Kapitel 4

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Als ich an der Werkstatt angekommen guckt mich Justus, der dort auch arbeitet, fraglich an.

„Was ist los?“        

„Nichts alles gut. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.“

Mist, warum muss er auch immer gleich merken wenn irgendwas ist? Er kommt langsam auf mich zu legt seine Arme um mich und drückt meinen Kopf an seine Brust. Er ist ungefähr einen Kopf größer als ich, genauso wie Jake. Er sagt nichts, sondern drückt mich einfach nur an sich und gibt mir das Gefühl geborgen und sicher zu sein.

„Wenn irgendwas ist kannst du es mir sagen okay?“

„Ja ich weiß, danke. Bin nur ein bisschen schlecht drauf, wegen… naja egal, ich zieh mich eben um wir sind spät dran, der Wagen wird in einer Stunde abgeholt.“

„Okay.“

Das mag ich so an Justus, er merkt sofort wenn irgendwas nicht stimmt doch er merkt auch wenn ich nicht darüber reden will und dann lässt er mich auch in Ruhe, weil er genau weiß das ich auf ihn zukomme wenn ich bereit bin darüber zu reden…

Zügig ziehe ich die blaue Latzhose mit der passenden Jacke an und leg mein Handy und meine Uhr in den Spinnt. Zurück in der Werkstatt fang ich sofort an den alten blauen Wagen zu reparieren. Als ich gerade dabei bin die Sitze zu staubsaugen und das Armaturenbrett zu reinigen kommt Herr Franke herein um sein Auto abzuholen. Ich schaue zu ihm hinauf als er sich neben seinen Wagen stellt.

„Guten Morgen Herr Franke.“, begrüßt ihn Justus freundlich.

„Guten Morgen Justus. Und läuft mein altes Schätzchen wieder?“

„Wir müssen es nur noch eben von außen polieren. Das dauert nicht lange.“

„Okay, in der Zwischenzeit kann ich dann ja das Geschäftliche mit deinem Vater klären.“ Justus öffnet Herrn Franke die schwere Stahltür und dreht sich noch einmal zu mir um:

„Kannst du eben das Auto…“

„Polieren? Schon dabei.“ Beende ich seinen Satz und schaue ihn grinsend an. Auch er konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Gerade als ich fertig bin kommt Herr Franke mit Justus herein.

„Oh, also ich glaub so sauber war das Auto schon lange nicht mehr.“ Ich lächle ihn verlegen an:

„Danke, es freut mich, dass es Ihnen gefällt.“

„So eine Leistung muss einfach mal belohnt werden.“ Er kommt freundlich lächelnd auf mich zu und drückt mir einen 10Euro Schein in die Hand.

„Ähm… danke das wäre aber nicht nötig gewesen ich arbeite hier wirklich gerne.“ Und das ist nicht mal gelogen, mir macht es wirklich viel Spaß an Autos rum zu basteln und für Kunden zu reparieren, aber am schönsten ist der Gedanke, dass ich so Geld für Lucy und mich verdiene und ich uns vielleicht wirklich irgendwann mal immerhin eine kleine Wohnung mit einem schönen Garten mieten kann. Schon jetzt habe ich eine Metalldose unter meinem Bett versteckt, wo ich jeden Monat ein Teil meines Gehaltes hineinlege. Es ist zwar nicht viel, aber immerhin ein Anfang.

„Aber sag mal musst du denn gar nicht in die Schule? Du siehst ziemlich jung aus wenn ich das sagen darf.“ fragt mich Herr Franke. Verunsichert schaue ich zu Justus, er versteht mich zum Glück sofort:

„Sie macht hier ein Praktikum.“

„Ach so, also ich finde du solltest nach der Schule auf jeden Fall hier anfangen, du hast echtes Talent.“ Er schaut von mir rüber zu Justus „Und deinen Vater überrede ich auch schon, dass er sie hier einstellt.“

„Da bin ich mir ganz sicher Herr Franke.“ Er dreht sich schnell aber elegant um und guckt in das freundlich lächelnde Gesicht von Justus Vater. Er begleitet ihn noch zu seinem Wagen verabschiedet sich von ihm und schon fährt Herr Franke die Einfahrt runter und verschwindet hinter der Kurve. Justus Vater dreht sich strahlend zu mir, sodass mich auch ein breites Grinsen überfliegt. Justus, der sich neben mich gestellt hatte, geht es wohl genauso.

„Wie es aussieht hast du schon einen begeisterten Fan Tess.“ Ich merke wie ich rot werde und fröhlich grinsend auf den Boden gucke. Ich bin froh, dass mich Justus Vater hier arbeiten lässt. Er weiß wie schwer ich es hab, das ich nicht zur Schule gehe und anstatt mich beziehungsweise meine Eltern beim Jugendamt zu meldet, gibt er mir einen Job was nicht selbstverständlich ist, da die Gefahr groß ist das irgendwann die Polizei vor der Tür steht, weil irgendjemand den Verdacht bekommen hat das ich hier arbeite und die Schule schwänz. Wahrscheinlich würde er dann ins Gefängnis kommen oder zumindest eine hohe Geldstrafe bekommen. Ich habe mir schon oft überlegt ob es fair ist ihm so ein Risiko auszusetzten, doch ich habe ja keine andere Wahl. Ohne das Geld würden Lucy und ich wahrscheinlich verhungern, ich könnte ihr keine Hefte, Stifte und anderes für die Schule kaufen und dann würde sie irgendwann auf der Straße leben. Ohne irgendeinen kleinen Funken Hoffnung. Ich will nicht, dass ihr Leben so endet. Ich will, dass sie später glücklich ist, ein Haus mit einem schönen Garten hat und genug Geld um ein schönes Leben zu leben. Für mich mag es vielleicht zu spät sein, aber ich werde alles tun, damit sie einmal sagen kann: Ich hab es geschafft.

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