22.- Gut gemeinter Rat?

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Als ich am nächsten Tag aufwachte, war ich alleine zu Hause. Mum war immer noch nicht wieder da und auch von Ryan hatte ich seit gestern nichts mehr gehört.

Missmutig machte ich mich auf den Weg in die Schule. Als ich da war, begrüßte mich Noah mit einer Umarmung.

»Wo warst du denn gestern?«, fragte er besorgt, doch ich winkte nur ab. »Mir war ein Bisschen übel. Nicht der Rede wert.«

Er nickte und zusammen gingen wir zum ersten Unterrichtsfach. Den ganzen Tag über hatte ich Ryan kein einziges Mal gesehen. Und Noah hatte ihn auch nicht erwähnt. Schwänzte er wieder?

Als ich am Abend in meinem Zimmer saß, fiel mir auf, dass ich in der letzten Zeit kaum mit Unbekannt geschrieben hatte und beschloss, dies gleich nachzuholen.

Hey, wie geht's?

Ich kam mir ziemlich blöd vor, den Typen, den ich hassen sollte, zu fragen, wie es ihm ging, aber irgendwie musste ich ja ins Gespräch kommen.

Ich wartete und wartete, aber anscheinend hatte Unbekannt keine Lust, mir zu antworten.

Und so verbrachte ich den Abend mit Lernen, Essen und Filme schauen. Wie produktiv.

Als ich am nächsten Tag die schwarze Kawasaki auf dem Schulhof sah, war ich beruhigt. Ich dachte schon, Ryan wäre etwas passiert, auch wenn ich das nie zugeben würde.

Ruhigen Gewissens ging ich in das Gebäude, den Streit von vorgestern schon fast vergessen. Ryan stand bei Charlett, was mir zwar nicht wirklich gefiel, aber da ich eh nichts dagegen tun konnte, akzeptierte. Ich konnte ja nicht als einzige mit ihm befreundet sein.

Als er seinen Blick schließlich auf mich legte, hob ich meine Hand und winkte ihm kurz. Doch er hatte nicht einmal ein Lächeln übrig. Stirnrunzelnd ging ich auf ihn und die Gruppe zu, vielleicht hatte er mich gar nicht bemerkt.

Noah, der etwas entfernt von Ryan stand, hatte es jedenfalls, denn wenigstens er zwinkerte mir zu.

Als ich nur noch drei Meter vor der Gruppe stand, rief Charlett plötzlich lautstark:» Versteck dich, die Müllabfuhr kommt.«

Ich war ihre schlechten Sprüche schon gewohnt und auch, dass sie ungefähr so lustig waren, wie Bernd das Brot, aber was mich verletzte, war, dass alle darüber lachten, außer Noah. Das heißt, dass auch Ryan lachte.

Und ich dachte, wir wären Freunde. Ich drehte mich schnurstracks um und verließ die Eingangshalle in Richtung Unterrichtsräume.

»Avery! Avery, warte doch mal!« Ich wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel und drehte mich lächelnd zu Noah um.

»Hm?«, fragte ich bemüht, mir nichts anmerken zu lassen.
»Alles okay?« »Ja, wieso nicht?«
»Lügen scheinen nicht dein Ding zu sein, was?« Ich schüttelte entmutigt den Kopf.

»Komm her!«, meinte Noah und öffnete seine Arme. Schniefend ließ ich zu, dass er mich umarmte.
»Ich weiß, dass er immer noch und egal was er tut, mein bester Freund ist, aber auch du bist meine Freundin und deswegen rate ich dir, dich lieber von Ryan fernzuhalten. Es ist besser für euch beide, meinst du nicht?«

Mist, er hatte mich durchschaut. Schulterzuckend flüsterte ich:» Ich werd's versuchen. Danke.«
»Wofür? Dafür, dass ich grade meine beiden besten Freunde auseinanderhalte, damit sie sich nicht zerfetzen?«, lachte Noah und stieß mir mit dem Ellenbogen in die Hüfte. »Dafür auch, aber vor allem dafür, dass du einfach da bist.«
»Da bedank dich lieber bei meinen Eltern.«

Lachend gingen wir zum Unterricht. Ich würde das schon durchziehen. Ryan O'Conner war Geschichte, denn egal ob ich mich mit ihn verstand oder nicht. Am Ende kamen immer nur Probleme raus.

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt