30.- Thema: Schulball

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Ich spritzte mir einige Tropfen kaltes Wasser ins Gesicht und bemühte mich, die Fassung zu bewahren. Ich hasste Ryan O'Conner. Sein dämliches, überhebliches Grinsen, seine andauernden Stimmungsschwankungen, seine Art, gleich zuzuschlagen, wenn ihm etwas nicht passte und vor allem, dass ich in der letzten Zeit Vertrauen zu ihm aufgebaut hatte. 

Ich atmete einmal tief ein und aus und verließ dann die Toilette. Dass Ryan mich davor abfing, hatte ich allerdings nicht erwartet. "Was willst du?", fragte ich angespannt. "Mit dir reden, Avery." "Ich will aber nicht, warum akzeptierst du das nicht einfach?" Ich drängte mich zum zweiten Mal an ihm vorbei, wurde aber ruckartig gepackt und an die Wand des dunklen Flures gedrückt. Warum befanden sich diese dummen Toiletten auch immer im Keller? Ich wollte gehen, aber er hielt mich zwischen seinen Armen gefangen und starrte mir in die Augen. Ich wollte seinem Blick standhalten, wandte ihn aber doch ab. "Also gut, was ist?", gab ich mich widerwillig geschlagen. Wenn er sich noch einmal entschuldigen wollte, konnte er gleich wieder gehen. "Es hört sich jetzt vielleicht etwas seltsam an, aber ich möchte nicht, dass du etwas mit Noah machst. Er ist ein Kumpel von mir und es würde seinem und auch unserem Ruf schaden."  Es war wie ein Schlag ins Gesicht, nach all dieser Zeit wieder so etwas von ihm zu hören. Mein Herz klopfte wild. Er war mir viel zu nah. "Lass mich los.", forderte ich bissig. Wenn ich in der letzten Zeit eins gelernt hatte, dann meine Gefühle zu verstecken. Oder es zumindest zu versuchen. Ich wollte nicht mehr in seine Augen gucken, nicht mehr seinen Körper direkt vor meinem spüren und auch nicht mehr dieses blöde Herzrasen bekommen, sobald er mir zu nahe kam. 

"Avery.", rief er mir hinterher, nachdem ich mich losgerissen hatte, aber ich wollte kein Wort mehr von ihm hören. "Verschwinde!" Ich wischte mir die Tränen aus dem Augenwinkel und setzte mich dann zu meiner Familie und gezwungenermaßen auch neben Cassidy an den Tisch. "Ryan? Können wir bei Avery essen? Bitte?" Es war mit Sicherheit schwer, dem kleinen Engel zu widersprechen, aber Ryan und ich gaben gleich widerwillig ein "Nein!" von uns. 

Sie schaute uns traurig an und dann begannen auch noch Grandma und meine Mum, auf uns einzureden. "Ach kommt schon, lasst der Kleinen ihren Spaß." Ich schwieg einfach, da ich in letzter Zeit genug von Diskussionen hatte. Sollten sie das unter sich ausmachen, ich musste ja nicht mit Ryan reden. 

Nach einiger Zeit setzte sich der Vollhorst tatsächlich an den Tisch und dann auch noch genau neben mich. Cassidy, meine Mum und Grandma plauderten fröhlich, während ich meine Gedanken ordnete. Vielleicht hatte Ryan Recht und ich verdarb Noahs Ruf. Vielleicht sollte ich wirklich nicht mehr so viel mit ihm machen?

"Und, Ryan. Hast du auch schon ein Date für den Schulball?", schnitt Mum ein ungünstiges Thema an. Ich hätte mir mit der Hand flach vor die Stirn geschlagen, hätte das nicht so viel Aufsehen erregt. 

"Auch?" Er warf mir einen bösen Blick zu, den ich mit einem fragenden quittierte. "Ich dachte, du würdest auf keine Schulbälle gehen?" Er klang verwirrt, aber auch säuerlich, bloß verstand ich nicht wieso. Warum konnte man nicht einfach in den Kopf eines Jungen hineinschauen? "Das hatte sie auch nicht vor, bis dieser Junge- Schatz, wie hieß er noch gleich?" "Noah.", half Grandma meiner Mum kopfschüttelnd auf die Sprünge. " Genau Noah, sie zum Ball eingeladen hat." Sie grinste stolz, auch wenn ihr anzusehen war, dass sie Ryan mehr mochte und das obwohl er es war, der mir das Leben zur Hölle gemacht hatte und sie Noah noch nicht einmal kannte. 

Ich glaubte, Ryan "dieser Pisser" fluchen gehört zu haben, aber ich war mir sicher, als er neben mir seine Faust anspannte und sein Blick sich verfinsterte. Als er sich beruhigt hatte, antwortete er:"Ja, ich werde meine Freundin Charlett fragen." Er warf mir einen gehässigen Blick zu, da er wusste, wie wenig ich dieses Mädchen leiden konnte. "Nein, Ryan. Charlett ist doof.", mischte sich Cassidy ein und ohne zu zögern hielt ich ihr grinsend die Hand zum Highfive hin. Sie klatschte kichernd ein und Ryan schnaubte verächtlich."Na und? Das ist meine Sache, Cassidy." Während meine Mum gerade Grandma aufklärte, wer Charlett war und wie ihre Eltern zu Ryans standen, diskutierten Cassidy und Ryan weiter. "Sie hat einmal einen BH mitten im Wohnzimmer liegen lassen.", argumentierte Cassidy und plötzlich war es an dem ganzen Tisch still. 

Ich wäre im Erdboden versunken, an Ryans Stelle, aber er warf Cassidy einen finsteren Blick zu und meinte:" Nicht mein Problem." Jetzt sahen auch Mum und Grandma geschockt aus und insgeheim hoffte ich, dass zumindest Mum ihr Bild über Ryan änderte. 

Plötzlich piepte ein Handy und Ryan angelte es aus seiner Hosentasche. "Ja?", fragte er überrascht aber auch genervt. "Okay, ich komme." Und dann beendete er das Gespräch. "Komm Cassidy, wir müssen los." Er ließ Cassidys Essen einpacken, zahlte es dann und verabschiedete sich mit einem seiner charmanten Lächeln von meiner Familie. Cassidy stürmte auf mich zu und umarmte mich. "Kommst du uns bald wieder besuchen?", fragte sie hoffnungsvoll. "Mal schauen." Ich lachte leicht und schaute dann zu, wie die beiden aus dem Diner verschwanden. 

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt