ist kein Zuckerschlecken. Eine miese Wohnung, fehlendes Geld und nur einen mickrigen Job in einem Schnell-Restaurant sind da noch nicht mal das Schlimmste. Ihre Angst vor Männern...