Kapitel Fünfzehn - Tschüß, gute Geister!

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In meiner Hand hielt ich eine Visitenkarte von Mariella. Ich drehte sie einige Mal zwischen meinen Fingern im Kreis und knallte sie dann neben mein Handy auf das kleine Schränkchen hier im Eingangsbereich. Auf der Rückseite war eine Nummer zu sehen, geschrieben mit Kugelschreiber. Was für eine ordentliche Schrift. So geschwungen und kunstvoll. Irgendwie einzigartig. Wenn ich dagegen an meine Handschrift dachte, drehte sich mir der Magen um. Meine Autogramme konnte man ja nicht mal mehr lesen und ehrlich: Viel mehr schrieb ich auch nicht mehr handelsüblich mit Papier und Stift. Ich nahm mein Handy aggressiv von der schmalen Flurkommode. Wedelte die Karte dabei zu Boden. Warum konnte nicht einfach mal alles so laufen wie man es wollte? Ich lehnte mich an die Tür, meinen Kopf in den Nacken. Kraftlos ließ ich meinen Körper zu Boden sinken. Mein Handy fest in den Händen. So, als könnte ich mich daran festklammern und in ihm einen Rat finden, was jetzt zu tun war. Ich zog die Knie ganz nahe an meinen Oberkörper und legte meinen Kopf darauf ab. Die Stille nahm ich in ihren Bann auf. Ein Luftstoß fand den Weg aus meiner Lunge und befreite mich nur von einigen wenigen Zweifeln. Zögerlich schleifte ich das kleine, aber doch biestige Kärtchen zu mir heran. Im Grunde war ich Mariella eine riesige Entschuldigung schuldig. Dieses großartige Wortspiel, unfassbar. Was hatte ich denn noch zu verlieren? Gerade jetzt musste sie doch denken, ich wäre genau so ein Ego-Promi, der nur auf sein eigenes Wohl bedacht war und einen Scheiß auf die Anderen gab. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr werden. Ich schaute auf mein Handy. Der Display war dunkel und mein Hintergrundbild von Elmo schien im Dämmerlicht fast zu verschwinden. Bedacht wählte ich Mariellas Nummer. 0 - 1 - ... Sollte ich es wirklich tun? 5 - 7 - 3 - ... Jetzt bloß keine Müdigkeit vortäuschen. Ich tippte die restlichen Ziffern zügig ein, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Das Freizeichen ertönte nur ein einziges Mal und dann versank ich schon in die beruhigende Wirkung von Mariellas Stimme. Sie fand sofort die richtigen Worte, um mich erneut ein Stückchen aus meinem ganz persönlichen Depri-Loch zu ziehen. Es war die verständnisvoll Art, die mich wieder überredete, wenn man das so sagen konnte. „Wollen wir nochmal reden?" Warum ich so etwas einfach so sagte? Sie tat mir gut. Das konnte ich nicht abstreiten. „Hast du Zeit? Du kannst zu mir kommen." Sie ging direkt auf meine Frage ein. Eh, ja. Da war ja noch das Problem mit dem Schlüssel. Ich erklärte die Situation so, dass sie nicht ganz so peinlich für mich war und erhob mich dann aus meiner ärmlichen Position. Mit einem knappen „Bis gleich!" nachdem ich ihr meine Adresse gesagt hatte, ließ sich mich quasi im Regen stehen. Hastig schaltete ich das Deckenlicht aus und knipste eine kleine Lampe im Fenster an. Nahezu gleichzeitig suchte ich nach Streichhölzern, um die einzige Kerze im ganzen Haus anzuzünden. Mission failed, würde ich mal sagen. Das hier war so ziemlich das unromantischste Date, welches ich je gehabt hatte und hoffentlich auch haben würde. Moment, hatte ich dieses unverbindliche Redetreffen gerade als ein Date bezeichnet? Alle Hoffnungen auf irgendeine Art von Disziplin in mir aufgegeben... Ich ließ mich auf das Sofa fallen, platzierte die zwei Gläser auf dem Tisch, checkte nochmal mein Handy und fuhr etwas herunter. Mit geschlossenen Augen ging ich durch, worüber wir wohl reden würden. Ein Räuspern ließ mich zusammenfahren. Mit einer Flasche Champagner in der Hand stand sie vor mir. Die Frau, auf die man sich nicht vorbereiten konnte. Die einfach da war und die Atmosphäre beruhigte. Es war eine Art Zauber, den sie ausstrahlte. Wie war sie denn jetzt hier rein gekommen? Zwischen Zeigefinger und Daumen baumelte mein Schlüssel und klingelte vor sich hin. „Den habe ich in der Tür gefunden." lachte sie und ließ den Schlüssel wortlos auf die Glasplatte des Tisches sinken. Ich fühlte mich irgendwie schon wieder so hilflos in ihrer Gegenwart. Aber das wollte ich nicht. Ich musste wieder etwas aus mir heraus kommen. Im Übrigen war es jetzt schon 19 Uhr. „Wollen wir eine Pizza bestellen? Ich habe hier noch nicht so viel Zeug." grinste ich und wir taten, was ich vorgeschlagen hatte, auch wenn es wohl etwas geschmacklos war. Entspannt setzte Mariella sich neben mich auf die Couch. All zu groß war sie nicht, sodass wir ziemlich nahe beieinander saßen. Mariella trug ein legäres graues Oberteil und eine schwarze Jeans. Einfach und doch sehr stilvoll. Der Beginn des Abends verfehlte irgendwie das eigentliche Ziel einer Aussprache. Nach einer kurzen Entschuldigung meinerseits blieb es auch dabei und wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Sie erzählte mir von ihrem aktuellen Lieblingssong und bestand darauf, ihn mir auf dem Handy vorzuspielen. Die Zufallswiedergabe tat ihr Übriges und aus einem anfänglichen Popsong wurde eine schnulzige Liebesballade. „Hörst du dir eigentlich auch manchmal deine eigenen Lied-Performances an?" Natürlich tat ich das manchmal und ich wusste genau wie bescheuert das war. Ich spürte Mariellas Blick auf mir ruhen und dreht meinen Kopf zu ihr. Lügen konnte ich jetzt mit Sicherheit nicht mehr."Nur manchmal..." brachte ich wenig überzeugend hervor. Unserer Gesichter waren sich nun ganz nahe. Ich konnte ihren Atem auf meinen Lippen fühlen. Ich kam noch näher, um sie mehr spüren zu können. Ihre Nähe, ihren Atem, ihre Ausstrahlung. Ich schloss die Augen und legte meine Stirn an ihre. Mariellas Haut war weich und angenehm warm. Ich lächelte leicht und legte meine Lippen auf ihre. Kurzschlussreaktion. Eindeutig. Was tat ich hier? Aber es fühlte sich gut an. Einfach richtig und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie es nicht genauso sah. Noch bevor sie diesen Versuch eines Kusses erwidern konnte, klingelte es an der Tür und ich schreckte ertappt zurück. Die Pizza.
War das jetzt eine gute oder schlechte Unterbrechung des Ganzen? Ich wusste es nicht.

Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt