69. Bekanntschaften und Schüsse

755 58 15
                                    

Wir gehen Jim nun hinterher in den großen Raum zurück. Sebastian schlüpft sofort in seine Rolle als stiller, unauffälliger Bodyguard und lässt mich mehr oder weniger alleine stehen. Ich glaube nicht dass Jim das meinte mit 'Bleib du bei Melody'.
Ein wenig verloren stehe ich erst da, doch dann suche ich mir einen freien Tisch wo ich mich hinstelle. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und werde mir bewusst dass Magnussen mich anschaut. Sogar aus der Entfernung merke ich seinen Blick und mir wird mulmig zumute.
Plötzlich kommt jemand an meinen Tisch und ich wende meine Aufmerksamkeit auf den schwarzhaarigen Mann mit der oliv-farbenen Haut, der nun bei mir steht. Sein Anzug ist dunkelrot, eine recht ungewöhnliche Farbe unter all den schwarzen und grauen Anzügen hier. Aber das wirkt sympathisch.
"Guten Abend", begrüße ich den Mann und er lächelt mich charmant an.
"Guten Abend. Gestatten Sie dass ich mich vorstelle, ich bin Julio Bernandez."
"Mein Name ist Melody, ich bin in Begleitung von Mister Moriarty hier", stelle ich mich vor und mache Julio gleich klar dass er sich sein Lächeln und das damit verbundene Flirten für eine andere Frau aufsparen sollte.
"Ein wirklich schöner Name für eine ebenso schöne Frau", meint Julio. Wow, er hat den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden.
"Danke", erwidere ich unsicher.
"Sind sie neu hier Melody? Denn ich kann mich nicht erinnern ihre bezaubernde Person schon einmal gesehen zu haben", kurbelt Julio das Gespräch weiter an und ich antworte ausweichend ohne auf sein Kompliment einzugehen.
"Normalerweise komme ich nicht zu solchen Veranstaltungen."
Wo ist Jim wenn ich ihn brauche?
Ich kann ihn nirgends entdecken, vermutlich hat er sich einen ungestörten Raum gesucht um mit seinem Klienten zu sprechen. Da kommt mir unverhofft jemand anderes zu Hilfe, nämlich Sebastian. Anscheinend hat er bemerkt wie ungern ich mit Julio spreche.
"Belästigt dich dieser Herr?", fragt er mich und ich nicke leicht. Julio wirkt plötzlich ein wenig verunsichert, vorallem als Seb sich ihm auch noch ganz zuwendet. Immerhin ist der Bodyguard fast einen ganzen Kopf größer als er und wesentlich muskulöser.
"Ich möchte Sie bitten die Dame in Ruhe zu lassen, ansonsten muss ich Mister Moriarty davon in Kenntnis setzen."
Nun schluckt Julio und nickt. Hat der mir etwa nicht zugehört als ich sagte mit wem ich hier bin?
"Idiot", murmele ich als er weg ist und Seb will wieder weggehen, doch ich packe ihn energisch am Arm und ziehe ihn zurück.
"Nein, du bleibst und sorgst dafür dass keiner mehr mit mir reden will."
Seb zieht eine Augenbraue hoch, doch dann stellt er sich zu mir an den Tisch.
"Danke."
"Stress?", fragt er belustigt und ich verdrehe seufzend die Augen.
"Dieser Julio hat meinen Wink nicht verstanden. Ich hätte ihm den Zaunpfahl um die Ohren schlagen können und er hätte es noch immer nicht kapiert."
Ich mache eine entsprechende Handbewegung und Seb lacht leise.
"Das hätte ich zu gerne gesehen."
Schmunzelnd schaue ich auf meine Hände.
"Wie kommt es eigentlich dass du so höflich zu ihm warst? Ich hätte gedacht dass du ihm erst eine runterhaust und ihm danach sagst dass er verschwinden soll."
"Naja, wir sind hier auf neutralem Grund, das heißt keine Gewalt. Außerdem meint Jim ich solle mich zügeln."
Ich lache und Seb grinst.
"Ach ja, du solltest ihm nichts von Julio erzählen, er wird sonst sehr eifersüchtig."
"Klar."
Wir setzen das Gespräch noch fort und Dank Seb kommt wirklich eine Zeit lang niemand mehr zu mir. Bis Amanda neben uns auftaucht.
"Du bist also Jims Begleitung?", unterbricht sie unser Gespräch abrupt und meine Miene wird kühl.
"Ja, die bin ich", antworte ich.
"Und du bist Amanda, Jims Ex-Freundin die er seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen hat."
"Ganz recht. Bist du mit ihm auch im Bett oder sucht er sich dafür eine andere?", stellt Amanda gleich ihre nächste Frage und ich runzele die Stirn.
"Das geht dich gar nichts an."
Seb mustert Amanda misstrauisch, doch ich gebe ihm zu verstehen dass ich alles unter Kontrolle habe. Amanda wirft sich in einer fließenden Bewegung die Haare über die Schulter und schnaubt.
"Also gehst du mit ihm ins Bett, obwohl ich keine Ahnung habe was er an dir findet."
Lustig, genau das hat Jim beim Schusstraining auch gemeint als er der Psychopath war. Doch mittlerweile weiß er ganz genau was er an mir findet.
"Wenn du wüsstest", meine ich mit einem Lächeln. Einen Moment schaut sie mich mit zusammengekniffenen Augen an, dann dreht sie sich auf dem Absatz ihrer hohen Schuhe um und stolziert davon.
"Was hat die nur für ein Problem?", frage ich Seb verständnislos und er grinst.
"Ein psychisches. Ich weiß noch wie Jim mit ihr Schluss gemacht hat, da würde niemand, der noch bei Verstand ist es nochmal bei ihm versuchen."
Mit dieser Feststellung bringt er mich zum Lachen, da fällt mir noch etwas ein.
"Apropos, was ist eigentlich mit Ruth?"
"Was soll mit ihr sein?"
"Ich habe fest damit gerechnet sie hier wieder zu treffen, doch ich habe sie noch nirgends gesehen."
"Das wirst du auch nie wieder. Gleich nachdem Jim rausgefunden hat wer die Männer in deine Wohnung geschickt hat um dich zu töten, hat er mir den Auftrag gegeben sie zu erledigen. Ein sauberer Schuss durch den Kopf."
"Ähm Seb, du weißt schon dass ich Jim gebeten habe nicht darüber zu reden?", frage ich unsicher und er hebt beide Augenbrauen.
"Sehe ich aus wie Jim?"
"Naja, eine gewisse Ähnlichkeit besteht... äh, vielleicht teilweise... okay nein."
Grinsend schaut Seb mich an, da scheint er etwas zu bemerken und sein Grinsen verschwindet.
"Melody, Achtung!", ruft er und springt auf mich zu um mich zu Boden zu reißen. Dann ertönen ohrenbetäubende Schüsse und gleich darauf Schreie. 

