Kapitel Siebenundzwanzig - Kalt.

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Ich konzentrierte mich. Höchstkonzentration. Dianas Lippen lagen auf meinen und es fühlte sich gut an. Wie früher. So heil. Ihre Lippen zitterten etwas und auch sonst konnte ich ihre Nervosität deutlich vernehmen. Es ging uns beiden gleich. Das Gefühl hintergangen worden zu sein verband uns, wie eine unsichtbare Kette. Warum griffen wir nicht nach diesem Strohhalm und kämpften gemeinsam gegen das alles hier an? Warum konnten uns die einfachen Filmleute so leicht festhalten. Ich konnte nicht leugnen, dass es mir nicht gefiel, aber natürlich hätte ich das viel lieber privat erlebt. Obwohl meine Gedanken niemand hören konnte, breitete sich plötzlich eine Art Schuldgefühl in mir aus. Wie konnte ich so etwas denken? Ich hatte eine Freundin. Umso stärker das Gefühl von innen gegen meine Brust presste, desto mehr hatte ich damit zu kämpfen, bei diesem Kuss nicht ins Emotionale abzurutschen. Wie ist er denn, so ein Filmkuss? Ich kann es euch sagen; habe genug Erfahrung damit. Es ist ein Kuss. Letztendlich hatte ich schon viele Leute geküsst und die Gerüchteküche brodelte, mit wem es mir etwas bedeutet hatte. Doch ich kann euch versichern: Noch nie war es so schlimm gewesen. Dieses Gefühl nicht weitergehen zu dürfen. Diese enorm große Wand, die sich vor mir aufstellte. Ich konnte sie nicht durchbrechen. Ich durfte es nicht. Nicht ohne mindestens genauso schlimme Konsequenzen. Es gab also eine ganz klare Antwort auf die Frage, ob das hier mehr werden konnte als ein Filmkuss. Nein, konnte es nicht. Durfte es nicht. Ich kehrte alle Kraft , die ich noch hatte nach außen und ließ sie die anderen in Form von Professionalität und Ernsthaftigkeit spüren. Doch eines wurde mir klar: Ich musste mit Diana sprechen. Meine Gefühle zu ihr waren immer noch viel zu groß als dass ich sie einfach unter den Teppich hätte kehren können. Außerdem gab es hier gerade keinen Teppich. Keinen der groß genug gewesen wäre für all das, was in mir steckte. Ich musste es loswerden, so schnell wie möglich. Das "Danke aus!" des wirklich sehr energiegeladenen Regisseuren trennte mich von meiner prall gefüllten Gedankenwelt und auch von Dianas Lippen. Das erste, was ich sah, waren ihre Augen. Sie sprachen mir aus der Seele. Diana schien mitgenommen. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Doch hätte ich in mein Gesicht schauen können, hätte mich sicher dasselbe Verhalten erwartet. Während der Regisseur irgendetwas von nur noch einem Take erzählte, schaute ich abwesend über den Strand. An der Düne stand Mariella. Komisch, aber es ließ mich kalt. Vielleicht war es das, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte. Einfach, um einem unangenehmen Gespräch auszuweichen. Es mir nicht eingestehen zu müssen und niemals auszusprechen. Aber eigentlich wusste ich es nicht. Ich wusste gar nichts mehr und im Grunde Mariella mir doch leid. Ich wusste ja selbst nicht mal mehr, was hier gerade passiert war. Aber ich wusste, dass ich mich jetzt erst einmal um meine Beziehung kümmern musste. Dass das jetzt von mir erwartet wurde. Ich entschuldigte mich flüchtig und rannte Mariella hinterher. Als ich am Haus ankam, stürmte sie gerade heraus. Ich sah ihr an, dass sie mit sich selbst zu kämpfen hatte. Als sich unsere Blicke trafen, muss man mir angesehen haben, dass ich den Kuss mit Diana genossen hatte. Aber ihr solltet jetzt nicht denken, ich hätte das so gewollt. Ich wurde dazu gezwungen. Ob es mir gefallen hatte, stand auf einem anderen Blatt. Doch leider hatte es das. Die ersten Tränen quollen aus Mariellas Augen und sie ging an mir vorbei. Wahrscheinlich hoffte sie, dass ich ihr hinterher gehen würde oder wenigstens etwas sagte. Doch ich brachte keinen Ton heraus. Ich ließ sie gehen. Und damit auch das, was mich die ganzen Wochen gerettet hatte. Ich war allein. Wieder einmal. Mit einem undefinierbaren Gefühl ging ich durch die Tür. Irgendetwas war anders als sonst. Ich trottete in die Küche und nahm mir ein Glas Wasser. Wieso ließ mich das alles so kalt? Diese Frage beschäftigte mich viel mehr als die Tatsache, dass ich offensichtlich ein riesiges Problem hatte. In einem Zug trank ich die kalte Flüssigkeit aus und stellte das Glas schwungvoll auf die Arbeitsfläche. Ich sah mich um und entdeckte etwas Weißes, das aus meinem Mülleimer schaute. Ich ging darauf zu und sah nach, was Mariella hier entsorgt hatte. Mein Blick traf eine zerknüllte Tischdecke und zertrümmerte Weingläser zwischen roten Kerzen und Servietten. Ich erschrak vor mir selbst, denn die Sache traf mich mehr als ich zugeben wollte. Mir wurde klar, dass Mariella nur ein Trostpflaster gewesen war. Ich hatte sie verletzt. Sie hatte es immer geahnt, aber mir vertraut. Und jetzt war sie weg. Ich hatte ihr wehgetan, über eine lange Zeit hinweg, und jetzt hatte es ihr gereicht. Sie hatte immer versucht, es zu verdrängen, doch jetzt war es zu viel geworden. Ich lief durch den Wohnbereich und dachte nach. Wie ein streunender Kater musste ich ausgesehen haben. Mein Verhalten kam mir selbst befremdlich vor. Ich hatte das Gefühl, mich von außen zu beobachten. Ohne wirklich darüber nachzudenken, ließ ich mich auf die Couch fallen. Ich musste das klären. Ich konnte nicht alles erzählen, was ich dachte. Wahrscheinlich war es total unangebracht, aber ich würde ihr eine Nachricht schreiben. In aller Ruhe, mit aller Kraft. Kitschig, aber echt. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ich konnte ihr nichts versprechen, aber ich wollte das sie wusste was in mir vorging, egal zu welchem Preis.


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Hey Leute :) Da bin ich mal wieder, mit einem Gute-Nacht-Kapitel. Irgendwas ist diesmal anders geworden. Ich weiß nicht, das Kapitel gefällt mir nicht so. Aber ich habe es so geschrieben, wie es aus mir heraus gekommen ist. Ich hoffe es gefällt euch.

Ich habe jetzt Ferien und werde mal schauen, dass ein paar mehr Kapitel kommen :) Morgen soll schlechtes Wetter sein, vielleicht schreibe ich dann mal bisschen :)

Liebe Grüße und gute Nacht <3

Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt