70. Ausklang

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Melody

Wir laufen die Treppen nach unten statt den Aufzug zu nehmen und jetzt bin ich froh dass Jim mit mir regelmäßig joggen geht. Allerdings verhilft mir das Adrenalin in meinen Adern zu größerer Ausdauer und Schnelligkeit, zumindest bis die Wirkung nachlässt.
Unten angekommen holen wir unsere Mäntel und eilen nach draußen. Es ist stockfinster und nur wenige Straßenlaternen erhellen die Straße, aber Jim führt mich zielstrebig zu dem Auto in dem wir hergekommen sind.
"Boss, ich fahre hinter euch her damit ihr sicher ankommt", informiert Seb uns, dann geht er zu seinem eigenen Auto und wir steigen ein.
Der Fahrer hat anscheinend die ganze Zeit gewartet, denn kaum klopft Jim zweimal gegen die Trennscheibe fahren wir auch schon los.
Mit einem erleichterten Seufzer lehnt er sich neben mich in seinem Sitz zurück und greift nach meiner Hand. Da erst bemerke ich dass meine Hände zittern, ich jeden Moment anfangen könnte zu weinen und auch dass mein Herzschlag rasend schnell ist.
Jim zieht mich sanft an sich, legt mir einen Arm um die Schultern und streicht mir mit der anderen Hand über den Kopf. Sein Geruch beruhigt mich und ich schmiege mich enger an ihn, allerdings beginne ich nun am ganzen Körper zu zittern.
"Shhh Honey, alles ist gut", sagt Jim leise und murmelt weiterhin beruhigende Worte in mein Ohr, sodass ich mich langsam wieder entspanne. Allmählich dringt das eben Erlebte zu mir durch und ich erinnere mich an die am Boden liegenden Menschen, deren Blut langsam Pfützen auf dem Marmor bildete. Ich habe nicht viel gesehen, nur die Schüsse und Schreie gehört, den Rest des Attentats habe ich unter Sebastian verbracht. Dadurch dass ich von ihm zu Boden geworfen wurde tut mir nun so einiges weh, aber immerhin bin ich nicht tot.
"Melody, wir sind da", teilt Jim mir leise mit und ich löse mich von ihm. Wir steigen aus und ich atme die kühle Luft ein. Der Gedanke, dass einige der Menschen auf der Gala dies nie wieder tun können, bedrückt mich und ich bin froh dass ich keinen von ihnen wirklich kannte.
Jim folgt mir die Einfahrt hoch zur Haustür und schließt sie auf.
"Danke Jim", meine ich zu ihm als er mir meinen Mantel abnimmt und er lächelt schwach.
"Geh ruhig schonmal hoch, ich komme gleich nach."
Ich nicke und mache mich auf den Weg die Treppe nach oben in unser Schlafzimmer. Nun spüre ich die Müdigkeit in meinen Gliedern, da das Adrenalin mittlerweile abgebaut ist und freue mich schon auf mein Bett. Mit fahrigen Bewegungen ziehe ich mir die Schuhe aus, dann folgt das Kleid und ich ziehe mir ein T-shirt für die Nacht über.
Gerade lasse ich mich aufs Bett fallen da kommt Jim ebenfalls herein. Ich höre wie er sich für die Nacht auszieht, dann macht er das Licht aus und kommt zu mir aufs Bett.
"Gute Nacht Honey", sagt er leise und gibt mir einen Kuss auf die Wange, dann legt er sich neben mich. Sanft schlingt er einen Arm um mich und ich drehe den Kopf zu ihm. Mit halb geschlossenen Augen betrachte ich ihn, wie er so daliegt, mit einigen schwarzen Strähnen in der Stirn und geschlossenen braunen Augen. Da bewege ich mich ein wenig und küsse ihn sacht auf den Mund, dann schließe ich die Augen ganz und versuche zu schlafen.

~~~

Die Nacht über schlafe ich unruhig und wache zweimal sogar auf weil ich einen Albtraum hatte, aber am Morgen ist es Jim der mich weckt.
