34.- Von Essen und Schlachten

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"Das Essen ist gar nicht so schlecht.", flüsterte Emma mir zu, worauf sie von mir allerdings einen verstörten Blick erhielt. "Du kannst meins auch noch haben." Ich schob mein Tablett in ihre Richtung und sie grinste mich an. Anscheinend hatte ich mich mit einem echten Allesfresser befreundet. 

"Hey Avery." Suchend schaute ich mich nach dem um, der meinen Namen gerufen hatte und als ich mich wieder meinem Zeller zuwendete, da ich niemanden entdeckt hatte, bekam ich eine volle Ladung des ekelhaften Spinats ins Gesicht. Ich schnappte vollkommen empört nach Luft und wischte mir das Zeug mit einer Serviette von den Augen, um kurz darauf in Ryans funkelnde Augen zu schauen. 

In einem Moment voller Übermut schnappte ich mir meinem kleinen Löffel, belud ihn ebenfalls mit dem grünen Zeug, das fast wie der Auflauf meiner Mutter schmeckte und traf ihn mitten auf seine Stirn. Natürlich saß er mir mit nur wenig Abstand schräg gegenüber, aber trotzdem lächelte ich triumphierend und kurz darauf kam eine erneute Portion Spinat geflogen. Glücklicherweise konnte ich mich rechtzeitig ducken und somit bekam Emma das Zeug auf ihr neues T-Shirt, das sie mir im Flugzeug so stolz präsentiert hatte. 

"Das hat 85$ gekostet.", schrie sie kurz darauf hysterisch und in dieser Sekunde war ich so unheimlich froh, keinen Wert auf Kleidung zu geben. Mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen, hielt ich Emma den Löffel zum Gegenangriff hin. "Räche dein T-Shirt." Entschlossen feuerten wir gleichzeitig mit Spinat auf Ryan und so brach innerhalb kürzester Zeit eine Essensschlacht aus. Die Lehrer fanden das natürlich nicht witzig und irgendein Spielverderber steckte ihnen dann auch noch, dass Ryan und ich angefangen hatten.

"Ihr seid für die nächsten drei Abende mit Küchendienst dran.", lautete unsere Strafe, nachdem alle die Cafeteria verlassen hatten. Da brachte auch noch so viel Gebettel und Trotz nichts. "Ich sag doch, Mr. Smith ist ein Arsch.", meckerte ich wütend, als ich mir sicher war, dass er weg war. "Gut, ich stimme dir zu. Ich mochte ihn auch noch nie." "Lüg doch nicht, ihr alle denkt, er ist der beste Lehrer überhaupt. Aber das ist er nicht." "Bloß weil du seinen spanischen Akzent nicht magst?" Ryan lachte und ich musste mich bemühen, nicht mit zu lachen. "Woher weißt du das?", fragte ich kopfschüttelnd und ließ das Wasser in ein Spülbecken. Er zuckte mit den Schultern und verkündete:" Ich trockene ab. Du spülst." "Warum darfst du abtrocknen?" Ich stemmte widerwillig meine Hände in die Hüfte. 

"Okay, machen wir einen Deal." "Ich höre?" "Wenn ich abwasche, kommst du nachher mit an den Strand." Ich brauchte nicht lange zu überlegen, um zuzustimmen. Ich wollte sowieso hin. "Einverstanden." "Okay, also ein Uhr hinter den Dünen?" Ich nickte und dann begannen wir Töpfe und Pfannen zu spülen, was das Zeug hielt. Fast fünfundvierzig Minuten hatten wir dafür gebraucht. Ryan konnte es natürlich nicht lassen, mich mit dem dreckigen Spülwasser vollzuspritzen, aber noch einmal war ich nicht so dumm und ging darauf ein. 

"Du verhältst dich kindisch." Ich versuchte ernst zu bleiben, während ich ihm dies vorwarf, aber darin war ich noch nie sonderlich gut. "Du bringst eben meine besten Seiten zum Vorschein." Ich lachte leicht, obwohl ich mir sicher war, dass das Beste, was ich bei ihm zum Vorschein brachte, eine große Menge Aggressivität und vielleicht eine etwas andere Sicht auf die Dinge waren. 

"Also denk dran. Ein Uhr hinter den Dünen.", erinnerte er mich, bevor ich zu Emma ins Zelt schlüpfte. "Was machst du?", fragte ich, als sie mit einer der Taschenlampen, die die Lehrer gnädigerweise ausgeteilt hatten, auf ein Heft leuchtete. "Die Playboy lesen.", antwortete sie und zuckte unbedeutend mit den Schultern. "Die Playboy? Warum um Himmels Willen nimmst du zu einer Klassenfahrt eine Playboy mit und dann auch noch eine...wo Mädchen drin sind?" Ich musste eine seltsame Grimasse gezogen haben, da sie sich gleich erklärte. "Auf diese unheimlich schlaue Idee muss mein Bruder Brian gekommen sein. Der hat mir die mit Sicherheit untergeschmuggelt.  Und außerdem gucke ich mir nur die Autos an, vor denen die Bikinitussen stehen." Emma interessierte sich für Autos? 

Es gab so Einiges, das ich nicht über sie wusste, das hatte ich in den letzten beiden Stunden herausgefunden. Als es viertel vor eins war und Emma sogar wirklich schon schlief, schlich ich mich leise nach draußen. Klar war Ryans Zelt nebenan, aber ich ging trotzdem schon ein paar Schritte am Strand entlang. 

"Hey.", erschrocken fuhr ich herum, als Noah hinter mir stand. "Oh, hey Noah." Ich wusste nicht ganz, wie ich ihm begegnen sollte, nachdem Emma mir ihre Vermutungen mitgeteilt hatte. "Was machst du hier?", fragte er ernst, während wir uns immer weiter vom Campingplatz entfernten. Ich räusperte mich und antwortete wahrheitsgemäß:" Ich warte auf Ryan." Noah entglitten seine Gesichtszüge und er starrte mich so wütend an.

"Immer wieder ist es das Gleiche. Was finden die Mädchen bloß so toll an ihm? Er wird mit dir schlafen und dich dann fallen lassen. Warum bist du genauso dumm wie alle Anderen?" Seine Stimme wurde mit jedem Mal lauter und er kam immer wieder einige Schritte auf mich zu, während ich etwas nach hinten rutschte. Als ich gegen einen Strandkorb stieß, packte er mich am Arm und meinte:" Vergiss diesen Idioten. Wir wollten zusammen zum Schulball, schon vergessen?" Ich schluckte mehrere Male hintereinander. Langsam jagte er mir wirklich Angst ein. 

"W-wir sind bloß Freunde, Noah. Ich will nichts von Ryan." Das hoffte ich zumindest, oder auch nicht. Langsam war ich mir bei nichts mehr sicher. "Dann beweis es.", flüsterte er und zog mich an sich heran. Ich begann leise zu schluchzen. Warum war Noah plötzlich so? 


The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt