Kapitel 8

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Nach einer viertel Stunde komme ich endlich vor meiner Wohnung an. Schweißgebadet öffne ich die alte Tür und lass mich erleichternd auf das Sofa fallen.

„Tess da bist du ja wieder!“

„Hey Süße, tut mir so leid, dass ich so lange weg war.“

„Wo warst du denn?“ Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, war ja klar, dass sie mich das fragt. Warum hab ich mir nicht vorhin schon was überlegt?

„Ich… hab noch einen alten Freund getroffen.“

„Ach so. Und was machen wir heute?“ Ich bin wirklich erleichtert das sie nicht weiter nachfragt und das Thema so schnell fallen lässt.

„Hast du Lust auf schwimmen?“ Ich sehe sofort ihre Begeisterung in den Augen.

„Ja klar! Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.“

„Okay, sollen wir Justus und Nico fragen, ob die auch Lust haben?“ Ich weiß das Lucy gerne mit Nico zusammen ist, sodass die Frage eigentlich schon fast überflüssig war.

„Wenn die dürfen?“

„Ja sicher. Ruf die doch eben an dann holen wir die in einer halben Stunde ab, okay?“

„Ja mach ich.“ Und schon ist sie auch in den Flur gerannt und tippt aufgeregt die Nummer.

„Hey Justus, hast du und Nico Lust mit schwimmen zu gehen?“ Höre ich sie nur noch in den Hörer sprechen.

„Ja... okay… ja ich sag es ihr… okay bis gleich…. Ja ich freu mich, tschau.“

„Und haben sie Lust?“

„Ja, aber Justus kennt ein anderes Schwimmbad ein bisschen weiter weg, er holt uns gleich ab.“

„Okay, dann pack schon mal deine Sachen zusammen.“

„Ja mach ich.“ Und wieder kann sie es nicht erwarten und rennt eilig davon.

„Vergiss das Shampoo nicht!“

„Nein!“ Höre ich nur noch aus ihrem Zimmer schreien. Jetzt fange auch in an meine Sachen zusammen zu suchen. Das rote Handtuch mit der schwarzen großen Aufschrift 'Sports´, mein Shampoo, den roten Bikini, den ich eigentlich nicht gerne anziehe, weil ich mich so freizügig ziemlich unwohl fühle, doch ich möchte auch nicht mein Geld für so unnütze Dinge ausgeben und frische Klamotten für nachher.

„Ich bin fer-“

„Wo willst du denn hin?“ Höre ich die tiefe beängstigende Stimme meines Vaters. Schnell sprinte ich in den Flur, wo Lucy kleinlaut vor der Tür steht. Er ist wohl gerade von einer Harten Nacht nach Hause gekommen, eine Nacht mit viel Alkohol, wahrscheinlich einigen Prügeleien und den unverantwortlichen Verzehr von Drogen. Ich bin mir nicht sicher ob er Drogen nimmt, ich habe ihn noch nie dabei gesehen, aber zutrauen tu ich ihm das auf jeden Fall.

„Papa wie wäre es wenn du dich ein bisschen auf die Couch legst?“ versuche ich ihn zu besänftigen, doch landet seine Hand auch schon in meinem Gesicht. Ich spüre den brennenden Schmerz auf meiner Haut, wie er sich immer weiter ausbreitet. Beschämt schicke ich Lucy nach draußen, sie soll das nicht sehen.

„Du bleibst hier Lucy!“ Höre ich die aggressive Stimme meines Vaters. „Ich hab hier das sagen verstanden?“ Und wieder fühle ich den brennenden Schmerz seiner großen rauen Hand auf meiner Wange. Die Tränen sammeln sich in meinen Augen, doch ich versuch sie zurück zu halten. Lucy soll nicht sehen wie ich weine. Ich bin doch so was wie ihr Vorbild. Und mein Vater würde höchstens noch einmal, noch fester zuschlagen.

„Lucy bitte geh.“ Flüstre ich in ihre Richtung. „Egal was Papa sagt. Ich komm gleich nach.“ Sie guckt mich mit Tränen in den Augen an. Und ich merke wie sich nicht nur das schreckliche Gefühl des erneuten Schmerzes in mir ausbreitet, sondern auch Trauer, Verzweiflung und Mitleid. Ein sieben jähriges Mädchen sollte nicht sehen wie der eigene Vater die große Schwester schlägt, sie sollte an sich nicht bei so Menschen wie hier aufwachsen, unter so einen schlechten Einfluss, nicht in so einer abscheulichen Wohnung, nicht in so einer schrecklichen und gefährlichen Gegend.

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