"Was ist los?", murmele ich verschlafen in den Stoff seines T-shirts, denn ich liege ganz nah bei ihm und meine Hand ruht locker auf seiner Seite.
"Es ist schon halb zwölf", meint Jim sanft und ich drehe mich auf den Rücken.
"Toll."
Müde öffne ich die Augen und sehe Jim, der sich über mich beugt.
"Ich habe heute nicht wirklich gut geschlafen", brumme ich und er berührt meine Nase mit seiner.
"Trotzdem... ich will nicht alleine frühstücken."
"Dein Ernst?", frage ich nach, doch muss auch gleichzeitig schmunzeln.
"Ja, mein voller Ernst."
Damit küsst er mich liebevoll auf den Mund und erstickt so jeden weiteren Protest.
"Okay, dann stehe ich halt auf", gebe ich seufzend nach und Jim grinst.
"Sehr gut."
Dann küsst er mich wieder, aber dieses Mal hört er nicht so schnell auf. So kommt es dass ich keuche als er mich endlich wieder frei atmen lässt.
Grinsend steht er auf und verlässt das Zimmer während ich im Bett liegenbleibe und sich mein Herzschlag langsam wieder beruhigt. Dumpf erinnere ich mich an die gestrige Gala, an Amanda, Magnussen und natürlich an den Anschlag, oder was auch immer das war.
"Ist so eine Gala nicht neutraler Boden?", erkundige ich mich, als ich zu Jim in die Küche komme und er schaut zu mir.
"Eigentlich schon, aber es gibt immer irgendwen der sich querstellt. Vergiss nicht, wir sind Kriminelle", antwortet er mir und schiebt mit eine Tasse Tee hin.
"Und weiß man schon wer es war?"
"Amanda. Sie wollte wohl beweisen dass sie sich 'geändert' hat. Ein paar Schüsse hätten dich getroffen wenn Seb nicht rechtzeitig reagiert hätte..."
Den letzten Satz sagt Jim leise und ich höre die Bedrücktheit in seiner Stimme.
"Und... und was ist mit ihr passiert?", hake ich vorsichtig nach und Jim seufzt.
"Einer der Bodyguards hat sie erschossen."
Schweigend nehme ich dies zur Kenntnis und trinke einen Schluck von meinem Tee.
"Warum hast due mir eigentlich nie gesagt dass Ruth tot ist?"
Da stutzt Jim und runzelt die Stirn.
"Ist sie das?"
"Ja, Seb hat es mir erzählt."
"Oh... das habe ich anscheinend vergessen."
Ungläubig schaue ich ihn an, die Tasse nur kurz vor meinem Mund.
"Vergessen?!"
Er zuckt entschuldigend mit den Schultern.
"Ruth war mir nie wichtig, nicht eine Sekunde lang. Erst als ich rausfand dass sie dich töten lassen wollte bekam sie Bedeutung. Und als sie tot war habe ich sie wieder vergessen, denn das einzige was mir wichtig war und ist, bist du."
Er holt sich eine Tasse aus dem Schrank und gießt sich auch Tee ein, dann stehen wir gemeinsam in der Küche und trinken Tee.
"Du bist toll Jim", meine ich und schaue ihn liebevoll an.
"Du bist toller", antwortet er und ich schmelze innerlich. Wie jedes Mal wenn er so verboten niedlich ist.
"Okay, und wie ist das jetzt eigentlich mit Frühstück?"
Da lacht er, stellt seine Tasse auf die Ablage und geht zum Kühlschrank.
"Was du willst, Cornflakes, Toast, Eier... gar nichts."
Er schaut mich grinsend an während er die Kühlschranktür öffnet und ich seufze.
"Soll ich uns etwas machen?"
"Nein."
Er schließt den Kühlschrank wieder und beginnt Toast für uns beide vorzubereiten.
Den restlichen Tag verbringen wir gemeinsam, mal vor dem Fernseher oder auch im Bett, und schon bald wird die gestrige Gala nebensächlich. Wichtig ist nur dass wir beide noch leben und uns lieben.

***

So geht mein Leben mit Jim weiter, es gibt friedliche, liebevolle Tage, aber auch Momente in denen gar nichts friedlich ist. Jims Persönlichkeit hat schon seit wir uns kennengelernt haben auf mich abgefärbt, aber das ist mir egal. Ich liebe ihn aus vollem Herzen und jede Minute meines Lebens. Aber ich möchte trotzdem nicht dass Jim mit mir über seine Arbeit spricht, denn ich möchte nicht allzu oft daran erinnert werden dass mein Mann ein Verbrecher und Mörder ist.
Sebastian überwindet nach und nach seine Distanz zu uns und wird wieder fröhlicher, aber ab und zu sehe ich ihn noch traurig irgendwo stehen. Jim weiß noch immer nichts, und laut Sebastian soll das auch so bleiben.
Anfangs habe ich gedacht dass ein Leben mit Jim ziemlich gefährlich sein wird, aber seltsamerweise passiert nichts, oder nur sehr wenig. Ab und zu frage ich Jim abends im Bett oder in einer ruhigen Minute tagsüber ob er mir etwas sagen möchte, und manchmal erfahre ich dann das doch etwas war. Aber Jims Bodyguards leisten ziemlich gute Arbeit, denn nie bin ich in Gefahr, zumindest laut meinem Ehemann. Ob ich dem Glauben schenken kann ist natürlich die Frage.
Jim ist ab und an seltsam drauf und arbeitet bis spät in der Nacht noch in seinem Arbeitszimmer, doch er behelligt mich nicht damit, zumindest wenn es nicht sein muss. Es kann nämlich vorkommen dass ich eine Nacht nicht zu Hause bleiben kann.
"Dann nehme ich halt ein Hotel."
"Kommt gar nicht in Frage! Du gehst zu Seb und bleibst da, verstanden?"
Aufgebracht schaut er mich an und fährt sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare. Er ist so gestresst von der Arbeit dass er noch weitermachen muss und dabei nicht will dass ich zu Hause bin.
"Ja Mister", murmele ich ein wenig beleidigt und will gerade die Treppe nach oben gehen um meine Sachen zu packen, da hält Jim mich am Handgelenk fest und zieht mich zu sich zurück. Sanft küsst er mich auf den Mund und schaut mich dann liebevoll an.
"Es ist zu deinem Besten Honey. Ich könnte es mir nicht verzeihen wenn ich dich verletzen würde", sagt er leise und ich kann mir eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.
"Ist ja nicht so dass du das schonmal getan hast."
Kurz sieht er mich verletzt an, dann seufzt er und lässt mich los damit ich nach oben gehen kann.
Obwohl Jim etwas anderes will, entscheiden Seb und ich, dass ich in einem Hotel bei ihm um die Ecke schlafen kann, nachdem er einmal vergessen hat dass ich da war und einen One Night Stand mit nach Hause gebracht hat. Ich war noch nie so verstört.
Allerdings bedeuten solche nächtlichen Bekanntschaften von ihm nicht dass er über Jim hinweg kommt, leider.
"Ein Gutes hat es ja. Wir verbringen so mehr Zeit zusammen als normalerweise und können besser reden", meint Seb einmal als er mich eines Morgens vom Hotel abholt.
"Stimmt, aber ich wünschte Jim würde nicht so viel arbeiten."
"Das ist noch gar nichts."
Seb lacht und ich lächle unsicher. Geht es etwa noch länger?
Trotz solcher kleinen Problemen und anderen kleinen Streits, die ab und zu halt vorkommen, läuft es zwischen Jim und mir sehr gut. Und das, obwohl Jim ein Psychopath ist.

~ The End ~
























































~ Oder doch nicht? ~

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt