23. Sebastian Moran

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Als ich am nächsten Morgen aufwache ist es bereits hell und Jim dürfte schon bei der Arbeit sein. Ausgeschlafen aber gemächlich stehe ich auf, öffne das Fenster zum lüften und ziehe mir einen Pulli über. Auf meinem Nachttisch liegt mein neues Handy neben meinem alten. Ich habe es noch nicht einmal eingeschaltet, geschweige denn meine Kontakte und Daten darauf übertragen und nehme das Gerät nun in die Hand. Es ist glatt und kühl, und als ich es einschalte leuchtet das Display sofort auf. Ich wechsele meine SIM-Karte, dann richte ich es ein und installiere mir WhatsApp. Schnell schreibe ich Katie von meinem neuen Handy, dann gehe ich nach unten, mit dem Ziel mir einen Tee und etwas zu essen zu machen. Mittlerweile fühle ich mich in dem großen Haus wohl und komme auch gut zurecht.
Doch auf einmal höre ich Stimmen und bleibe wie erstarrt auf der Treppe stehen.
"Ich war gestern Abend noch mit Melody weg. Beantwortet das deine Frage?"
Das ist Jims Stimme. Merkwürdig, sollte er nicht um diese Uhrzeit bereits bei der Arbeit sein?
"Teilweise."
Die fremde, tiefere Stimme lässt mich unwillkürlich zusammenzucken. Ein fremder Mann?
"Und was habt ihr gemacht?", fragt die Stimme und Jim seufzt. Anscheinend befinden sich die beiden in der Küche.
"Wir waren essen."
"Und habt ihr danach...?"
Daraufhin herrscht erstmal Schweigen, doch dann höre ich Verärgerung und Fassungslosigkeit in Jims Stimme.
"Du weißt dass ich so nicht bin!"
"Naja, aber mittlerweile musst sogar du bei ihr weiter sein."
Jim seufzt erneut genervt und ich höre ein leises "Klong", so als würde er seinen Kopf gegen den Schrank lehnen.
"Bei Melody muss man ganz behutsam sein. Ist man zu schnell, verliert man ihr Vertrauen und sie bekommt Angst."
"Also wie eine Ladung Sprengstoff mit extrem vielen Drähten?", fragt die fremde Stimme belustigt.
"Du immer mit deinen seltsamen Vergleichen. Aber ja, ungefähr so", antwortet Jim und der andere Mann lacht. Da beschließe ich hinunter zu gehen.
Ich biege in die Küche ein und sehe den Mann, der uns schonmal bei der Bande geholfen hat. Jetzt trägt er keine Jacke und ich sehe wie sich sein T-shirt über seinen muskulösen Oberkörper spannt. Seine blonden, kurzen Haare, seine blauen Augen, sein hartes Aussehen und seine Ausstrahlung machen ihn zum kompletten Gegenteil von Jim.
Dieser Mann weiß, dass er gut aussieht und nutzt dies um an Frauen heranzukommen. Wie hieß er noch gleich? Sebastian... Morgan? Moreen?
"Oh, guten Morgen Mel", begrüßt Jim mich mit einem Lächeln und ich lächle kurz zurück.
"Morgen."
Ich streiche mir einmal über die Haare und schaue zu dem anderen Mann. Dieser mustert mich eingehend und unter seinem stechenden Blick fühle ich mich unwohl.
"Melody, das ist Sebastian Moran. Mein Freund und Bodyguard", stellt Jim ihn vor und ich nicke. Moran... stimmt ja.
Sebastian streckt mir lässig die Hand entgegen und ich ergreife sie nach kurzem Zögern. Er hat einen festen Händedruck.
"Hi. Du kannst mich aber auch Seb nennen."
"Melody, aber ich bin mir sicher das weißt du bereits", antworte ich und er lacht.
"In der Tat. Jim spricht oft von dir."
Da ertönt ein Räuspern neben uns und ich schaue zu Jim. Er errötet ein wenig und bemüht sich, dies hinter seiner Kaffeetasse zu verstecken.
"Seb übertreibt maßlos", murmelt er und ich muss lächeln. Dann beginne ich mir Tee zu machen, wie ich es schon vorhatte. Ich spüre den Blick von einem der Männer hinter mir im Rücken und mir wird leicht unbehaglich zumute.
"Warum bist du eigentlich noch hier? Normalerweise bist du um diese Zeit doch schon weg", erkundige ich mich und schaue Jim an.
"Seb ist hier um mir zu sagen, das sich heute am besten nicht zur Arbeit kommen sollte", antwortet er und ich runzele die Stirn.
"Wieso denn das?"
Jim macht eine abwinkende Handbewegung.
"Nichts schlimmes, nur Paparazzi."
Ich bemerke aus dem Augenwinkel wie Sebastian seinem Chef einen merkwürdigen Blick zuwirft, ignoriere das aber. Allerdings kommen mir Zweifel wegen Jims Antwort. Ich habe noch nie etwas über ihn in den Medien gesehen, geschweige denn jemals zuvor von ihm gehört. Und da sollen Paparazzi auf ihn scharf sein?
Doch ich nicke nur und sage dazu nichts. Während mein Tee zieht drehe ich mich wieder zu den beiden Männern um.
"Und was machst du heute so?", fragt Jim mich unschuldig.
"Ich schreibe heute die Bewerbungen zu Ende, dann fahre ich in die Stadt um Mappen und Fotos zu besorgen, damit ich spätestens morgen die Sachen abschicken kann."
Er nickt.
"Das hört sich super an. Falls du Hilfe oder Unterstützung brauchst, sag einfach Bescheid."
"In Ordnung."
Da ist mein Tee fertig und ich wende mich wieder dem Wasserkocher zu. Sebastian wirkt auf mich nicht so wirklich freundlich.
Kaum bin ich mit trinken fertig stelle ich die Tasse auf den Tisch und gehe aus der Küche nach oben um mir Anziehsachen zu holen.
"Ich gehe jetzt duschen", informiere ich die beiden Männer und Sebastian zieht eine Augenbraue hoch.
Doch ich kümmere mich nicht um ihn und gehe zum Badezimmer um mich zu duschen.
Gerade steige ich aus der Dusche und trockne mich ab, da öffnet sich plötzlich die Tür. Ich habe vergessen sie abzuschließen.
Mit einem Aufschrei verstecke ich mich hinter meinem Handtuch und starre Sebastian an, der in der Tür steht. Dieser wirkt überrascht und ich schlucke um meine Angst im Zaum zu halten.
"Hau ab", sage ich mit schwacher Stimme und räuspere mich. Sebastian rührt sich nicht von der Stelle.
"Ich sagte: Hau! Ab!", fordere ich etwas lauter und muss das Zittern in meiner Stimme unterdrücken.
"Seb?", ertönt da die Stimme von Jim und ich bekomme noch mehr Panik. Nicht er auch noch!
Da stürme ich zur Tür und schlage sie Sebastian vor der Nase zu. Schnell schließe ich zweimal ab und weiche keuchend vor Panik einige Schritte zurück. Ein Mann hat mich nackt gesehen. Nackt.
"Was zum Teufel machst du da!?", höre ich die wütende Stimme von Jim und dann die von Sebastian.
"Mann, du verpasst echt etwas."
Da scheint Jim zu realisieren was gerade passiert ist und scheint Sebastian mit sich zu ziehen.
Zitternd stehe ich alleine im Bad und versuche mich zu beruhigen. Dann geht das trocknen und anziehen ganz schnell, ich will so schnell es geht hier weg.
Ich stürme mit noch feuchten Haaren aus dem Bad nach oben und schnappe mir mein neues Handy vom Ladekabel. Dann eile ich wieder nach unten, nehme mir meinen Mantel und will gerade die Haustür öffnen, als Sebastian mich von hinten anspricht.
Erschrocken wirbele ich herum und starre ihn an.
"Ich wollte mich entschuldigen."
Doch ich schüttele den Kopf und öffne die Tür hinter mir.
Da kommt auch noch Jim auf den Flur.
"Melody..."
Da gehe ich aus der Tür und laufe eilig die Auffahrt nach unten zur Straße. Sebastian hat mich erschreckt und sein Grinsen mich so an den Priester und meinen Stiefvater erinnert, dass ich kurz vor einer Panikattacke stehe. Auch wenn Jim mein Freund ist, mit zwei Männern alleine in einem Haus zu sein halte ich jetzt nicht aus.
Ich laufe zur nächsten Bushaltestelle und steige in den Bus zur Stadt. Ich wollte ja sowieso heute noch weg, also kann ich das ja jetzt noch erledigen.
Langsam beruhige ich mich wieder und meine Herzfrequenz wird niedriger. Und nun bin ich mir fast sicher dass Sebastian es nicht mal wollte. Ich meine, wenn er der Freund von Jim ist, ist es doch kaum möglich dass er solche Dinge tut, oder?
Und sehr wahrscheinlich hat Jim ihm nicht von meiner Vergangenheit erzählt, weswegen Seb keine Ahnung hat warum ich so reagiert habe. Aber sein Satz: 'Mann, du verpasst echt etwas.' macht mich wütend. Was denkt er eigentlich wer er ist? Und warum sagt er sowas zu Jim?
Es tut gut wütend statt ängstlich zu sein, mal eine Abwechslung.
In der Stadt begebe ich mich sofort zum nächsten Schreibwarenladen und besorge mir Bewerbungsmappen, dazu noch Briefumschläge und Briefmarken zum abschicken. Für die Fotos brauche ich etwas länger, denn vor dem Automaten warten noch zwei andere Leute. Doch das ist mir heute egal, ich vertreibe mir die Zeit indem ich mit Katie schreibe.

Katie: Hey, schön dass du dich meldest. Wie gefällt dir das Geschenk? :D Und das von Jim?

Me: Ups, das habe ich noch gar nicht abgeholt... aber ich bin eh in der Stadt. Das Handy von Jim ist cool, ich schreibe gerade damit.

Katie:  Bist du wegen der Sache mit deinem Job in der Stadt?

Me: Yup ^^

Katie: Ich drücke dir echt die Daumen. :)

Me: Danke ♥

Katie: Wir schreiben später weiter, okay?

Me: Klar.

Damit geht sie offline und ich stecke mein Handy weg. Da bin ich auch schon dran und kann mir endlich Fotos machen.
Diese werden nicht perfekt, aber sie reichen vollkommen aus.
Danach mache ich mich auf zur Poststation um Katies Paket noch abzuholen. Es ist relativ groß, aber leicht. Kurz zögere ich und überlege ob ich schon zu Jim zurückfahren soll. So wütend wie er klang hat er Seb wahrscheinlich in Grund und Boden geschimpft. Bei dem Gedanken muss ich grinsen und treffe meine Entscheidung.
Mit dem Paket unterm Arm mache ich mich auf zum Bus.

×~×~×~

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt