13.- Mum in Louisville

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Ich hänge mal ein Musikvideo an, das auch in diesem Kapitel vorkommt. Allerdings habe ich einen etwas seltsamen Musikgeschmack, also wenn es euch nicht gefällt, lasst es am besten aus oder macht euch andere Musik an. ;)
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Wie erwartet, waren meine Kopfschmerzen am nächsten Morgen nicht weg.

Stattdessen schienen sie sogar noch schlimmer geworden zu sein und so holte ich mir in der Küche eine Aspirin und kochte mir einen Kaffe, obwohl ich normalerweise Tee bevorzugte.

Das braune Gesöff schmeckte einfach fürchterlich und selbst ein halber Liter Milch und mehrere Löffel Zucker konnten es nicht besser machen.

In meinem türkisfarbenen Schlafanzug trottete ich die Treppen nach oben, um mich wieder hinzulegen, als es klingelte.

Hätte dieser jemand nicht eine Minute früher klingeln können, damit ich die Treppe nicht erst hoch und dann wieder runtergehen musste? Schlechtes Timing!

Genervt öffnete ich die Tür, als ich meine Mum erblickte. »Mum? Hast du schon Feierabend?«

Meine Mum zog hektisch ihre Schuhe aus und ging ihre Jacke an die Garderobe. »Mu-h-um?«

»Ich muss nach Louisville, Schatz. Grandma geht es nicht so gut.« Ich schluckte. »O-okay, ich packe meine Sachen.«, entgegnete ich nun ebenfalls nervös.

»Du bleibst hier. Du bist mitten im Prüfungsstress und ich muss dort ziemlich viel regeln. Ich werde in vier, fünf Tagen spätestens wieder da sein.« »Aber-« »Bitte keine Diskussionen jetzt, Avery. Ich muss mich beeilen, damit ich sie heute noch besuchen kann, bevor die Besuchszeiten im Krankenhaus vorbei sind.« »Sie liegt im Krankenhaus?« Erneut musste ich schlucken. Meine Nervosität begann zu wachsen.

»Du kannst mich doch nicht alleine hier lassen, während ich mir Sorgen um Grandma mache, Mum.«
»Du wirst auch nicht alleine bleiben.«
»Sondern?« Wenn jetzt unsere Nachbarin Mrs. Hopps ( ihr erinnert euch, die spießige) auf mich aufpassen sollte, als wäre ich ein kleines Kind, dann könnte ich mir gleich mein Grab schaufeln.

»Ich hab Ryan gefragt, ob er die drei Tage mal vorbeischauen kann.«
»Was?!! Mum! Hat er etwa auch noch ja gesagt?«, schrie ich dem Herzanfall nahe.
»Wo ist denn das Problem, Schatz? Ihr scheint doch gute Freunde zu sein.«

Das dachte aber auch nur sie. Wir waren alles, von Rom und Karthago bis zu Frankreich und dem Deutschen Reich, aber wir waren sicherlich nicht und unter keinen Umständen Freunde.

»Pff, Freunde. Das Wort kennt Ryan doch nicht einmal.«, nuschelte ich beleidigt. Was fiel Mum eigentlich ein? Nur weil sie ihn zweimal gesehen hatte, er ein Motorrad fuhr, das Dad's ähnlich sah und sie ihn charmant fand, traute sie ihm seine Tochter an?

Ich gab einem wildfremden doch auch nicht einfach mein Handy, weil mir sein T-Shirt gefiel. Was war das bitte für eine Mum-Logik? Eins stand fest: Ich würde ihm die Tür sicherlich nicht aufmachen.

Mum stürmte nach oben in ihr Zimmer, packte hektisch alles, was sie brauchte, in einen Koffer und rief dann ein Taxi. »Musst du jetzt schon los?« »Ach Avery.« Sie kam auf mich zu und zog mich in eine Umarmung. »Ich bin sicher, die Zeit geht ganz schnell rum und im Nullkommanichts bin ich wieder da.« Sie gab mir einen Kuss auf den Scheitel, zog sich wieder an, winkte mir kurz und schloss dann die Tür hinter sich. Und schon wieder war ich alleine.

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Ich wurde durch das laute Klingeln an der Tür wach. Wer um Himmels Willen klingelte- ich schaute kurz auf mein Handy, da ich keine Ahnung hatte, wie spät es war- um elf Uhr abends an der Haustür?

Dann fiel mir wieder ein, dass Mum weg war und dass es eventuell Ryan sein könnte. Aber das war mir gerade egal. Ich wollte schlafen und diesen Schlaf ließ ich mir auch von einem Testosteron gesteuerten, launischen, lauten, beliebten und arroganten Jungen nicht versauen. Er würde irgendwann schon wieder gehen. Ich fragte mich sowieso, warum er meiner Mum so einen Bullshit bestätigt hatte.

Nach einer Minute Sturmklingeln wurde es endlich still. Ich zog die Decke noch enger um mich und vergrub meinen Kopf tief in meinem Kissen, als ich ein Geräusch aus der Garage hörte, da ich meine Balkontür generell nachts offen hatte.

Was stellte dieser Idiot denn jetzt an? Hoffentlich war er nicht betrunken. Passen würde es zu ihm allemal.

Als die komischen Geräusche immer lauter wurden und näher kamen, knipste ich dich das Licht an. »Ryan, was glaubst du da zu tun?« Empört schaute ich ihn an, während er in einer komischen Pose am Balkon hing und mich teils belustigt teils ertappt anguckte.

»Scheint, als würde ich gerade bei dir einbrechen.«
»Das hab ich auch schon bemerkt.« Genervt verdrehte ich die Augen.
»Die Frage ist, warum.«
»Deine Mum hat mich so nett gefragt, da konnte ich nicht 'Nein' sagen.« Ich bezweifelte, dass dies sein echter Grund war, aber ich war ebenfalls überzeugt, dass er mir den richtigen Grund nicht verraten würde, also beließ ich es dabei.
»Gut, du hast nach mir gesehen. Kannst du jetzt bitte wieder gehen?«
»Willst du mich etwa nicht hier haben?«, fragte er gespielt verletzt.
»Um ehrlich zu sein: ja. Aber ich bin mir sicher, dass du das auch so schon wusstest.«
»Da hast du ausnahmsweise einmal Recht.« Ausnahmsweise? Wer von uns war denn hier der Nerd?

»Ich weiß immer noch nicht, was du hier machst.«, sagte ich schließlich. Er kam näher und legte sich schließlich neben mich auf mein Bett. Okay, was sollte das werden?

»Runter da, du Fettsack.«
»Sag mal, seit wann bist du eigentlich so vorlaut? Schüchtern hast du mir besser gefallen.«

Eigentlich hatte ich gar nicht bemerkt, was ich sagte. Allerdings fiel es mir inzwischen leichter, mit Ryan so zu reden. Jemand musste seinem Ego mal das Anabolika entziehen.

»Ryan, könntest du jetzt bitte gehen?«
»Warum?«
»Weil du nervst!«
»Warum?« Ich schenkte ihm einen  Dein-Ernst-Blick und drehte mich mit dem Rücken zu ihm. Dann steckte ich meine Kopfhörer in meine Ohren und als ich fast vergessen hätte, dass mein Erzfeind aus welchen Gründen auch immer, bei mir zu Hause in meinem Bett und in meinem Zimmer lag, klaute er mir einen Stöpsel.

»Was hörst du da?« Neugierig hörte er The Light Behind Your Eyes von My chemical Romance mit an.

»Kennst du eh nicht.«
»Stimmt, allerdings habe ich schon Schlimmeres gehört. Du willst gar nicht wissen, was Charlett so hört.«. Er hatte Recht.  Das wollte keiner wissen. Ich musste leicht lachen, bei der Vorstellung, dass Charlett das erste mal eine richtige Band hörte, die sie nicht wegen der gut aussehenden Band-Mitglieder mochte.

»Was ist so lustig?«, riss mich Ryan aus meinen Gedanken.
»Nichts.«, flüsterte ich leise und amüsiert.
»Lass mich auch mitlachen.« Ich verstand ihn kaum, da er so leise redete, doch trotzdem antwortete ich:» Ein andermal vielleicht.«

Das letzte, woran ich mich erinnerte, bevor ich einschlief, war, wie Ryan mir den Stöpsel aus den Ohren nahm und das Handy auf den Nachttisch legte.

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt