Ich lag in seinen Armen. Fühlte es sich gut an? Ich atmete seinen Duft ein. Ja, es fühlte sich gut an. Es musste sich gut anfühlen. Ich spürte Lennjas kleine Hand auf meinem Oberschenkel und Arnes an meiner Hüfte. Ich schloss kurz die Augen. Um nach außen hin wie immer zu wirken, meine Unsicherheit in mir zu isolieren. Ja, vielleicht auch um Florian zu vergessen und mir nichts anmerken zu lassen. Ich wollte es selbst nicht wahrhaben, aber ich hatte die Zeit mit Florian genossen. Seine Art, seinen Charme, seine Blicke. Wie er mit meiner Tochter umging, einfach alles. Er war anders als Arne. Aber Arne war mein Mann. Ich hatte ihn geheiratet, weil ich ihn liebte. Oder aus dem Drang nach Sicherheit? Ich hatte mich damals für ihn und nicht für Florian entschieden. Ich zog Arne noch etwas dichter an mich heran. Wollte mir beweisen, dass es das Richtige war. Und es war richtig. Punkt. Ich ging hinter Arne und Lennja die Treppe hoch. Sie klammerte sich an seinen Arm und ließ sich beinahe hochtragen. Schön zu sehen, wie sehr sie ihren Vater vergötterte. Die letzten vier Stufen griff Arne Lennja unter die Arme und schwang sie nach oben. Fast so wie Florian es auf dem Spielplatzbalken gemacht hatte. Ich atmete einmal tief durch und stieß mit dem Ausatmen nicht nur Luft sondern auch jeden einzelnen Gedanken an Florian aus. Dieses Treffen hatte so viele alte Wunden aufgerissen und meinen vermeintlich festen Standpunkt völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Aber ich hatte mich entschieden und es wäre das Schlimmste, meine Ehe jetzt aufs Spiel zu setzen. Ich brauchte nur etwas Zeit. "Schau mal, was ich dir aus Hamburg mitgebracht habe." sagte Arne stolz zu Lennja als wir uns drinnen ausgezogen hatten und auf der Couch saßen. Aus einer großen Tüte zog er einen gefühlt noch größeren Karton. Wollte er sich die Kleine jetzt mit Geschenken kaufen, über die er nie mit mir gesprochen hatte? Es fühlte sich an, als wäre er ein Vater, der die alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter einmal in drei Monaten besuchte. Hier ein Geschenk, dort ein teurer Ausflug in den Zoo und zum krönenden Abschluss eine kurze Tobeeinheit vorm Schlafengehen. Es fehlte an nichts, nur ein Liebe und Zuneigung. Viele kleine, rosa farbene Blumen verzierten die hellblaue, unglaublich kitschige Verpackung. In der Mitte sah ich schon die schrecklichste aller Trendfiguren. Königin Elsa, die Eiskönigin, die Disneyheldin schlechthin. Und ich hatte schon gedacht, ich hätte den Trend von Lennja abhalten können. Wie oft hatte sie um Elsa-Shirts, Frozen-Brotdosen und Olaf-Schuhe gebettelt? Ich hatte immer verneint und mich immer wieder aufs Neue unbeliebt gemacht. Schön, dass Arne viele Stunden meiner Alleinerziehung mit diesem einzigen Geschenk zerstören konnte. Na gut, Lennja strahlte bis über beide Ohren und schien sich wirklich zu freuen. Sie zog das ganze Päckchen hinter sich her bis in ihr Zimmer. Ich wartete darauf, dass Arne von der Couch aufstand und ihr half. Sie war doch noch viel zu klein. Natürlich passierte nichts dergleichen, denn Arne tippte schon wieder irgendeine geschäftliche Mail. Ein Stöhnen unterdrückend erhob ich mich und ging zu meiner Tochter. "Na Engel? Soll ich dir helfen?" fragte ich behutsam und schaute auf eine kleine hilflose Lennja herab. Ich setzte mich neben sie in den Schneidersitz und sofort kletterte sie in meinen Schoß. Liebevoll legte sie ihren kleinen Kopf an meine Brust. Mit der kleinen Kinderschere, die hier auf dem Boden lag, machte ich die Verpackung auf. Die Schwierigkeiten, die ich dabei hatte, waren natürlich auch dem kleinen Knäul zu verschulden, das sich hier auf meinem Schoß wandt. Nach einer gefühlten Ewigkeit lag nicht nur die Pappe sondern auch 32 Frozen-Memory-Karten im ganzen Zimmer verteilt. Lennja gluckste vor Freude und sammelte die ganzen Karten ein. Gedankenverloren schaute ich ihr dabei zu. Innerlich war ich aber schon wieder mehr als abwesend. Genau hier hatte ich die Beiden letzte Nacht gesehen. Florian und Lennja. Ich hatte der Kleinen angesehen, wie wohl sie sich in Florians Nähe fühlte. Es war diese liebevolle Art, die ich bei Arne schon lange vermisste.
Ich musste ihm einfach nochmal schreiben. Erst dann würde ich ihn vergessen können. Musste ihm sagen, was ich dachte. Mit der Sache endgültig fertig werden.
Ich spielte noch eine Weile mit Lennja Memory, wobei sie Kristoff ständig als Florian betitelte. Sie hatte ja keine Ahnung, was dieser Name immer wieder mit mir machte. Immerhin konnte ich so nicht vergessen, ihm zu schreiben. Später brachte ich Lennja ins Bett und musste ihr wieder einmal erklären, dass ihr Papa viel Arbeit hatte und wieder nicht da sein konnte. Enttäuscht nahm sie meine Hand und schmiegte ihr Gesicht daran. Das hatte ich früher auch immer bei meiner Mama gemacht. Ich hatte erst dann einschlafen können, wenn ich genau gewusst hatte, dass sie in meiner Nähe war.
Es war 2 Uhr morgens und ich war einsam. Lag immer noch allein im Bett. Hätte gerne nochmal mit Arne über den Tag geredet, so wie früher. Einfach reden und sich alles erzählen, was man erlebt hatte. Ob ich heute bei der Wahrheit geblieben wäre, wage ich zu bezweifeln. Aber es ging mir allein ums Prinzip. Lustlos griff ich nach meinem Handy und begann zu tippen. Es fiel mir sehr schwer, die richtigen Worte zu finden, aber letztendlich kam doch noch eine ziemlich lange Textnachricht zustande. Zufrieden war ich nicht, aber meine emotionale Lage ließ nicht zu, dass ich mich besser ausdrückte.
Hoffentlich würde Florian überhaupt verstehen, was ich meinte.
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Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)
FanfictionBist du schon mal durch eine Stadt gelaufen, in der Hoffnung du würdest eine Person treffen? Du suchst nach jemand ganz bestimmten, dessen Leben du meinst in- und auswendig zu kennen, der dich aber vielleicht noch nie gesehen hat, der nicht einmal v...