Kapitel Neun - Alles ist nie genug.

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Die nächsten Tage versuchte ich mich hier etwas häuslich einzurichten. Mein "Hotel" war mehr eine Pension, wie ich schnell festgestellt hatte. Sie lag in einem kleinen Dorf an der Ostsee. Ich hatte gar nicht gewusst, was für schöne Orte es in Deutschland gab. Hier gab es nahezu nichts, aber trotzdem genug. Das Leben war ganz einfach, ohne viele materielle Werte. Doch schon in den ersten Tagen war mir die Besonderheit des zwischenmenschlichen Miteinanders klargeworden. Diese liebevolle Art spiegelte genau das wieder, was man von kleinen Dörfern kannte. Jeder war freundlich zu seinen Mitmenschen und es schien so, als gäbe es hier kein Misstrauen oder Verrat. Es ist schwer die Gefühle zu beschreiben, welche in dieser Zeit in mir einzogen. Hier war ich weit ab von all den irren Fans und weit weg von meinen Gefühlen. Ich versuchte, mir eine eigene kleine Welt aufzubauen, in die kein Problem der Erde je wieder einziehen durfte. Einfach war das nicht, denn schließlich konnte man Gefühle nicht einfach so abstellen. Aber ich würde sie nach und nach wieder einmal erfolgreich in die letzte Ecke meines ausgelaugten Körpers zurückdrängen. Der Anfang gelang mir ganz gut, doch an Diana musste ich immer noch denken. Allein der Umstand, dass sie mich um ein Drehbuch gebeten hatte, ließ mich ständig an sie denken. Ich wollte ihren Ansprüchen schlichtweg gerecht werden und gab mir alle Mühe, die Hauptrolle auf sie zu schreiben. Das Schreiben nahm sowieso immer so unheimlich viel Zeit und Nerven in Anspruch. Der Druck, den ich mir selbst machte, nahm mir diese Anspannung nicht gerade. Vielleicht war es doch nicht die allerbeste Idee gewesen, mir auch das noch aufzuladen. Was tat man nicht alles für die Liebe? Also, ich meine für gute Freunde. Also all die sehr, sehr guten Freunde. Manchmal reichte die einfach Freundschaft nicht mehr und wir versuchten mehr daraus zu machen. Die Frage war: Machten wir damit nicht mehr kaputt als wir erreichten? Ich würde es früher oder später hoffentlich merken. Wenn ich denn überhaupt mutig und stark genug wäre, das Drehbuch fertigzustelen. Die Dunkelheit in meinem Zimmer drohte mich zu erdrücken und nur das grell weiße Licht meines Laptops beleuchtete den Raum. Enttäuscht von der Leere in meinem Kopf schlug ich den Computer kraftvoll zu. Das Zimmer wurde in die vollendete Dunkelheit getaucht. Ich hatte keine Lust mehr auf dieses Rumgeliege und Nichtstun im Bett, auf der Couch oder an anderen Plätzen, die nur für eine kurze Zeit erträglich waren. Ich brauchte eine Aufgabe oder wenigstens einen klaren Kopf, in dem kein Gedankensalat meinen ganzen Rhythmus durcheinander bringen konnte. Spontan entschlossen schnappte ich mir meine Jacke und den Zimmerschlüssel (ja keine Schlüsselkarte, so klein war die Unterkunft, in der ich wohnte). Draußen war es ähnlich dunkel wie drinnen, nur ungefähr drei mal so kalt. Die perfekten Temperaturen, um einfach loszulassen und neue Kraft aus der Kälte zu schöpfen. Bis zu dem kleinen Strandabschnitt waren es nur wenige Fußminuten, die ich die wenigen Tage schon einige Male in Kauf genommen hatte. Schon allein der Weg zum Wasser gab mir eine unfassbare Freiheit. Freiheit von Bedrängungen, Freiheit von Unruhe. Einfach Freiheit von allem. Ich hatte das erste Mal wirklich das Gefühl, hier die Lösung für jedes einzelne Problem finden zu können. Ich brauchte nur Zeit. Zeit, Geduld und Ruhe. Und diese Dinge schienen mir hier in Massen zu Füßen zu liegen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Nach fünf Minuten, die mir überhaupt nicht so vorgekommen waren, spürte ich den körnigen Sand unter meinen Schuhen. Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich diese einfach davonschleudern und damit jegliche Last von mir werfen sollte. Aber wir wollten es ja mal nicht übertreiben mit dem Aufräumen des Lebens. Der ganze Strand war leer. Wer ging auch Ende Herbst bei dichtem Nebel am Strand spazieren? Ich atmete tief ein und ließ die Luft durch meinen ganzen Körper fließen. Heute war es verhältnismäßig windstill und die Wellen waren nicht allzu hoch. Verständlich. Langsam ging ich noch näher an das Wasser. Die Stille umgab mich und hüllte mich ein. Der Nebel versperrte die Sicht auf den Horizont. Angestrengt suchte ich vergeblich nach einem Licht. Wollte mich an etwas orientieren. Nicht ganz allein sein. Einen beweglichen Punkt finden, mit dem ich meine Ruhe ausgleichen konnte. Toll, dieser Widerspruch im Menschen. Nie konnte man sich entscheiden. Nie war etwas genug. Es reichte uns nichts. Nichts auf der Erde konnte den Menschen je zufrieden stellen. Super, dieser Planet. Das Einzige, was in diesem Irrenhaus noch helfen konnte, war, sich auf die Welt und ihre Macken einzulassen. Sich mit ihr zu arrangieren. Und ich glaube, ich war auf einem ganz guten Weg.

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Entschuldigt die Kürze des Kapitels. Aber ich wollte den kleinen Themenwechsel, der kommen soll, nicht hier noch reinschreiben. 😅 Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen. Über Feedback würde ich mich immer sehr freuen 😊

Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt