Kapitel Achtunzwanzig - Feigheit, die Mutter aller Grausamkeit.

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"Ja, ich scheitere schon an der Begrüßung. Was soll ich sagen? Ein lockeres 'Hi' oder soll ich die förmliche Variante wählen. Guten Tag. Wie das klingt... Aber es hat keine Bedeutung für das, was ich dir eigentlich sagen will. Wahrscheinlich ist das hier die Art etwas zu klären, die alles noch schlimmer macht, aber ich habe das Gefühl, dass du das alles wissen solltest. Du hälst mich jetzt für feige, weil ich dir nicht gleich nachgegangen bin. Ein riesiger Feigliung, der dir nicht einmal ins Gesicht sagen kann, was er für ein Arsch ist. Und ja: Ich bin ein Feigling und das ist ein verdammtes Scheiß-Gefühl. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich so bin. Wie blöd war ich, zu glauben, dass das alles funktionieren kann. Von den alten Problemen in ein neues Leben fliehen und hoffen, dass hier keine neuen dazu kommen. Ich gibt immer Probleme. Man geht über die Straße und wird zum Zielobjekt. Achtung! Wer sich nicht im Haus verschanzt, wird gnadenlos mit der Problemkanone abgeschossen. Aber es soll jetzt nicht darum gehen, wie dumm ich war oder bin oder was auch immer. Obwohl: eigentlich soll es das schon. Denn ich bin der Auslöser für das, was hier gerade passiert und ich glaube ich weiß ganz genau, was das Ergebnis sein wird. Warum musste es überhaupt soweit kommen, dass du so verletzt wirst? Mariella, du hast mich die ganzen letzten Wochen aufgebaut, mich gehalten und mir deine ganze Kraft geschenkt. Das ist nicht selbstverständlich und eigentlich kann ich das alles nicht erklären. Der Kuss mit Diana vorhin, der war für die Kameras. Wirklich. Was du gesehen hast, war ein Filmdreh. Kein bedeutender Kuss. Jetzt fragst du dich vermutlich, warum ich hier dann so einen Aufriss veranstalte. Du weißt, was Diana mir bedeutet und du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich das vorhin war. Ich kann dir nicht versprechen, dass mir das gar nichts bedeutet hat. Tatsächlich habe ich den Kuss genossen. Aber ich wollte sie wirklich vergessen. Ich wollte nur mit dir zusammen sein. Wir waren glücklich. Ich war glücklich. Bestimmt hast du die ganze Zeit mit dem Gedanken gekämpft, dass noch Diana zwischen uns stand. Aber ich bin dir so dankbar, dass du mich das nie hast spüren lassen. Deshalb tut es mir jetzt auch so unfassbar leid, was ich dir angetan habe. Was ich dir immer noch antue. Hiermit mache ich alles wahrscheinlich noch schlimmer. Zerstampfe deine letzten Hoffnungen darauf, dass es ein einfacher Filmgekuss war. Ich kann verstehen, dass du sauer bist und ich erwarte gar nicht, dass du mein Verhalten nachvollziehen kannst. Ich kann es ja selbst nicht einmal. Wie auch? In meinem Kopf fahren die Gefühle schon seit Monaten Achterbahn. Manchmal macht der Jahrmarkt zu, dann geht es. Aber jetzt gerade hat er wieder geöffnet und ich werde wahnsinnig. Mir tut es im Herzen weh, dir zu sagen, dass Diana mir noch immer mindestens genauso wichtig ist, wie vor ein paar Wochen als wir uns kennengelernt haben. Und jetzt willst du wahrscheinlich gar nichts mit mir zu tun haben. Ich liebe dich. Aber das mit Diana ist anders. Sie wird Arne nicht für mich verlassen und du magst das gerade deshalb alles nicht verstehen. Aber ich will dich nicht anlügen, dir nichts vormachen. Ich kann das nicht, mit uns beiden. Noch nicht vielleicht. Es tut mir leid, Mariella. Aber wenn du es nicht tust, werde ich hier jetzt einen Schlussstrich ziehen. Vielleicht sieht man sich mal wieder. Danke für alles, was du für mich getan hast. Für die Momente, die ich endlich wieder genießen konnte. Für die Liebe die du mir geschenkt hast und die ich dir geben durfte. Es tut mir alles so leid. Hiermit habe ich alles noch schlimmer gemacht. Ich weiß. Und dich trifft keine Schuld. Eher mich und meinen unfassbaren Hang zum Dramatischen. Ich mache immer alles kaputt, aber auch alles. Mach es gut. Übrigens habe ich gerade die Sachen gefunden, die du vorbereitet hast. Ohne Witz: Ich habe nochmal so richtig gemerkt, was ich hier gerade verbockt habe. Trotzdem solltest du wissen, dass du mir immer noch sehr wichtig bist und es mir keineswegs leicht fällt diesen Schritt zu gehen.

Sieh dich nicht als Trostpflaster. Du warst immer mehr für mich.

Florian"

Ich laß mir die Nachricht kein zweites Mal durch, denn ich wusste, dass ich dann die Hälfte wieder gestrichen und sie am Ende wahrscheinlich gar nicht losgeschickt hätte. Ich wusste auch, dass ich hier gerade viel mehr zerstörte, als sein musste. Aber ich wollte Mariella nichts mehr vormachen. Der Kuss mit Diana hatte mir die Augen geöffnet. Es war nicht richtig, Mariella als meine Freundin zu bezeichnen, wenn es jemanden gab, der mir viel wichtiger war. Mariella war kein Flirt gewesen, kein Ausrutscher, aber trotzdem reichte es bei ihr nicht. Und das alles tat mir unfassbar leid. Ich sendete die Nachricht ab und legte mein Handy zur Seite. Ich wollte die Antwort nicht lesen. Noch nicht.



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Titel: Michel de Montaigne (1533 - 1592) - französischer Philosoph und Essayist

--> nur, weil ich mir den diesmal nichts selbst ausgedacht habe :)


Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt