An meinem ersten Arbeitstag bin ich anfangs so aufgekratzt dass ich eine Stunde zu früh aufstehe und mich schon fertig mache. Jim kommentiert das mit einem Lächeln und tut so als wäre das total normal während auch er sich für die Arbeit fertig macht. Schließlich sitze ich mit meinem Rucksack auf dem Schoß in der Küche und schaue nervös auf die Uhr. Eine halbe Stunde noch bevor ich überhaupt ans losfahren denken kann.
Ich seufze und zupfe an meiner neuen Bluse und dem schickeren Damenjackett. Am Sonntag haben wir die Sachen noch gewaschen und Jim hat mir Tipps gegeben wie ich die Sachen am besten zusammenstelle.
"Der erste Eindruck ist meistens der bleibende, auch wenn viele etwas anderes behaupten. Deswegen ist ein gepflegtes Auftreten wichtig", hat Jim mir erklärt und mir die Sachen in die Hand gedrückt. Es ist irgendwie rührend dass er sich so darum bemüht dass ich den Job nicht verliere.
Doch jetzt bin ich gerade alleine in der Küche und Jim läuft summend durch die Wohnung. Er bindet sich die Krawatte zieht sich das Jackett über und nimmt seine Schlüssel.
"Soll ich dich fahren?", fragt er und steckt den Kopf zur Tür herein. Ich schaue ihn an und nicke.
"Das wäre super."
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir dass ich sowieso losfahren müsste. Eine halbe Stunde lang habe ich dagesessen und nachgedacht.
Ich nehme meinen Rucksack in die Hand und folge Jim zur Haustür. Wir gehen zum Auto und ich vergewissere mich zum fünften Mal dass ich den Hausschlüssel in der Tasche habe. Ich habe keine Lust vor Jims Haus zu sitzen und von den Leuten angestarrt zu werden.
Im Auto bemüht Jim sich mich zu beruhigen und ich entspanne mich ein wenig.
Doch schließlich hält Jim vor dem Gebäude in dem ich arbeiten werde. Ich schaue auf den Bau aus Glas und Stahl und schlucke.
"Danke Jim", murmele ich und öffne die Tür. Da hält Jim mich am Arm zurück und ich schaue ihn an. Seine dunkelbraunen Augen mustern mich und er lächelt mich ermutigend an.
"Du schaffst das schon. Wir sehen uns heute Abend."
Ich nicke.
"Bis dahin."
Dann steige ich aus und schultere meinen Rucksack. Langsam gehe ich die Treppen hinauf und schaue mich oben nochmal nach Jim um. Der winkt, dann fährt er weiter und lässt mich alleine vor dem großen Gebäude zurück. Ich schaue durch die Glastür in die Eingangshalle und trete in das Gebäude.~~~
Am Nachmittag, kaum das ich Feierabend habe, mache ich mich glücklich auf zum Bus. Vor Freude tanze ich schon fast über den Bürgersteig und ignoriere die befremdeten Blicke der Leute um mich herum.
Eine junge Frau mit einem Rucksack hüpft auf dem Bürgersteig herum, Kopfhörer in den Ohren und in seriöser Kleidung? Zwar in Jeans, aber dennoch seriös. Verrückte Welt.
Das Wetter ist heute auch noch besser als am Wochenende und so bleibe ich trocken bis zu Jims Haus. Ich fühle mich fast wie ein Schulkind das gerade endlich Ferien bekommen hat.
Meine gute Laune wird auch nicht dadurch getrübt dass ich eigentlich ziemlich müde bin.
Bei Jim zu Hause esse ich erstmal etwas und setze mich an Jims Laptop um nach einer neuen Wohnung zu suchen. Denn ich bin mir sicher dass ich das schaffe.
Kaum eine halbe Stunde nachdem ich nach Hause gekommen bin kommt Jim auch nach Hause und ich springe auf. Kurz mustere ich Jim ob er wieder so komisch ist wie das eine Mal, aber er lächelt als er mich sieht. Also laufe ich zu ihm, nehme ihn fest in den Arm und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
"Du bist fantastisch Jim", flüstere ich und lasse ihn gar nicht mehr los.
"Das bin ich öfters", antwortet er mit einem Lachen und hält mich auch fest.
"Ich nehme an dein erster Tag war ein voller Erfolg?"
"Und wie!"
Ich lasse ihn endlich los und er schaut mich grinsend an. Seine Haare sind noch immer gegelt und er sieht wach und munter aus.
"Das ist ja klasse! Willst du heute Abend irgendwas machen?"
Ich schüttle meinen Kopf.
"Sorry Jim, aber ich bin zu müde dafür. Ich esse etwas und dann bin ich k.o. Wenn du magst können wir noch ein bisschen entspannen und reden."
Er lächelt und nickt.
"Das verstehe ich, du siehst aber trotzdem sehr glücklich aus."
Gemeinsam gehen wir in die Küche und Jim legt sein Jackett über die Lehne eines Stuhls und lockert seine Krawatte, da fällt sein Blick auf den Laptop.
"Suchst du schon nach einer neuen Wohnung?", fragt er und ich meine eine leise Enttäuschung in seiner Stimme zu hören. Plötzlich ist mir das unangenehm dass er das so mitbekommt. Das wirkt ja fast als wolle ich so schnell es geht weg von ihm, obwohl es das letzte ist was ich will. Doch ich brauche dringend wieder Zeit alleine für mich.
"Ja... Ich danke dir für alles was du für mich getan hast, aber ich brauche wieder Freiraum und muss alleine sein", antworte ich kleinlaut und senke den Blick. Doch Jim nimmt das nicht falsch auf, sondern legt mir verständnisvoll eine Hand auf die Schulter.
"Ich verstehe dich noch immer, aber du kommst mich doch besuchen? Oder ich kann zu dir kommen?"
"Na klar, unsere Freundschaft bleibt. Warum auch nicht?"
Er zuckt mit den Schultern und fährt sich unsicher durch die Haare, die nun wieder etwas unordentlich sind.
"Wer weiß ob du mich noch sehen willst."
Ich verdrehe die Augen und stupse ihn an.
"Red doch keinen Quatsch."
Dann machen wir beide gemeinsam etwas zu essen, wobei ich Jim sage was er tun muss, denn in der Küche ist er jetzt nicht so begabt.
Dennoch sitzen wir bald vor einem leckeren Abendessen und unterhalten uns bis mir beinahe die Augen zufallen.
"Ich sehe schon, du solltest dringend ins Bett gehen", meint Jim lachend und steht auf. Er streckt mir eine Hand hin und ich lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. Mit einer Hand auf meinem Rücken schiebt er mich sanft aus der Küche und in Richtung Treppe.
"Ich geh ja schon", murmele ich und stapfe die Treppe hoch während Jim im der Küche aufräumt.
Ich liege im Bett als sich die Tür nochmal öffnet und Jim leise hereinkommt.
"Bist du noch wach?", flüstert er und ich brumme etwas in mein Kissen. Doch dann hebe ich den Kopf und schaue Jim an.
"Ich wollte nur fragen ob du Albträume in letzter Zeit hattest."
Ich setze mich hin und Jim kommt kurzerhand zu mir ans Bett.
"Nein, nicht dass ich wüsste. Wieso... wie kommst du darauf?", antworte ich und Jim fährt sich mit der Hand durch die Haare.
"Ich habe dich gehört, das muss zwei Nächte her sein. Du hast gewimmert und dich im Bett immer wieder herumgewälzt. Ich war bei dir drinnen, aber du hast geweint und schienst zu spüren dass ich da war, denn dann hast du fast schon gefleht dass ich dir nichts tue. Deswegen bin ich wieder gegangen, aber als du am nächsten Tag so wie immer warst wurde ich stutzig."
Er schaut mich fragend an und legt den Kopf schief.
"Also ich weiß von nichts. Aber manchmal erinnere ich mich nicht an meine Träume", meine ich, doch Jims Blick ist noch immer besorgt.
"Ich würde dir nur gerne helfen."
Er scheint noch etwas sagen zu wollen, doch er stockt und schweigt lieber. Ich schaue auf meine Hände, da räuspert Jim sich und steht wieder auf.
"Ich lasse dich mal schlafen, sonst stehst du morgen noch zu spät auf. Gute Nacht."
Ohne auf eine Antwort zu warten verlässt er fast schon fluchtartig den Raum und ich sitze alleine in meinem Bett. Was war das denn?
Warum hat er nicht weitergesprochen? Was wollte er mir erst sagen und hat sich dann doch dagegen entschieden?
Ein wenig verwirrt lege ich mich wieder hin und starre an die Decke. Obwohl ich müde bin finden meine Gedanken keine Ruhe und ich liege eine halbe Stunde wach bevor ich nach meinem Handy auf dem Nachttisch greife.Me: Bist du wach?
Dann warte ich auf eine Antwort und muss unwillkürlich daran denken dass Jim im Zimmer nebenan liegt und vielleicht auch nicht schlafen kann. Fast kann ich spüren wie er da liegt und wie ich an die Decke starrt. Ich könnte rübergehen, doch aus irgendeinem Grund traue ich mich nicht. Was ist wenn ich alles falsch verstehe? Ich hatte sehr lange keine Beziehung, geschweige denn dass ich verliebt war. Da vibriert mein Handy.
Katie: Jetzt schon. Aber für dich bin ich das gerne :) Was ist denn?
Me: Ich weiß nicht was ich machen soll.
Katie: Jim?
Me: Ja. Es scheint immer so als wäre da mehr zwischen uns, aber dann passiert doch nichts. Und ich traue mich nicht. Was soll ich machen?
Katie: Ich glaube dein Problem ist einfach deine Vergangenheit. Und Jim weiß das, deswegen ist er so vorsichtig und stürmt nicht einfach los. Falls du weißt was ich meine XD
Me: Ja, ich verstehe. Also soll ich meine Angst loswerden?
Katie: Naja, so würde ich es jetzt nicht sagen. Jim hilft dir doch schon dabei oder nicht? Das wird schon, langsam halt aber es wird ;)
Me: Du hast wahrscheinlich recht.
Katie: Genau :D Wie ist eigentlich dein Job so?
Me: Der ist super. Aber ich bin total K.O.
Katie: Okay, dann lasse ich dich mal schlafen :) Bis morgen ^^
Me: Danke, bis morgen. ^-^
Ich gehe offline und schalte mein Handy aus, dann liege ich noch eine kurze Weile lang wach, bis ich endlich einschlafe. Katie wird mein Kummerkasten in letzter Zeit.
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Moriarty In Love
Fanfiction"Jim, ich vertraue dir." "Ich weiß Honey." Das Leben der jungen Melody ist kein Zuckerschlecken. Eine miese Wohnung, fehlendes Geld und nur einen mickrigen Job in einem Schnell-Restaurant sind da noch nicht mal das Schlimmste. Ihre Angst vor Männern...