37.- Ein Tag in der Stadt

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Tatsächlich wartete ein Taxi am Straßenrand auf uns. "Haben sie angerufen?" Ryan nickte und der Mann fuhr los. Er schaute einige Male in den Spiegel, die Augen stets auf meinen Bauch gerichtet und fragte irgendwann:" Mädchen oder Junge?" Ohne große Umschweife antwortete ich 'Mädchen' und glücklicherweise hatte Ryan den gleichen Gedanken wie ich. Er lächelte mich an, aber ich war immer noch sauer wegen dieser blöden Lüge. Als wir vor dem Krankenhaus hielten, wünschte der Fahrer uns viel Freude mit 'unserer kleinen Prinzessin' und Ryan drückte ihm das Geld in die Hand. Wenn ich überlegte, wie oft er mittlerweile für mich gezahlt hatte, dann würde ich am Ende des Jahres einen Berg voll Schulden haben. 

Natürlich gingen wir nicht ins Krankenhaus, sondern in die Innenstadt. Es war wunderschön. Alte Kirchen, eine Menge Cafes und Eisdielen. "Komm, lass uns ein Eis essen.", schlug Ryan vor. Ich nickte und bezahlte dieses Mal sogar selbst. Ryan schrieb auf unseren Zettel die Leute auf, die wir bereits gefragt hatten und dann schlenderten wir einfach durch die Stadt. "¡Perdone!" Ryan sprach eine ältere Dame an. "Meine Freundin und ich-", er zeigte auf mich und ich konnte dieses komische Gefühl nicht leugnen, als er mich als seine 'Freundin' bezeichnete. "- sind hier gerade auf Klassenfahrt und würden gerne ein Foto machen. Wären sie so freundlich?" Ich war immer wieder überrascht, wie charmant er sein konnte, aber noch überraschter war ich, weil er ein Foto wollte. Warum wollte er das? 

Die alte Dame konnte Ryan seine Bitte natürlich nicht abschlagen und so bewegte ich mich widerwillig vor das Puerta del Sol, was so viel wie Tor der Sonne hieß, und stellte mich neben Ryan. "Los, lächel zumindest.", forderte Ryan mich auf und pikste mich in die Seite. Da ich verdammt kitzelig war, musste ich sogar lachen. Ich war so abgelenkt, dass ich erst verzögert merkte, wie Ryan mich von hinten umarmte und seinen Kopf auf meinen legte. Ich konnte irgendwie gar nicht böse sein und lächelte automatisch in die Kamera. 

Und dann passierte etwas vollkommen Unerwartetes. "Guck mal, da." Ryan zeigte in die Richtung eines Cafes und ehe ich mich versah, hatte er mir einen leichten Kuss auf die Wange gegeben. Ein eigenartiges Prickeln bildete sich auf meiner Wange und breitete sich in meinem ganzen Körper aus. "Ein wunderbares Paar.", meinte sie Dame lächelnd und gab Ryan sein Handy wieder. "Dass du schön auf sie aufpasst, junger Mann." Die alte Dame hob ihren Zeigefinger mahnend, lächelte aber, als Ryan es ihr bestätigte. 

Mit einem Dauergrinsen, von dem ich nicht genau sagen konnte, warum es da war, liefen wir weiter durch die Straßen, bis es bereits achtzehn Uhr war. "Verdammt, wir haben das Abendessen verpasst.", murmelte ich niedergeschlagen. Hoffentlich würden die Lehrer nicht sauer sein. Noch mehr zusätzliche Arbeit konnte ich nicht vertragen und außerdem mussten wir auch heute den Abwasch noch machen. Ryan zuckte mit den Schultern. "Dann gehen wir halt hier was essen." Ich ließ mich von ihm in ein kleines Restaurant ziehen, in dem sich kaum Gäste befanden. Es war modern eingerichtet, hatte eine Bar, die mit purpurnen Lichtern beleuchtet wurde und sie spielten sogar einigermaßen gute Musik. 

Nach dem Essen wollten wir uns ein Taxi rufen, hatten allerdings kein Akku mehr, also versuchten wir irgendwie zu Fuß zurück zum Zeltlager zu gelangen. "Ich bin sicher, dass wir jetzt nach rechts müssen.", protestierte ich, als wir bereits eine halbe Stunde gebraucht hatten, um überhaupt zum Strand zu kommen. "Guck, da ist ein Schild. Campamento, 5 Kilómetro." Nachgiebig stimmte Ryan mir zu. 


"Ich kann nicht mehr.", stöhnte ich völlig fertig. Es war verdammt schwül und der Sonnenuntergang sah wunderschön aus, also ließ ich mich einfach in den Sand plumpsen. Ryan legte sich schließlich neben mich. Ich ließ den Sand durch meine Finger rieseln und genoss das Rauschen des Meeres, als Ryan mich schließlich etwas fragte, mit dem ich gerechnet hatte. "Was empfindest du für Noah?"

Ich sagte einige Sekunden nichts, dachte einfach nur über seine Frage nach. "Ich mochte ihn irgendwie, aber eben als Freund. Ich weiß nicht warum er so ausgerastet ist. Er meinte, dass ich auf dich hereingefallen wäre, aber wir wissen alle, dass zwischen uns Welten liegen. Außerdem hast du mich bis vor Kurzem noch abgrundtief gehasst." In meinem Ton schwang etwas Trauer mit. Irgendwie schmerzte es, das zu sagen, auch wenn ich wusste, dass es nichts als die Wahrheit war. 

"Menschen ändern sich.", war das einzige, was er dazu zu sagen hatte. Ich wusste nicht genau, ob er damit sich oder Noah meinte. Vermutlich sie beide. "Und was ist das zwischen Noah und dir? Ich meine, ihr seid doch beste Freunde."

Im Gegensatz zu meiner, kam Ryans Antwort wie aus der Pistole geschossen:"Wir sind keine Freunde mehr." Betrübt schaute ich auf den Boden. Ich fand es immer schlimm, wenn so gute Freundschaften zerbrachen. "Warum?", flüsterte ich und drehte meinen Kopf zur Seite, um Ryan anzugucken. Aber er antwortete nicht, sondern schaute mich stattdessen einfach an. Ich war unfähig mich zu bewegen, als er sich über mich beugte und "Nur einer kann gewinnen.", flüsterte, bevor er seine Lippen auf meine legte. 

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War das zu schnulzig? 🙈

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt