Kapitel 11

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"Sir, es gab einen Zwischenfall."
"Was für einen Zwischenfall?", murmelte der Wissenschaftler geistesabwesend, während er an seinem Anzug schraubte.
"Sie wurde von S.H.I.E.L.D. gefangen genommen."
"Kannst du dich in deren Kameras hacken? Ich will wissen ob meine Technologie funktioniert."
"Natürlich, Sir.", antwortete die KI und spielte wenig später auch schon das Video ab.
"Sie ist nicht in unseren Datenbanken verzeichnet. Genau genommen nirgends. Sie existiert nicht.", meinte Black Widow mit gerunzelter Stirn.
Lächelnd starrte das Mädchen die drei im Schneidersitz sitzend, mit immer noch am Rücken festgebunden Händen, von unten herauf an. Auch der Erfinder musste grinsen und war stolz auf sich selbst. Die technologische Maske, in der Form eines kleinen, sehr feinen, elektronischen, hautfarbenen Netzes, funktionierte perfekt. Keiner ihrer Gesichtszüge sah aus wie ihr eigener. Ihre Nase war spitzer und kleiner, ihre Lippen voller, ihre Augenbrauen buschiger, ihre Augen kleiner, ihr Gesicht wirkte allgemein kantiger. Auch ihre Augen waren dank Kontaktlinsen nun grün. Der Iron Man hatte es vorausgeahnt, dass S.H.I.E.L.D. seine Sicherheitsvideos überprüft und irgendwie an alle Informationen, die Tony Stark Alaska gegeben hatte, kommen würde.
Fury zog die Augenbrauen zusammen. "Das ist unmöglich. Irgendwo muss sie schließlich eingetragen sein. Wie lautet Ihr Name?"
Doch die Angesprochene zuckte nur grinsend mit den Schultern. Hawkeye meldete sich zu Wort: "Was ist unsere weitere Vorgangsweise, Sir?"
"Ich muss nachdenken.", meinte der Director, "Was genau haben Sie in dieser Lagerhalle gemacht? Wer war mit Ihnen dort?"
Stumm legte sich Archer auf den Rücken und wiegte sich leicht hin und her. Wenn sie ein Wort sagen würde, könnte ihr Freund sie noch an der Stimme erkennen. Sie verrenkte sich leicht, um die Handschellen über den Kopf halten zu können und diese zu betrachten, als Zeichen, dass das Mädchen gefesselt nicht reden würde.
"Agent Romanoff, machen Sie ihr die Handschellen ab. Nehmen Sie aber Ihren Elektroschocker mit.", meinte Fury augenverdrehend.
Kurz darauf hatte der Rotschopf schon die Fesseln gelöst und war schnell aus der Zelle verschwunden, welche wieder abgeschlossen wurde. Immer noch mit einem leichten Lächeln zog Alaska sich ihre rot-schwarze Maske über. Danach wurde ihr Gesichtsausdruck besorgt. Nun konnten die drei ihn schließlich nicht mehr sehen. Sie hatte Angst. Angst hier nie wieder herauszukommen. Angst in diesem engen Raum ihren letzten Atemzug zu verbringen. Angst, was Greene machen würde, während sie nichts tun konnte. Angst, im Notfall ihre schrecklichsten Mittel einsetzten zu müssen.

~

Stunden nachdem die drei S.H.I.E.L.D.-Angestellten erfolglos den Raum verlassen hatten, legte sich Alaska in das Bett um sich auszuruhen. Doch kurz nachdem ihre Augen zugefallen waren, hörte das Mädchen die Tür und spürte wenig später auch schon etwas Kaltes an ihren Handgelenken. "Sorry." Ein Elektroschock durchfuhr sie, als die breiten, metallenen, engen Armreifen sich schlossen. Viele, dünne Nadeln bohrten sich durch den Anzug, in ihre Haut. Ein lauter Schrei entfloh der Brünetten, während sie auf den Boden fiel und von dort aus, verschwommen Clints schuldbewussten Blick sah. Aus Reflex versuchte sie Wasser aufzuspüren, um es zu kontrollieren, was jedoch nur noch mehr Schmerzen verursachte. "W-Was hast du ge-getan?"
Als dieser abebbte, stand Archer ein wenig wacklig auf und wollte den Agent mit bloßen Händen fertig machen. Barton konnte jedoch problemlos ihre Faust aufhalten. Verwundert schlug sie nun auch mit der anderen Hand zu, doch diese nahm der Agent auch ganz locker in seine. Sofort wurde der jungen Frau schlecht, diese Dinge blockierten nicht nur ihre Kräfte, sondern schwächten sie allgemein. Sie war vollkommen wehrlos. Clint ließ ihre Hände los, wodurch sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Schritte näherten sich. Kurz danach stand Fury im Raum. "Versuchen Sie es nicht weiter. Sie verletzten sich nur selbst. Die Technologe wurde ursprünglich für den Hulk entwickelt. Die Nadeln, die sie wahrscheinlich gespürt haben, sondern Chemikalien ab, die sie schwächen. Wollen Sie nun mit uns sprechen?"
"Das können Sie vergessen.", knurrte das Mädchen angespannt, "Ich habe nichts getan und Sie?" Daraufhin bekam sie nach einem Knopfdruck von dem S.H.I.E.L.D. Boss einen Elektroschock, sprach jedoch trotzdem gepresst weiter: "Sie behandeln mich wie die schlimmste Verbrecherin, die es in diesem Universum gibt und erwarten dann, dass Sie auch nur irgendwelche Informationen bekommen? Vergessen Sie es. Das einzige, was Sie verursacht haben, ist dass ich wieder weiß, warum ich nie mit S.H.I.E.L.D. zusammenarbeiten werde. Gemeinsamer Feind hin oder her."
"Gemeinsamer Feind?", wiederholte Fury mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Alaska fluchte gedanklich vor sich hin, so viel zu keine Informationen.
"Was genau meinen Sie mit gemeinsamer Feind?", drängte der Director.
Als Archer jedoch kein weiteres Wort sagte, meinte Agent Barton: "Ich glaube, sie hat Recht, Sir. Wir brauchen etwas von ihr, dann sollten wir sie nicht so behandeln, so bringen wir sie nur noch mehr gegen uns auf."
"Sie wissen, wie viele Unschuldige sie auf dem Gewissen hat! Noch dazu, wie oft waren Sie verletzt wegen ihr?", fuhr sein Boss ihn an.
Das am Boden liegende Mädchen brachte nun keinen Ton mehr heraus, selbst wenn es gewollt hätte. Nahm S.H.I.E.L.D.'s Schoßhündchen sie gerade in Schutz?

~

Kraftlos lag die Brünette in ihrem Bett, ohne ihre Stoffmaske und starrte die Decke an, als sich die Tür öffnete. Der Geruch von Essen stieg ihr in die Nase, wodurch sie automatisch tief durchatmete. Sie hatte seit gestern nichts mehr gegessen, blieb jedoch trotzdem in derselben Position liegen.
"Wie kann es sein, dass du nicht in unserem Verzeichnis bist?", begann Clint zu sprechen, als er in ihre Zelle kam und das Tablett mit ihrem Mittagessen auf den kleinen Tisch stellte, "Ich meine, jeder ist dadrin. Und wie konntest du so lange leben, ohne Pass oder irgendwas? Was ist mit Schülerausweisen?"
Das Mädchen antwortete nicht, sondern genoss seine Verwirrtheit nur lächelnd.
"Ach, bevor ich es vergesse, hier ist frische Kleidung. Natash- ich meine Black Widow hat abgeschätzt, welche Größe du brauchst, also sollte es ungefähr passen. Sobald du willst, kannst du in das Badezimmer gehen, die Tür da.", sprach Hawkeye wie selbstverständlich, deutete auf die Tür neben dem Bett, dann setzte er sich auf einen Stuhl und beobachtete sie.
"Solltest du dich nicht rächen wollen?", murmelte das Mädchen mit leicht verstellter Stimme, da sie ihre Maske nicht anhatte.
Barton zuckte mit den Schultern. "Was würde das bringen? Du bist durch diese Dinger wehrlos. Es wäre ehrlos sich jetzt zu rächen. Meine Rache kommt noch. Aber nicht jetzt."
Archer nickte. Ja, so kannte sie den Mann. So und nicht anders. Einen kurzen Moment herrschte Stille, bis Clint gerade heraus fragte: "Wie alt warst du als du zu ihm gekommen bist?"
Nun setzte sie ihre Maske auf. "Ich weiß es nicht.", meinte sie, "Ich glaube jemand hat mir mal gesagt, dass ich 11 war."
"Das ist jung."
Das Mädchen nickte. "Genau genommen könnte man es als null bezeichnen. Er hat mein Gedächtnis gelöscht. Ich habe keine Ahnung von den ersten elf Jahren meines Lebens. Soweit ich mich erinnern kann, war ich immer bei ihm. An mir wurde experimentiert. An vielen anderen auch, aber es gab nur zwei Überlebende. Ich wurde ausgebildet, zu einer Killermaschiene.", murmelte sie vor sich hin.
"Weißt du,", sprach der Agent in Gedanken, "du erinnerst mich an eine gute Freundin von mir."
"Wie meinst du das?"
Als sich deren Blick traf, musste der Mann grinsen. "Deine Vergangenheit. Alles was ich davon erfahren habe, also empathielose S.H.I.E.L.D.-Berichte und das jetzt, ähnelt sehr der Geschichte einer guten Freundin von mir. Ich hatte damals den Auftrag sie zu töten.", grinsend lehnte er sich bei der Erinnerung zurück, "Wenn du kooperierst können wir dich sicher wie sie aufnehmen. Du könntest hier anfangen. In letzter Zeit versucht du doch sowieso Menschen zu helfen, auch wenn du mich einige Male vermöbelt hast. Meine beste Freundin war ziemlich verwundert, als ich Mitten in der Nacht verletzt vor ihrer Haustür gestanden bin.", nun lachten Beide leicht bei der Erinnerung, "An sie erinnerst du mich auch ein wenig. Ich vermisse die Kleine."
Lächelnd drehte Archer sich zu Clint. "Wenn du sie so vermisst, wieso bist du dann nicht bei ihr?"
Er seufzte. "Sie hatte Angst und ist geflüchtet. Ich glaube vor dir. Oder vor mir. Naja, je nachdem. Du solltest dir echt überlegen hier anzufangen. Dein ehemaliger Chef ist doch sowieso schon lange tot."
"Tot." wiederholte Alaska sarkastisch schnaubend, "Eure Informationen sind wohl doch nicht nur bei meinem Gesicht zweifelhaft."
"Was meinst du?"
Als das Mädchen sich wegdrehte und nicht mehr antwortete, wusste der Agent, dass weiter reden sinnlos wäre. "Ich komme später wieder und bring dir dein Abendessen. Wenn du etwas brauchst... wink' zur Kamera oder frag einen Agenten nach mir."
Clint stand auf und ging zur Tür. In dem Moment, als er durch den Ausgang gehen wollte, hörte er eine leise Stimme: "Warte!"
Sofort drehte er sich um und sah sie abwartend an.
"Kannst du mir vielleicht einen Block und einen Bleistift bringen?", meinte Archer fast schon schüchtern.
Lächelnd nickte der Agent, als er ging.
'Guter Bulle, böser Bulle. Das kann man noch nutzten.', dachte das Mädchen sich grinsend.

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