14.- Schon wieder er

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Ryan weg. Erleichtert stand ich auf, wusch mich und ging meinem normalen Sonntags-Alltag nach. Gegen 7 Uhr abends bekam ich erneut eine Nachricht.

Unbekannt: Na, alles gut bei dir?

Das fragst du noch? Lass mich überlegen. Ein wahnsinniger Irrer kennt meine größten Geheimnisse, der Junge, den ich am Wenigsten ausstehen kann, stattet mir aus unerfindlichen Gründen einen Besuch ab und meine Grandma liegt im Krankenhaus. Alles Bestens soweit...

Die Nachricht tropfte nur so vor Ironie, aber an irgendetwas oder in diesem Fall irgendwem musste ich meine Wut ja auslassen. Außerdem war 'Unbekannt' nicht gerade unschuldig an meiner Wut.

Unbekannt: Das mit deiner Grandma tut mir leid.

Ach Spar dir doch deine Heuchelei. Dir gut nichts leid, das einzige was dich interessiert, bist du selbst.

Unbekannt: Was hat deine Grandma?

Er ging gar nicht darauf ein, was ich ihm geschrieben hatte. Langsam beruhigte ich mich wieder. Den Unbekannten so unfreundlich gegenüberzutreten, half mir auch nicht dabei, mein Tagebuch zurückzubekommen.

Ich weiß es leider auch nicht. Meine Mum ist gestern einfach so nach Louisville aufgebrochen, weil das Krankenhaus angerufen hat.

Unbekannt: Mach dir nicht allzu große Sorgen. Ich bin sicher deiner Grandma wird es bald wieder gut gehen.

Ich verstand nicht, warum er jetzt so nett war, aber irgendwie half es, sich all die Sachen mal von der Seele reden zu können und dass ich nicht wusste, mit wem ich schrieb, machte es mir seltsamerweise noch einfacher, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Ich hoffe. Sie ist mit meiner Mum die Einzige, die ich noch habe. Vor allem erinnert sie mich in vielerlei Hinsicht an meinen Dad. Hast du denn auch schon mal jemanden verloren?

Unbekannt: Naja, nicht direkt. Mein Grandpa und meine Grandma sind gestorben, bevor ich geboren wurde. Zu den Eltern meiner Mum haben wir sowieso keinen Kontakt, also kann ich schlecht nachvollziehen, wie es sich anfühlt. Aber ich glaube es wäre das Schlimmste für mich, meine Schwester zu verlieren.

Seine Ehrlichkeit schockierte mich. Natürlich positiv. Beinahe fühlte es sich so an, als würde ich mit einem Freund schreiben.

Deine Schwester bedeutet dir viel, oder?

Unbekannt: Kann man so sagen. Ich denke, ich muss einfach für sie da sein, wenn unsere Eltern mal wieder keine Zeit haben. Ist ja jetzt auch egal... Schon irgendeine Ahnung, wer ich bin?

Er lenkte ziemlich schnell vom Thema ab, aber da ihm das unangenehm zu sein schien, hackt ich auch nicht weiter drauf herum.

Nein, aber ich habe ja ab morgen noch zwei Wochen.

Unbekannt: Na dann, viel Glück.

Ich legte mein Handy weg und überlegte was ich tun konnte, da mir einfach verdammt langweilig war. Für Serien gucken, war das Wetter zu schön. Für den Pool war es aber wiederum etwas zu kalt.

Letztendlich nahm ich mir einen Zeichenblock und meine Stifte und setzte mich in den Garten. Zeichnen war schon immer meine Art, zu entspannen. Ich suchte mir eine Garten-Dahlie, die Anfang September begann, zu blühen und fing an zu skizzieren.

Es raschelte und ich schaute mich erschrocken um, als Ryan in meinem Blickfeld auftauchte.

»Mensch Ryan, musst du mich so in Angst versetzen.«

»Musst du immer so schnulzig reden?«, äffte er mich mit hoher Stimme nach, die kein Bisschen zu seiner sonst so tiefen Stimme passte.

»Haha, wie lustig du heute wieder bist.« Langsam blickte ich echt nicht mehr durch. Erst seine blöden Streiche in der Grundschule, dann seine dauerhaften, fiesen Sprüche und nun seine penetrante, aufdringliche Art, die einfach nur nervte.

Ich verdrehte genervt die Augen. »Was machst du da?«, fragte Ryan gespannt und schaue mir über die Schulter.

»Wonach siehts denn aus?«
»Weiß auch nicht. Nah Bauplänen für eine Bombe?«
Beleidigt verdeckte ich meine Zeichnung und stand auf. Ich ging wieder durch die Terrassentür und wollte sie schnell schließen, doch Ryan stellte seinen Fuß dazwischen.

»Das war doch nur ein kleiner Scherz. Sei nicht gleich beleidigt, Nerd. Schon früher hast du immer so empfindlich reagiert, wenn ich Späße gemacht habe.«

»Du nennst das Späße? Du hast mir auf der Klassenfahrt mit einem Edding 'Nerd' auf die Stirn geschrieben. Ich fand daran nicht wirklich etwas lustig.«

»Besser als Charlett. Die hat ne Monobraue bekommen.«, lachte er.

Stimmt, das hatte ich total vergessen. Auch ich musste bei der Erinnerung schmunzeln. Sie hatte gebläkt wie ein Schaf. Sie hatte sogar mir die Schuld gegeben und gesagt, dass ich mir das 'Nerd' selbst auf die Stirn geschrieben hätte.

»Wie auch immer. Lässt du mich jetzt rein?« Widerwillig öffnete ich die Tür wieder, sodass Ryan hereinkommen und sich auf die Couch werfen konnte. »Gut. Was machen wir jetzt?« Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte eigentlich nicht wirklich vor, etwas mit Ryan zu machen. »Du kannst gehen und ich werde Musik hören.«, antwortete ich dann.

»Du bist so eine alte Langweilerin.«
»Bin ich nicht.«
»Bist du doch.«
»Hör auf, Ryan. Du verhältst dich wie ein Kleinkind.«
»Sag ich doch. Langweilerin.«
»Was schlägst du denn vor?«, gab ich mich stöhnend geschlagen.

»Ich hätte da eine Idee.« Er grinste mich an, was nichts Gutes heißen könnte.
»Ryan!«, zischte ich, da ich zweideutige Bemerkungen hasste.
»Was denn? Ich wollte dich gerade nur nett fragen, ob du was kochst.« Augenblicklich schoss mir das Blut in den Kopf. Wie peinlich.

»Ich bin nicht dein Koch.«
»Kannst du etwa nicht kochen?«, fragte er schockiert, aber auch belustigt. »Natürlich kann ich kochen. Vor allem knusprig.«, antwortete ich sarkastisch.

»Dann werde ich es dir eben zeigen.«, seufzend schlenderte er in unsere Küche. »Du wirst unsere Küche mit Sicherheit nicht abfackeln, Ryan.«

»Nun sei doch nicht so melodramatisch.«
»Wow, dein erstes Fremdwort.« Grinsend setzte ich mich auf einen Hocker und guckte Ryan zu, wie er irgendetwas suchte.

»Brauchst du vielleicht Hilfe?«, fragte ich, da es nicht so aussah, als würde er das was er suchte, bald finden.

»Wo waren nochmal eure Pfannen?«
»Oben links.«
»Wer bewahrt seine Pfannen oben auf?«
»Ähm... Wir?«

»Du nervst, wenn du eine große Klappe hast.«
»Dann weißt du ja, wie es mir die letzten Jahre ging.«

Er stöhnte genervt und fragte dann leicht gereizt:» Musst du da ständig drauf herumreiten?«

»Tut mir leid, aber so ist es nun mal.«
»Mach doch nicht aus allem gleich ein Drama.«, warf er mir nun etwas lauter vor. Vor Schreck zuckte ich leicht zusammen.

Ich wollte gerade etwas antworten, als es klingelte...

The lost Diary  #WattyCompetitonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt