Gedankenverloren trat ich in das Wohnzimmer. In einem dunklen Rot empfing es mich und gab mir das Gefühl von Heimat. Ich ließ meinen Koffer neben mir zum Stehen kommen und sah mich kurz um. Von hier aus konnte man in alle Zimmer gehen. Einige Türen waren offen, andere noch geschlossen. Eine fiel mir besonders auf. Auf dem creme-weißen Holz stand in großen, bunten Buchstaben "LENNJA". Jetzt merkte ich, dass ich nicht einmal den Namen der Kleinen gewusst hatte. Doch nun lief sie an mir vorbei und ihr nordischer Name verschmolz perfekt mit ihrem engelsgleichen, hellblonden, kindlich weichen Haar. Es wirkte hier alles so ruhig, so stimmig... So heil. Als sie in kleinen wackeligen Schritten in ihr Zimmer ging, drehte sie sich immer wieder um. Ich schenkte ihr ein Lächeln und sie fing an zu lachen. Im Glanz ihrer Augen spiegelte sich Dianas ehrliches Lächeln wieder. Plötzlich kam Lennja ins Taumeln und stolperte über ihre eigenen Füße. Mit einem dumpfen Poltern landete sie auf dem weichen Teppich. Vermutlich würde sie gleich aufspringen und lachend in ihr Zimmer laufen. Einen Moment war Stille. Ich hörte nur Diana in der Küche rascheln. Ein leises Schluchzen kam von der Stelle, an der Lennja hingefallen war. Mit schnellen Schritten eilte ich zu ihr. Inzwischen weinte sie richtig. Also so, wie man weinte, wenn man fast zwei Jahre alt war und gerade den Schrecken seines Lebens bekommen hatte. Dicke Tränchen kullerten über ihre zarte Haut. Behutsam hockte ich mich neben sie und hob sie hoch. Vorsichtig setzte ich sie auf meinen Oberschenkel. Der Duft eines Kleinkindes umgab mich jetzt. Erneut kam der Wunsch nach eigenen Kindern in mir auf, doch ich schluckte ihn runter, wie so viele Probleme in letzter Zeit. "Wer weint denn hier so bitterlich?" fragte ich leise und strich Lennja einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie verstummte kurz und sah mich mit großen Augen an. "Ich bin Florian und wer bist du?" Sie antwortete nicht. "Bist du Isabelle?" Keine Antwort. "Heißt du Rapunzel?" Mit einem verschmitzten Lächeln schüttelte sie den Kopf. "Wie heißt du denn? Lennja?" Sie nickte schüchtern und ich strich ihr sanft über den Kopf. Es schien tatsächlich nur der Schreck gewesen zu sein. Unsicher legte die Kleine ihren Kopf auf meine Schulter. Es fühlte sich schön an, jemand zu sein, der gebraucht wurde und den man ehrlich mochte. Ich nahm sie hoch und trug sie bis an die Tür zur Küche. "Mama!" rief Lennja und blickte ihrer Mutter wieder völlig aufgeweckt entgegen. Diana schaute auf und blickte erst etwas verwirrt drein. "Ihr scheint euch ja schon gut zu verstehen." lachte sie und nahm mir Lennja ab, die ihr erwartungsvoll die Arme entgegenstreckte. Den restlichen Tag verbrachten wir damit, über Gott und die Welt zu philosophieren und kopfschüttelnd über die Habgier der Presse zu reden. Nebenbei bespaßte ich Lennja, mit der ich mich immer besser verstand. Kurz vorm Abendbrot - zum Mittag hatten wir Nudeln gekocht - saß ich mir der Kleinen auf dem Teppich und spielte Autorennen. Sie stand total auf die ständigen Crashes, die ich in spektakuläre Rennen einbaute. Wenn sie so weiterlachte, würde sie noch vor dem Essen eingeschlafen sein. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Diana uns lächelnd zusah. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und lächelte zurück. Ein kurzer intensiver Blick riss mich aus der Gegenwart in einen Bann des Gefühlschaos. Schweren Mutes löste ich meinen Blick von Dianas glänzenden Augen. Mir ging es nach langer Zeit endlich mal wieder ganz gut. Diese Wohnung war ein Ort der Liebe, der Freundschaft und des grenzenlosen Vertrauens. Zum Abendessen wärmte Diana die restlichen Nudeln auf und schnitt etwas Gemüse zum Knabbern. Anschließend machte sie Lennja bettfertig und ich nutzte die Zeit, um mein Bett auf dem längeren der beiden Sofas herzurichten. Ich setzte mich und lehnte meinen Rücken an die weiche Decke. Neben mir ließ ich absichtlich etwas mehr Platz. Vielleicht wollte Diana sich ja zu mir setzen. Doch ich wäre ja nicht ich, wenn mein Plan aufgegangen wäre. Sie nahm schräg gegenüber Platz und sah mich erwartungsvoll an. Nun gut, es half ja alles nichts: "Du wolltst mir was erzählen? Was ist denn eigentlich los?" Sie seufzte. Offensichtlich hatte ich genau den richtigen Nerv getroffen. "Ach nichts. Ich wollte nur fragen, ob du schon an einem neuen Drehbuch arbeitest." Doch nicht. Perfekt! "Ich würde dir gern dabei helfen. Vielleicht können wir ja mal wieder was zusammen machen." In der Tat. Wir konnten gerne 'was zusammen machen'. "Ich kam noch nicht wirklich dazu. Aber vielleicht habe ich da schon eine Idee. Vertrau mir! Ich mach das schon." wimmelte ich meine ätzenden Gedanken und auch Dianas Tatendrang gefühllos ab. Wunderbar, Herr Fitz. Sie hatten weder einen Plan, noch das Recht auf Dianas Vertrauen.
"Ok. Ich weiß schon: Du kannst das alleine am allerbesten." Sie lächelte mich mit diesem unwiderstehlichen Blick an.
Ok, Timeout. Jetzt war alles zu spät. So viel Verantwortung auf einmal. Schön, dass mir jemand vertraute... Wenn ich es selbst gekonnt hätte.
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Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)
FanfictionBist du schon mal durch eine Stadt gelaufen, in der Hoffnung du würdest eine Person treffen? Du suchst nach jemand ganz bestimmten, dessen Leben du meinst in- und auswendig zu kennen, der dich aber vielleicht noch nie gesehen hat, der nicht einmal v...