56. Die richtige Wahl

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Melody

Panisch versuche ich mich zu wehren als der weißhaarige Mann mich grob betatscht und schreie vor Angst. Erinnerungen kommen hoch und ich drohe vor Panik das Bewusstsein zu verlieren, da schreitet jemand ein.
"Lass das, das war so nicht abgemacht!"
Henrys aufgebrachte Stimme reißt mich zurück in die Realität und ich merke dass der Mann mich losgelassen hat.
"Wir hatten gesagt du hörst auf wenn die Aufnahme zu Ende ist! Es geht doch um Moriarty, oder? Warum musst du sie dann so quälen?", fragt Henry wütend und baut sich vor seinem Boss auf. Anscheinend ist er ziemlich hoch angesehen, sonst könnte er sich so etwas nicht trauen.
"Weil wir so sind! Oder hast du etwa Gefühle für die Kleine entwickelt?", blafft der Mann zurück.
"Sie war einmal meine Freundin", knurrt Henry zurück.
"Es ist nicht richtig."
Nicht nur Henrys Boss ist überrascht, sondern auch ich. Verblüfft und erleichtert schaue ich Henry an und er sieht kurz zu mir, dann fixiert er wieder seinen Boss. Noch immer fließen Tränen über meine Wangen, aber ich bin froh dass Henry sich entschieden hat mir auf diese Weise zu helfen.
"Dann hast du keinen Nutzen mehr für mich", stellt der weißhaarige Mann nüchtern fest, zieht plötzlich eine Pistole mit Schalldämpfer hervor und zielt auf Henrys Brust. Bevor dieser reagieren kann, dringt die Kugel in sein Fleisch und er sackt in sich zusammen. Sofort beginnen mir noch mehr Tränen über die Wangen zu laufen und ich schreie gedämpft in den Knebel.
Henry.
Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf den Leichnam, dessen Augen blicklos ins Leere starren und auf dessen Brust sich sein Hemd um das Loch herum rot färbt. Der erschrockene, ja fast ängstliche Ausdruck auf seinem Gesicht bleibt und brennt sich für immer in mein Gedächtnis ein.
Er war mein Freund.
Schnell wende ich den Blick ab als der weißhaarige Mann vortritt und noch dreimal auf den bereits toten Mann schießt. Es ist widerlich und mir wird unwillkürlich übel. Henry ist doch schon tot!
Da kommt der Mann wieder auf mich zu. Mit vor Angst zugekniffenen Augen beginne ich zu zittern und versuche meine Schluchzer zurückzuhalten.
"Bringt sie weg."
Ich werde losgebunden und man zieht mich grob auf die Füße, sodass ich die Augen wieder öffnen muss wenn ich nicht fallen will. Trotzdem stolpere ich einige Male und meine Beine knicken unter mir weg, doch dann stößt mich einer in den Rücken bis ich wieder aufstehe.
Zurück in meiner Zelle werden mir der Knebel und die Handfesseln abgenommen, dann bekomme ich eine Flasche in die Hand gedrückt. Gierig trinke ich, danach lasse ich mich auf den kalten Boden sinken. Ich bekomme kaum mit dass man mich alleine lässt, auch nicht dass die Tür verschlossen wird. Wie in Trance sitze ich da, fühle nichts, sehe nichts, nichtmal die Wunden an meinem Arm sind wichtig. Henry hat mich gerettet, er hat verhindert dass man mich zum zweiten Mal in meinem Leben vergewaltigt, und deshalb musste er sterben. Er, mein Freund, auch wenn er versucht hat mich zu töten. Am Ende hat er die richtige Entscheidung getroffen. Danke, Henry.

~~~

Während der Stunden die ich warte merke ich dass die Kälte mir ordentlich zugesetzt hat. Mir ist kalt und gleichzeitig glüht meine Stirn förmlich, dazu kommt auch noch dass mein Hals schmerzt. Das Fieber macht meine Gedanken verwirrend und unlogisch, aber das berührt mich nicht so sehr. Ich habe mich in eine Ecke gekauert, mit den Armen um mich geschlungen, und zittere vor mich hin. Schlafen ist unmöglich geworden, auch wenn ich todmüde bin und den Schlaf sehr gut gebrauchen könnte.
Irgendwann kommt der weißhaarige Mann wieder und ein anderer Mann zieht mich hoch. Hustend lasse ich es zu dass man mich auf den Stuhl in der Zelle fesselt, aber ich weigere mich den weißhaarigen Mann anzusehen. Schneekopf wäre ein passender Name für ihn.
"Mal sehen ob dein Jim dich jetzt holen kommt. Falls du ihm wirklich etwas bedeutest, wobei ich eher glaube dass er dich sterben lassen wird."
Ganz ehrlich? Das glaube ich auch.
Plötzlich ist mir alles egal. Jim hat mich verraten, Henry ist tot, ich wurde entführt, gefoltert und jetzt bin ich auch noch krank. Besser geht's doch nicht mehr.
Außer wenn ich sterbe, aber das will ich nicht wirklich, trotzdem erkenne ich dass ich sterben werde.
"Halten Sie den Mund", murmele ich schwach und Schneekopf beugt sich zu mir herunter.
"Was hast du gesagt?"
"Halten Sie den Mund!", fordere ich lauter und hebe den Kopf um ihm in die Augen zu sehen.
Da trifft mich seine Faust in den Magen, ich stöhne auf und will mich zusammenkrümmen, doch das geht wegen der Fesseln nicht. Zu gerne möchte ich zurückschlagen, einfach um sein verdutztes Gesicht zu sehen.
"So wirst du nicht mit mir reden!", zischt Schneekopf und ich schaue ihn an.
"Ich rede mit Ihnen wie es mir passt."
"Seit wann denn so aufmüpfig?", fragt er grinsend und ich registriere wie er sein Messer wieder hervorholt. Ich lächle schwach und spüre wie jegliche Angst mich endgültig verlässt.
"Seit dem Sie meinen Freund erschossen haben und ich endlich begriffen habe dass es egal ist was passiert: ich werde sterben."
"Das ist richtig."
Schon hält er mir das Messer unters Kinn und schneidet leicht in meine Haut. Ich unterdrücke mühsam einen Schmerzenslaut und fühle wie warmes Blut meinen Hals hinunterrinnt. Dann schließe ich die Augen und halte die Tränen zurück.
Ich will nicht sterben.

~~~

Er hat mich nicht getötet, allerdings fast. Wenn ich vorher gedacht habe, die Schmerzen seien erträglich, muss ich jetzt heftig widersprechen. Die Schmerzen sind kaum auszuhalten. Mein Arm mit dem eingeritzten Wort hat aufgehört zu bluten, aber dafür hat er mir auf dem anderen Arm Wunden zugefügt, sogar gebissen hat er mich. An meiner linken Schläfe pocht es unangenehm und mein gesamter Oberkörper schmerzt, vorallem beim Atmen, und ich fühle mich wie gerädert.
Mittlerweile habe ich keine Tränen mehr übrig und dämmere in einem fiebrigen Halbschlaf mit geschlossenen Augen in der Zelle vor mich hin. Ich warte einfach nur darauf dass es vorbei geht.
Plötzlich höre ich durch die watteartige Wand in meinem Kopf Rufe, gedämpfte Schüsse und wie Dinge zu Boden fallen. Da wird die Tür aufgetreten, doch ich zucke nicht mal zusammen. Irgendjemand kommt hereingerannt, kühle Hände berühren mein Gesicht und heben es vorsichtig an.
"Melody", haucht eine tiefe Stimme mit irischem Akzent, und jetzt zucke ich doch zusammen. Die Stimme klingt vertraut, doch meine Gedanken sind zu langsam und verworren als dass ich herausfinden kann zu wem sie gehört.
"Seb, halt uns den Rücken frei, wir müssen hier schnell raus", befiehlt die Stimme und die Hände beginnen geschickt meine Fesseln zu lösen. Ich versuche meine Augen zu öffnen, erkenne aber nur meine blutigen Arme, da gebe ich es auf und lasse die Augen zu.
"Kannst du laufen?", werde ich sanft gefragt und ich fühle eine Hand an meiner Wange.
Schwach schüttele ich den Kopf, da nimmt mich jemand im Braut-Stil auf den Arm und ich klammere mich instinktiv in den Stoff seines T-shirts. Der Geruch, der an ihm haftet, ist warm, angenehm und vertraut.
"Irgendwie hatten wir die Situation schon einmal", murmelt derjenige der mich trägt und bewegt sich vorsichtig, darauf bedacht mich nicht zu verletzen.
"Konzentrier dich!", ermahnt ihn da eine andere Stimme und dann ertönen gedämpfte Schüsse. Ich wimmere leise auf als ein Schrei zu hören ist.
"Sieh nicht hin, Mel. Wir sind gleich draußen", beruhigt die Stimme mich.
Eine Weile lang geschieht nichts mehr, aber mir dringt der Geruch nach Blut in die Nase und wir bewegen uns immer weiter. Endlich höre ich eine Tür, und dann trifft mich kühle, frische Luft. Die Geräusche von entfernten Autos auf einer Straße dringen zu mir, doch ich fange an zu zittern. Da werde ich in ein Auto gesetzt und öffne schwach die Augen als der Motor gestartet wird. Türen werden knallend geschlossen und jemand zieht mich auf seinen Schoß, dann kuschele ich mich an den warmen Körper. Ein Arm der Person hält mich an der Taille fest, während die andere meinen Kopf hält. Nur verschwommen erkenne ich einen Hals und dunkle Bartstoppeln, sowie dass wir uns bewegen, dann schließe ich die Augen wieder. Seltsamerweise habe ich keine Angst, ich bin nur so unglaublich müde...
"Sie hat Fieber Seb. Hohes Fieber", murmelt die Stimme leicht hilflos und streicht mir über den Kopf.
"Sie muss ins Bett, und diese Wunden müssen dringend gesäubert und verbunden werden", antwortet die andere Stimme von vorne. Anscheinend fährt ihr Besitzer dieses Auto, wohin auch immer.
"Was hat er nur mit dir getan...", flüstert die erste Stimme und ich fühle sanfte Lippen an meinem Haaransatz.
"Henry...", hauche ich fast lautlos und unter großer Anstrengung.
"Er ist tot. Er hat mich gerettet... mich gerettet..."
Meine Stimme versagt und ich fühle wie meine Muskeln kraftlos erschlaffen.
Langsam verstummen die Geräusche des Motors um mich herum und angenehme Dunkelheit umfängt mich wie eine warme, weiche Decke.

~~~

Hallu :3
Ich wollte nur mal sagen dass ich ein Lied, das momentan auch ab und zu im Radio läuft, irgendwie mittlerweile mit Henry identifiziere. 'Speeding Car', falls das jemand kennt :)
Der Text mag zwar nicht so ganz passen, aber das Lied passt zu meinem Gefühl was ich bei dieser Figur habe. Ich habe es euch deswegen mal da oben reingepackt, und werde es noch ein paar mal benutzen xD

Viel Spaß beim Lesen und warten ^^ Hehe *böse grins*

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt