Das hier alles war zwar das Letzte, das ich überhaupt machen wollte. Aber in die Nummer hatte ich mich selbst hineingebracht, und die Suppe musste ich jetzt auch alleine auslöffeln. Trotzdem war ich mir sicher, dass das hier nicht mit rechten Dingen zuging. Ich schöpfte etwas Kraft aus meinen Gedanken und ging zu den Anderen. "Leute, können wir nicht mit einer anderen Szene anfangen? Das ist echt sehr plötzlich alles." entsetzte Blicke schauten mich an. Als hätte ich etwas gesagt, das Skandalpotential hatte. Als wäre es für sie selbstverständlich, dass ich Diana küsste. Aber das war es nicht. Es war alles andere als einfach, wenn man - so wie ich - schon seit Jahren in diesen Emotionen feststeckte und es selbst mit einer neuen Beziehung nicht schaffte, sich von Diana zu lösen. Das einzige Augenpaar, das mich nicht so eindringlich ansah und stattdessen eine intensive Beziehung zum Sandboden aufbaute, war das von Diana. "Wir hätten hier noch eine sehr lange Szene. Die wird uns mindestens bis zur Mittagspause aufhalten und war eigentlich für morgen geplant." ging der Aufnahmeleiter auf meine Bitte ein. Wieso plötzlich so freundlich? "Dann würde ich das ehrlich gesagt lieber zuerst drehen. Dann haben wir das lange Stück schon einmal weg." sagte ich mit einem aufgesetzten Lächeln, das meine schlechte Laune wohl unmissverständlich klar machte. Doch vor denen hielt ich es nicht für nötig, echtes Schauspiel einzusetzen. Die Szene war tatsächlich ein ziemlich leichter Einstieg. Wir wurden weit weg voneinander aufgestellt und mussten nur verschmitzt lachend aufeinander zugehen. Wie das klang. Verschmitzt. Als würde ich Diana gleich aufreißen wollen und sie von ihrem Ehemann trennen. Vielleicht nur eine harmlose Affäre, aber dieses verschmitzte Lächeln würde mich unter normalen Umständen mitten in ein fremdes Bett katapultieren. Die Zeit verflog schnell, denn ich war völlig fokussiert darauf, perfekt abzuliefern. Es sollte einfach schnell abends werden. Ich sollte mich mit Diana verbünden. Vielleicht wollte sie auch nicht hier sein. Es war unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. Bis zur Mittagspause hatte ich mich schon mal gerettet. Ein Rettungsboot mitten auf einer riesigen Welle, die auf den Strand zurollte. Zum Essen hatten die Verantwortlichen ein paar Bänke und Tische aufgestellt. Als ich mit einem kleinen Teller Suppe in der Hand ankam, war noch ein Tisch vollends frei. Warum in die Höhle der Löwen begeben, wenn ich auch allein, heimlich, still und leise mein Süppchen auslöffeln konnte? Ich nahm die dünne Suppe als Metapher für das Problem an, das ich gleich bewältigen würde. Ich löffelte lustlos in der Brühe herum. Plötzlich setzte sich jemand mir gegenüber auf die schmale Holzbank. Ohne Motivation und mit gefühlt halb geschlossenen Augen blickte ich auf und direkt in Dianas Gesicht. Mein Herz schlug schneller, meine Augen weiteten sich und ich hatte das Gefühl, plötzlich kerzengerade zu sitzen. Ein aufmutigendes, aber trotzdem verschlossenes Lächeln blickte mir entgegen. Ganz anders als vor ein paar Minuten beim Dreh. Tja, man merkte eben schon, wie leicht es war, sich etwas vorzuspielen. "Wie geht es Lennja?" fragte ich mit gesenktem Blick und hatte auch nicht vor wieder hochzugucken. War schon schön, wenn man etwas hatte, auf das man sich in einer unangenehmen Situation berufen konnte. "Gut." ihre knappe Antwort verblüffte mich nun doch etwas und ich blickte auf. Auch Diana starrte in ihre klare Suppe und als sie merkte, dass ich sie ansah, schaute sie nur zögerlich auf. Sie seufzte. "Ich wollte hier nicht hin. Die haben mir das aufgeschwatzt, klar? Wenn ich anders gekonnt hätte, wäre ich nicht zu dir an die Ostsee gefahren. Also nicht, dass du jetzt denkst, ich hätte vorher gewusste, dass du... also dass wir... Ich war vorhin auch nicht gerade begeistert. Aber ich komme hier nicht mehr raus. Ich habe schon alles versucht." sofort blickte sie wieder herunter. Zu viele Worte für die kurze Zeit. Aber warum war sie hier? Wegen Arne? Warum hatte sie Lennja mitgebracht? Ich wollte aber nicht noch mehr aus ihr rausholen. "Kenne ich." antwortete ich knapp und schaute wieder in meine Suppe. Das Zeug war flüssig wie Wasser und auch nicht gerade lecker, doch ich zwang mich dazu, sie weiterzuessen. Erst als nur noch der Tellerboden mit dem mit Fettaugen angereicherten Wasser bedeckt war, hielt ich es für aktzeptable, aufzuhören. Ich zeigte mir selbst damit, dass es sehr schwer werden würde, die Suppe auszulöffeln, die sich am gesamten Sandstrand noch immer anbahnte. Wie eine Welle, die immer und immer größer wurde und nur darauf wartete über mich einzubrechen. Das hier zu Ende zu bringen und heil daraus zu kommen, über die Welle an die Küste zu schwimmen, beides war zwar schwer aber nicht unmöglich. Ich warf Diana ein mittelmäßig aufmunterndes Lächeln zu, stand auf und entsorgte mein restliches Mittagessen. Alles Weitere ging ziemlich schnell und dann stand ich schon Diana gegenüber. Ihre zurechtgemachten, engelsgleichen Haare wehten in der leichten Frühlingsbrise und schimmerten in einer Art Gold. Sie war wunderschön. Auf das "Bitte." des Regisseuren trafen sich unsere Blicke. Mein Herz tat einen Sprung, als wir in unsere Rolle fielen. Zugegeben, ich war weniger in meiner Rolle als ich es nicht war, aber das würde schon gut gehen. Unsere Gesichter kamen sich immer näher und auf Anweisung von hinten schloss ich langsam meine Augen. Ich war nervöser als vor meinem allerersten Kuss. Sehr plötzlich und doch zärtlich langsam trafen ihre Lippen auf meine. Ein Gefühl, das ich seit Doctor's Diary nie wieder hatte erleben dürfen. Es fühlte sich echt an und doch wusste ich, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das "Danke, aus." uns wieder in die Realität schleudern würde. Ich würde hart auf den Boden knallen und würde noch viele Male dieses Gefühl aushalten müssen. Viele Takes, viele Küsse. Und von Mal zu Mal würde es schwieriger werden, professionell zu bleiben. Aber hey: Was wäre das Leben ohne Herausforderungen?
Ganz leicht: Sehr viel einfacher...
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Soll ich mal pusten? (Florian David Fitz FF)
FanfictionBist du schon mal durch eine Stadt gelaufen, in der Hoffnung du würdest eine Person treffen? Du suchst nach jemand ganz bestimmten, dessen Leben du meinst in- und auswendig zu kennen, der dich aber vielleicht noch nie gesehen hat, der nicht einmal v...