Kapitel 36

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„Hey na wie war die Schule?“ Bestens gelaunt kommt mir Steffi mit einer großen Schüssel Nudeln in der Hand entgegen.

„Gut.“ Zusammen setzen wir uns an den Tisch, nur Christian ist arbeiten. Ich erzähle aufgeregt von meinem Schultag und Steffi hört mir aufgeregt zu. Bestens gelaunt verbringen wir den ganzen Tag im Park und essen zwischendurch ein großes Eis. Wir lachen viel und zum ersten Mal seit Tagen kann ich wieder lachen, natürlich ist Jake immer in meinem Hinterkopf doch irgendetwas sagt mir das alles irgendwann wieder perfekt wird. Jake wird wieder wach und alles wird einfach wieder perfekt.

Ein neuer Schultag. Liam weckt mich wieder und Steffi macht mir ein liebesvolles  Frühstück.

„Hey Tess!“ Jessy kommt die Straße entlang gerannt direkt auf mich zu. „Hey Liam.“ Schüchtern sieht sie in Liams strahlend grüne Augen.

„Hey Jessy.“ Begrüßen wir sie zusammen. Er wünscht uns noch einen schönen Schultag und wollte gerade gehen, als Jessy ihn aufhält.

„Kann ich Tess heute zum Shoppen entführen?“ Sie zwinkert mir zu und grinst.

„Ja sicher, dann muss ich das wenigstens nicht machen.“ Liam kramt in seiner Hosentasche und drückt mir einen Hunderteuro Schein in die Hand.

„Liam das ist viel zu viel! Du kannst mir doch nicht…“ Er unterbricht mich.

„Doch kann ich siehst du doch.“ Schnell dreht er sich um und joggt zu seinem Auto.

„Ich mag deinen Bruder.“ Irritiert schaue ich sie an.

„Mein Bruder?“

„Ist er nicht dein Bruder?“

„Nein er ist ein Freund von mir.“

„Oh.“ Überrascht sieht sie mich an. „Und warum bringt er dich zur Schule?“

„Naja. Das ist alles ein bisschen kompliziert.“ Jessy will grade weiter nachhacken, da kommt Lisa und stellt sich wieder genau zwischen Jessy und mir. Genervt sehe ich sie und ihre Freundinnen an.

„Was willst du?“

„Ich glaube wir hatten einen schlechten Start Tess. Wie wäre es wenn wir uns Mal alle zusammen treffen?“

„Schlechter Start? Du machst mich seit der fünften Klasse fertig!“

„Und das tut mir wirklich leid. Aber du bist doch sicher nicht der Typ, der nicht verzeihen kann oder?“

„Jetzt mal im Ernst, was willst du?“

„Was soll ich denn wollen?“ Unschuldig sieht sie mich an.

„Gut wenn du nichts willst geh ich.“ Zielstrebig laufe ich neben Jessy in das Schulgebäude. Wir haben in der ersten Stunde Mathe und da ich die ganzen Formeln und Rechenwege eh nicht verstehe versuche ich es erst gar nicht.

„Was meinst du, warum war Lisa grade so nett?“ Lächelnd sieht mich Jessy an.

„Keine Ahnung.“ Ich weiß es wirklich nicht, sie hasst mich und das schon seit wir uns kennen.

„Ich glaube sie hat dich mit Liam gesehen.“ Irritiert schaue ich sie an.

„Ja und?“ Leise fängt sie an zu lachen.

„Verstehst du es nicht? Ich glaube sie will was von ihm.“

„Meinst du?“

„Naja es kann natürlich auch sein das sie auf einmal so etwas wie ein Gewissen bekommen hat und es ihr wirklich leid tut.“

„Okay überredet. Sie will was von ihm.“ Verzweifelt versuchen wir unser Lachen zu unterdrücken, was jedoch nicht ganz klappt.

„Darf ich fragen was es so lustiges gibt?“

„Nichts.“ Sagen wir beide im Chor und warten ungeduldig bis der Lehrer weiter redet.

Mir kommt es so vor als dauert der Schultag eine Ewigkeit.

„So und jetzt schnell weg von hier!“ Rufe ich Jessy zu und zusammen schlendern wir an den Schaufenstern vorbei.

„Wow! Guck dir das Oberteil an!“ Sie greift nach meiner Hand und zieht mich in das Geschäft.

„Probiere es an.“ Fordere ich sie auf. Sie verschwindet in der Umkleide und kommt nach wenigen Augenblicken strahlend heraus.

„Was sagst du?“

„Das steht dir, los ab zur Kasse!“ Wir lachen beide und gucken uns noch ein in dem Geschäft um. Mit zwei vollgepackten Tüten verlassen wir den Laden und setzen uns in eine Eisdiele. Ich wunder mich ein wenig, dass ich ohne weiteres ein großes Eis verschlingen kann, ohne dauernd darüber nachzudenken. Wir reden noch viel und lachen bis es spät wird.

„Ich sollte langsam nach Hause, Liam macht sich sonst wahrscheinlich Sorgen.“

„Hast du nicht gesagt dass er nur ein Freund von dir ist?“ Verwirrt schauen wir uns an.

„Ja ist er.“

„Und warum macht er sich dann Sorgen?“

„Wie gesagt, dass ist alles kompliziert. Ich wohne bei ihm und seiner Familie.“

„Warum?“ Wir laufen die Straßen entlang, ich werde langsamer.

„Weil ich nicht bei meinen Eltern bleiben kann.“

„Sind sie krank?“

„Nein. Sie wollen uns nicht.“ Traurig schaue ich in ihre Augen.

„Wer ist „uns“?“

„Meine kleine Schwester und mich. Sie wohnt bei einem guten Freund.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern euch nicht haben wollen.“

„Ist aber so.“ Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. „Sie schlagen mich, wegen ihnen waren wir schon im Kinderheim.“ Tränen sammeln sich in meinen Augen und fließen langsam über mein Gesicht.

„Warum bist du da jetzt nicht mehr?“

„Die Polizei meinte es gibt keine Anzeichen dafür, dass wir geschlagen werden.“

„Und dann bist du zu Liam geflüchtet?“

„Nicht sofort. Ich habe erst meine Schwester in Sicherheit gebracht und bin dann zu Jake gegangen.“

„Wer ist das?“

„Einer der wichtigsten Personen der Welt für mich.“ Traurig lächle ich sie an.

„Was ist passiert?“

„Ich wollte zusammen mit ihm ein paar Sachen aus der Wohnung holen und da sind meine Eltern wieder gekommen und haben ihn verprügelt, als er mich beschützen wollte.“ Ein dicker Klos verhindert, dass ich weiter sprechen kann. Ich räuspere mich und verdränge die Tränen. „Wegen mir liegt er jetzt im Koma und stirbt wahrscheinlich.“ Jessy bleibt stehen und umarmt mich.

„Das tut mir so leid, aber es wird schon alles wieder.“

„Glaub ich nicht.“ Ich schniefe und wisch mir das Wasser aus den Augen. Schweigend laufen wir weiter.

„Soll ich dich noch nach Hause bringen?“

„Brauchst du nicht.“ Wir verabschieden uns und langsam laufe ich durch die leeren Straßen. Ein kühler Wind streift an mir vorbei und weht mir die Haare ins Gesicht. Die volle Tüte wird mit jedem Meter schwerer, bis ich es endlich geschafft hab. Erleichtert öffnet Liam mir die Tür. Er hat sich also wirklich Sorgen gemacht. Sofort nimmt er mir die Tüte ab. Es ist kurz nach sieben, ich habe keinen Hunger und verschwinde, nachdem ich ihm meine Beute des Mittags gezeigt habe, nach oben. Schnell putze ich mir die Zähne und genieße das lauwarme Wasser, wie es auf meinen Rücken prasselt. Müde lasse ich mich auf das Sofa fallen und decke mich zu. Ich höre nach einiger Zeit Liam in das Zimmer kommen und wie er mich noch einmal zudeckt und mir ein leises „Gute Nacht“ ins Ohr flüstert.

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