×××

Allwissender Erzähler

"Also abgemacht."
Er streckt ihm eine Hand hin, die der Mann auch sogleich ergreift. Grange ist ein relativ junger Mann, etwa in Jims Alter, mit blonden Haaren und grauen, lebhaft blitzenden Augen.
"Ihre Bezahlung kommt sobald der Job erledigt ist", versichert er dem Consulting Criminal und dieser nickt.
"Sicherlich. Nicht vergessen, wenn sie auch nur ein Wort hierüber verlieren sind sie tot."
Mit einem leichten Lächeln beobachtet Jim wie sich unwillkürlich Angst in den Augen von Grange breitmacht und er nervös schluckt. Er ist nur der Sohn, der geschickt wurde um die Drecksarbeit zu machen, das weiß Jim.
Eine Familienfehde, bei der ein paar Leute verschwinden und tot wieder auftauchen sollen. Ein Kinderspiel.
Plötzlich ertönen Schüsse von außerhalb des Raums und beide Männer zucken zusammen. Grange, weil er Angst hat als auch noch Schreie und das Klirren von Glas zu hören sind, und Jim weil nun nur noch ein einziger Gedanke sein Handeln bestimmt.
"Melody", flüstert er und stürmt aus dem Raum, Grange einfach stehenlassend. Eilig rennt er durch den Gang zu dem großen Raum und verschafft sich einen Überblick über die Situation. Einige Tische liegen umgestürzt auf dem Boden, zersprungene Gläser knirschen als Leute darüberlaufen und mehrere Gestalten liegen blutend am Boden. Darunter auch Julio Bernandez und Amanda.
Panisch eilt Jim durch den Raum, auf der Suche nach zwei bestimmten Personen. Um ihn herum herrscht ein geschäftiges Durcheinander, Menschen helfen den am Boden liegenden, einige der Gäste sind bereits verschwunden und andere machen sich auf den Weg, doch das alles ist nicht wichtig für Jim.
"Melody!"
Da entdeckt er Sebastian, der sich gerade aufrappelt und dabei Melody auf die Beine hilft. Die junge Frau sieht geschockt, aber unverletzt aus und sofort kommt Jim zu ihr.
"Mel!"
Erleichtert schließt er sie in seine Arme und schaut sie danach besorgt an.
"Ist alles in Ordnung? Bist du unverletzt?", fragt er und Melody nickt.
"Ich bin okay, Seb hat verhindert dass ich getroffen werde."
Sie schaut den Sniper dankbar an und der blonde Mann lächelt leicht, dann wird er wieder aufmerksam.
"Gott sei Dank."
Jim zieht sie erneut in seine Arme, doch Melody wehrt sich dagegen.
"Jim, die sollen doch nicht wissen..."
Sie lässt den Satz unvollendet und er besinnt sich wieder. Die Gefahr dass jemand die Information, das er und Melody zusammen und verheiratet sind, ausnutzen würde ist zu groß.
"Stimmt. Komm, lass uns gehen. Seb."
Mit diesen Worten gehen die Drei aus dem Raum und zurück zum Aufzug, wobei alle drei hoffen dass niemand etwas bemerkt hat.
Denn für einen Moment hat James Moriarty gezeigt wie viel ihm Melody bedeutet, für einen Moment hat er Gefühle gezeigt. Für einen Moment war er unachtsam.
"Und diese Unachtsamkeit wird Ihr Untergang sein, James."
Ein dünnes Lächeln bildet sich auf den Lippen des Mannes, aber es erreicht die grauen, toten Augen nicht.

×~×~×~


Buenos días!
Zugegeben, dieses Kapitel ist recht kurz, hat es aber in sich, oder nicht? ^^
Leider ist das nächste Kapitel schon das letzte dieses Buches :( Ich hoffe aber dass es euch gefällt, und ihr ganz gespannt auf euer Weihnachtsgeschenk warten könnt, denn das wird bombastisch! Hoffe ich zumindest. Also ich mag es ^^

Naja, dann bis demnächst :*

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt