Kapitel Drei - Schlaflos

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Am anderen Ende hörte ich Dianas Stimme mit der einzigartigen Ruhe, die sie ausstrahlte. Verstehen konnte ich sie nicht, da sie sich vom Hörer weggedreht hatte. Vermutlich sprach sie mit ihrer kleinen Tochter. Wir hatten uns tatsächlich schon lange nicht mehr getroffen und ich vermisste die Doctor's Diary Zeit inzwischen schon sehr. Ihr Kind hatte ich jedenfalls noch nie gesehen und bald wurde die Kleine schon verdammte zwei Jahre alt, was ich auch nur aus der Klatschpresse wusste. Ich musste sie wohl auch nicht gesehen haben, um zu wissen, dass sie ein wunderschönes Baby war. Vielleicht sprach Diana genau in diesem Moment auch mit ihrem Mann, wobei ich innerlich hoffte, dass sie mit Arne nicht so sanft redete wie sie es eben getan hatte. Meine Gedanken begannen mich wieder von Innen aufzufressen und ich war regelrecht erleichtert als ich Dianas Stimme klar und deutlich hören konnte. "Hey Flo! Tut mir leid, dass es gleich wieder so chaotisch anfängt wie es damals aufgehört hat." Sie lachte. Ich lachte auch. Sie hatte es geschafft mich nach so einer langen Zeit zu einem echten und aufrichtigen Lachen zu bringen. Wahrscheinlich sprach sie von unserem Abschiedsessen, das wir zum Drehschluss der dritten Staffel damals gemacht hatten. Wir hatten ursprünglich vorgehabt gemeinsam dorthin zu gehen und ich sollte Diana mit meinem Auto später wieder zu Hause absetzen. Jedoch hatte Arne sich dazwischen geschummelt und unseren ganzen Plan durcheinander gebracht. Es wurde zu einem absoluten Chaos, doch bis auf eine 30-minütige Verspätung hatten wir uns jegliche Peinlichkeiten erspart. "Flo?" Ich musste eindeutig lernen, meinen Gedanken keine Chance zu geben mich vollkommen einzunehmen. Nachdem ich Diana darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ich noch am Hörer und noch nicht vor lauter Gefühlen schon verpufft war, eröffnete sie mir, dass auch sie nicht ganz zufrieden mit ihrer momentanen Situation war: "Ich muss endlich wieder was tun. Dieses ständige Herumsitzen und Nichtstun. Nur darauf warten, dass zufällig etwas spannendes passiert... Ich werde wahnsinnig, wenn sich das nicht bald ändert! Hast du nicht schon ein neues Drehbuch geschrieben? Der geilste Tag hat mir im Übrigen sehr gut gefallen." Das war die Diana, die ich kannte. Das war ihr unendlich niedliches Gequasel, das einen manchmal zur Weißglut bringen konnte. Das war diese aufgeweckte Art, die ich so vermisst hatte. Und es war das Gefühl, das mir so lange gefehlt hatte. Ein Gefühl von Verbundenheit und sehr viel Sympathie, die ich einem Menschen entgegenbringen konnte. Aber was hatte sie da gerade gesagt? Ein neues Drehbuch? Ich hatte doch in der letzten Zeit nicht mal mein eigenes Leben auf die Reihe bekommen. Wie sollte ich mir denn noch ein Leben anderer Menschen ausdenken? Ich wollte gerade zu einer ablehnenden Antwort ansetzen, die ich mit einem unsicheren "Ja..." begann. Doch in diesem Moment hörte ich Arne im Hintergrund nach Diana rufen. Er sagte etwas von "Papierkram, der immer an ihm hängen blieb". Klang nach einem Streitpunkt, der schon öfter aufgetreten war und ehrlich gesagt gab es mir das Gefühl ich müsse Diana schützen, als könne ich sie auffangen, wenn Arne sie fallen lies. Und das war ein sehr schönes Gefühl. Wie egoistisch konnte ich eigentlich sein? "Ich rufe dich später nochmal an, ja? Ist gerade bisschen schlecht.", sagte Diana in einem Tonfall, der mir das Herz zerbrach. Sie wirkte auf einmal so zerbrechlich, so verletzt und kalt... Einfach unglücklich. Sie klang als könne sie plötzlich nicht mehr frei reden, als stünde sie unter Beobachtung. Ich brachte nur ein kurzes "Ja klar, tschüß." heraus und dann erklang auch schon wieder das unangenehme Tuten. Es dauerte einige Sekunde bis ich verarbeitet hatte, was da gerade passiert war. Ich hatte nicht nur neue Energie aus ganz wenigen Worten einer sehr guten Freundin gewinnen können. Ich hatte auch erlebt, dass diese lebensfrohe Frau durch ganz wenige Worte eines Mannes viel von dieser Energie verloren hatte. Nachdenklich stellte ich mich unter die Dusche. Das kalte Wasser kühlte mich und meine Gedanken etwas ab. Doch abschütteln konnte ich sie noch lange nicht. Ich musste die ganze Zeit an Diana denken. Daran wie sie sich angehört hatte, nachdem Arne sie so blöd angemacht hatte. Mein ganzer Magen kribbelte bei dem Gedanken daran, dass ich derjenige sein könnte, der sie in den Arm nahm, weil Arne sie im Stich ließ.

Jetzt war alles vorbei. Wie konnte ich einer Frau, die ich sehr gerne hatte, etwas derartig Schlechtes wünschen, nur um mir einen Vorteil zu verschaffen? Weil ich sie liebte? Oder war das einfach nur der natürliche Jagdtrieb eines jeden Mannes? Ich wollte sie nicht lieben. Ich wollte sie nicht nur als irgendeine Freundin haben. Ich konnte es nicht mehr einschätzen. Heute war ich zu nichts mehr in der Lage. Viel zu viel Input an einem Tag. 00:00 Uhr. Völlig durcheinander lies ich mich schließlich in mein Bett fallen. Doch an schlafen war jetzt in keinster Weise zu denken, nicht zuletzt, weil Diana noch immer nicht angerufen hatte. 02:00 Uhr. Was machte sie gerade? Hatte sie sich wieder mit Arne versöhnt? Musste sie die Kleine in den Schlaf singen? Oder hatte sie mich einfach vergessen und schlief schon lange? 03:00 Uhr. Freundschaft? Liebe? Freundschaft? Liebe? Liebe? Freundschaft? Freundschaft? Liebe? Verwirrt. Schlafen. Langsam fielen meine Augen zu und ich in einen ganz leichten, unruhigen Schlaf. 04:00 Uhr. Mein Handy schrillte so laut, dass es wohl auch die Nachbarn klar und deutlich hören mussten. Ich war sofort hellwach. Diana.

Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt