15.- Stress im Paradis

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Schwungvoll öffnete ich dir Haustür und blickte in das lächelnde Gesicht von Noah.

»Hey, Noah.«, begrüßte ich ihn verwirrt. »Was machst du hier?«
»Ich wollte eigentlich schon gestern kommen, aber da musste ich erst mal mein Haus von der Geburtstagsparty reinigen.« Er kratzte sich am Hinterkopf und fuhr dann fort:» Jedenfalls wollte ich schauen ob du heil nach Hause gekommen bist und mich für die CD bedanken.«

»Gerne, ich liebe die Band auch. Übrigens nochmal alles Gute zum Geburtstag.«, entgegnete ich ihm lächelnd.

Hinter mir tauchte Ryan auf, der einige Sekunden verwirrt und dann wütend auf die Haustür schaute.

»Was macht Ryan hier?«, fragte Noah in einem gefassten, aber dennoch gereizten Ton.

»Das Gleiche könnte Ryan dich auch fragen.«, kam Ryan mir zuvor. Die beiden schauten sich nahezu feindselig an.

»Ich bin hier, weil ich mich eigentlich für dich entschuldigen wollte und weil ich mich im Gegensatz zu dir gut mit Avery verstehe.« »Jungs.«, versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie nahmen mich gar nicht war.

»Ich verstehe mich auch gut mit Avery.«, wandte Ryan erneut ein.

»Jungs«, rief ich nun lauter, als beabsichtigt. »Beruhigt euch erst mal und kommt rein. Ich will nicht, dass Mrs. Hopps nachher noch die Polizei ruft.«

»Setzt euch auf die Couch. Ich hole schnell Gläser und eine Cola. Wehe irgendwas geht kaputt!«, wies ich sie mahnend an.

Man hörte sie bis in die Küche tuscheln, aber mehr als falsches Spiel und Whatsapp bekam ich nicht mit. Es ging mich ja auch nichts an.

»Ihr lebt«, rief ich, als ich das Wohnzimmer betrat, einfach um die Situation aufzulockern.

Noah warf mir ein leichtes Lächeln zu, während Ryan mich mit einem finsteren Blick strafte. Sie waren so unterschiedlich. Ich fragte mich, wie die beiden überhaupt befreundet sein konnten.

»Also: worum auch immer es geht. Ich bin sicher, es ist nichts, was eure Freundschaft wert ist. Außer einer von euch hat mit der Freundin des anderen geschlafen. Das wäre wirklich unten durch. Aber da ich denke, dass ihr beide nicht der Typ für feste Freundinnen seid, handelt es sich bei dem Problem um etwas wesentlich harmloseres.«

»Wenn du wüsstest.«, nuschelte Noah leise, worauf er einen Tritt von Ryan kassierte. »Halt die Fresse!«
»Das übernimmst du ja schon für mich.«, knallte er Ryan an den Kopf. Dieser trat gegen das Tischbein. »Vielleicht solltet ihr eure Probleme erst einmal klären.« Indirekt forderte ich so dazu auf, nach Hause zu gehen. Aber Ryan's Pläne sahen anders aus.

»Noah, könntest du bitte gehen. Sie hat Recht. Wir sollten unsere Probleme nicht jetzt und nicht hier klären.«

Räuspernd unterbrach ich ihn:» Ich hatte damit euch beide gemeint.«

»Deine Mum meinte, ich soll lach dir schauen, also mache ich das auch.«

»Ryan! Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Geh jetzt bitte auch.« Noah stand bereits im Flur und hatte seine Schuhe angezogen. Dankbar lächelte ich ihn an. Wenigstens einer, der das tat, worum ich ihn bat.

»Tut mir leid.«, sagte Noah dann und lächelte traurig. »Schon gut, du kannst ja nichts dafür.«

Völlig unerwartet zog Noah mich in eine Umarmung, die ich zögerlich erwiderte. »Wir sehen uns morgen?«
Ich nickte bestätigend und schloss hinter ihm die Tür. So musste sich also Freundschaft anfühlen.

»Ryan, du kannst jetzt auch ge-. Was machst du da?«, fragte ich irritiert, als ich ins Wohnzimmer kam.
Ryan hielt etwas in der Hand, von dem ich nicht genau erkennen konnte, was es war und runzelte die Stirn. »Das Bild ist aus der zweiten Klasse. Ich kann mich sogar noch genau an den Tag erinnern. Ihr habt viele Bilder hier.«, sagte er und schaute sich um.

»Habt ihr etwa keine Bilder zu Hause?«, fragte ich, da er darüber so verwundert klang.
»Doch. Aber die haben alle über 50.000$ gekostet und stellen etwas dar, bei denen man nicht mal erkennen kann, was es ist.«

»Deine Eltern lieben Kunst?«, fragte ich begeistert.

»Meine Mutter, ja. Die hat tausende von diesen Dingern.«

»Wow, ich wollte schon immer mal so ein richtiges Kunstwerk sehen. Am Besten von Dürer. Oder nein, DaVici.«

»Sag nicht, du findest den Mist auch noch gut.« Beleidigt zog ich eine Schnute. »Das ist kein Mist, das ist Kunst.«

Sichtlich anderer Meinung, schüttelte Ryan den Kopf. »Dann komm mit.«, sagte er, legte den Bilderrahmen auf den Tisch und stand auf. »Wohin?« »Na zu mir. Du wolltest doch die ach so tollen Kritzeleien sehen, oder?«

Perplex starrte ich ihn an und überlegte, ob ich wirklich mit zu Ryan nach Hause sollte. »Jetzt überleg schon schneller, Avery.«

Anscheinend wurde ihm das Warten zu blöd, weshalb er nach meinem Handgelenk griff und mich mit durch die Haustür zog. »Warte, der Schlüssel.«, rief ich, doch die Tür war schon zugefallen. Na prima.

»Egal, wir klettern einfach wieder durchs Fenster.« Hmm. Weil ich auch so sportlich war.

Ryan's Motorrad stand einige Meter weiter auf unserem Parkplatz vor dem Haus. »Nicht schon wieder.«, murmelte ich.

»Angst?« »Nein, das sind bloß die Auswirkungen der Lebensmüdigkeit.« Nervös rieb ich mir über die Arme, die ich vor der Brust verschränkt hatte.

»Hier, nimm den Helm.« Er hielt mir den schwarzen Motorradhelm entgegen, den ich erst einmal grünlich unter die Lupe nahm.

»Wieviele notgeile Mädchen hatten den schon auf?«
»Keins. Du bist das erste.«, grinste er. Verwirrt blickte ich ihn an. »Sag bloß, du hast noch kein Mädchen auf dem Ding mitgenommen.«

»Klar hab ich das. Wo sollte ich sie denn sonst-« »Eeeew, hör auf Ryan.«, quatschte ich ihm dazwischen. Kopfkino konnte ich gerade nicht gebrauchen. Ryan's Lachen schallte laut durch die Dämmerung. »Was ich damit meine, ist, dass du das einzige 'notgeile Mädchen'-« Wieder lachte er. »-bist, das meinen Helm tragen darf.«

Das hatte ich nun wirklich nicht geahnt. »Warum darf ich ihn tragen?«, fragte ich verwundert, aber auch irgendwie erfreut darüber.

»Weil du die Erste bist, die keinen Liter Parfüm aufgelegt hat.« Und schon machte er es wieder kaputt. Und ich hatte gedacht, er wäre gar kein so großer Arsch, wie ich die ganze Zeit dachte.

»Los, steigt schon auf.«, grummelte er und unterbrach somit meinen Gedankengang.
Ich setzte mich auf den dunklen Sitz hinter Ryan und legte meine Arme vorsichtig um seinen Oberkörper. Es war mir immer noch unangenehm, ihm so nahe zu sein. Auch wenn der Hass ihm gegenüber nicht mehr so groß war, konnte man uns nicht Freunde nennen.

»Willst du runterfallen oder warum hältst du dich nicht fest?«
»Ich halte mich doch fest.«, erwiderte ich zickig. Trotzdem verstärkte ich meinen Griff. endlich warf Ryan das Ding an und der Motor heulte auf.

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt