Kapitel Elf - Engel gibt es nicht

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Die Zeit hier tat mir gut. Ich hatte das Gefühl, mich von allem freischaufeln zu können. Die Meeresluft gab mir die Möglichkeit alles loszuwerden, was mich seit Woche einengte und erdrückte. Inzwischen hatte ich mich hier oben etwas eingelebt. Es gab zwar nicht viele Möglichkeiten, aber, das was es gab, war perfekt. Ich hatte schon mein Lieblingscafé mit Meeresblick gefunden. Dort kannte mich niemand und ich konnte in Ruhe meinen morgendlichen Kaffee genießen. In eben dem Café saß ich auch an diesem verhangenen Samstag. Heute war etwas mehr los als sonst, aber trotzdem fühlte ich mich wohl. Vor mir auf dem kleinen Tisch hatte ich meinen Laptop abgestellt und scrollte gedankenverloren durch die ziemlich überschaubaren Hausangebote. Ich spielte mit der Überlegung mir für ein paar Monate ein gemütliches Strandhäuschen zu mieten. Der rote Faden in meinen Gedanken wurde abrupt zerrissen als mein Handy kurz in meiner Hosentasche vibrierte. Zugegeben, ich hatte es wieder eingeschaltet. So ganz ohne ging es dann doch nicht. Immerhin waren mir nervige Anfragen bislang erspart geblieben. Ich erstarrte als ich auf die Nachricht geklickt hatte. Diana hatte mir eine so lange Nachricht geschickt, dass sie auch aus der Feder eines Kettenbrief-Schreibers hätte stammen können. Inhaltlich unterschied sie sich aber deutlich von den üblichen 0815-Nachrichten.

"Hey Flo. Ich habe nochmal nachgedacht. Unser Treffen hat mich verwirrt, ziemlich aus der Bahn geworfen oder wie man das heutzutage sagt. Ich will jetzt hier kein großes Liebesgeständnis machen. Dafür wäre das hier erstens die falsche Art zu kommunizieren und außerdem bin ich glücklich mit Arne. Ich bin mir nicht sicher, dass da keine Gefühle zwischen uns sind, aber ich habe meine Entscheidung getroffen. Das mit uns hat keine Zukunft. Es ist besser, wenn wir uns vorerst voneinander fernhalten. Ich weiß nicht, ob es jemals funktionieren wird, aber ich möchte damit ein für alle mal abschließen. Es darf nichts kaputt gehen. Für Lennja, für mich und auch für uns. Bitte verstehe mich. Bis dann Diana."

Dass ich nicht lachte: Glücklich mit Arne. Ok, ich lachte tatsächlich nicht. Mit einem Mal waren jegliche positive Gedanken an die tolle Zeit mit Diana verflogen. Ich konnte nur noch an die Zukunft denken. Ich würde wieder in ein tiefes einsames Loch fallen. Musste Diana wieder aus meinem Gedächtnis streichen. Durch den Tränenschleier, der meine Sicht verschwimmen ließ, blickte ich auf den hellen Bildschirm meines Handys. Geistesabwesend schaltete ich es auf Standby und ließ es langsam nach unten sinken. Meinte sie das wirklich so? Sie fühlte so wie ich. Sie konnte es nicht so meinen. Ich strich mir durch das Gesicht und widmete mich unverzüglich wieder dem Laptop. Ich musste vergessen; das alles wieder erfolgreich verdrängen. Es hatte schon einmal geklappt. Warum nicht auch jetzt? Ruckartig blickte ich wieder auf den Laptop. Womöglich aus einer Kurzschlussreaktion heraus entschied ich mich für ein bungalow-ähnliches Strandhaus, das ich für einen Monat mieten konnte und schloss dann den Browser. Dahinter kam das Fenster zum Vorschein, in dem ich das Drehbuch schrieb. Beziehungsweise hatte ich versucht, einen halbwegs akzeptablen Anfang zustande zu bringen. Ich probierte noch eine ganze Weile, eine überzeugende Idee zu finden. Letztendlich konnte ich meine Fantasie aber doch nicht von Dianas Namen trennen. Ein völliger Wortsalat machte sich in meinem Kopf breit und mit jedem Grübeln schien ich ihn in noch feinere und unübersichtlichere Stücke zu zerschneiden. Am nächsten Tag würde ich mein Ferienhaus beziehen können und ich hoffte ein weiteres Mal in so wenigen Tagen neu anfangen zu können. Vielleicht brauchte ich einfach noch etwas Zeit. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Vielleicht hoffte ich auch einfach viel zu oft und packte viel zu wenig an.
Am nächsten Tag holte ich den Haustürschlüssel ab und richtete mich neu ein. Ein eigenes Haus hatte tatsächlich etwas von Freiheit und Selbstbestimmung. Und auch ich würde frei und selbstbestimmt sein. Jedenfalls wäre ich es gerne. Den wortwörtlich ersten Schritt in diese Richtung machte ich mit einem kurzen Strandspaziergang. Heute war das Wetter bedeutend besser und ich beschloss ein Stück Kuchen in dem kleinen Café essen zu gehen. Ich setzte mich - wie immer - an einen der hellen Tische am Fenster. Doch heute war etwas anders. Mir fast gegenüber saß eine junge Frau und schaute immer wieder unauffällig zu mir rüber. Nicht, dass das jetzt hier auch so anfing. Konnte mich nicht Diana so begehren wie diese elenden Fans? Ok, langsam steigerte ich mich wohl etwas in die Situation hinein.
Diana war aber einfach der Engel auf Erden. Etwas Vollkomenes. Zu perfekt, um wirklich existieren zu können. Etwas, wovon man nur träumen konnte.

Doch für mich gab es diesen Engel nicht. Damit musste ich mich abfinden.

Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt