Kapitel 20

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Damon hat die Augen geschlossen und die Hände zu Fäusten geballt, während er sich nach wie vor im freien Fall befindet und jeden Moment einen Aufprall erwartet. Vorzugsweise im richtigen Jahr. Er weiß nicht, wie lange er fällt, doch es dauert einige Momente, bis er endlich mit einem dumpfen Laut auf einem-zugegebener Maßen ziemlich harten-Boden aufschlägt.

Er öffnet langsam die Augen und blinzelt einige Male, um sich an seine Umgebung zu gewöhnen. Er blickt direkt an die weiß gestrichene Decke eines Zimmers. Damon stützt sich auf seine Unterarme und schaut sich verwirrt um. Er befindet sich in der Mitte eines riesigen Raumes. Links und rechts von ihm sind Reihen von Bücherregalen und vor ihm erstreckt sich ein langer Gang, der zu einer im Vergleich zum Rest des Raumes ziemlich klein wirkenden Tür führt.  Eine Bibliothek. Besser gesagt die Bibliothek des Salvatore Anwesens.

Auch wenn man ihn nicht unbedingt für einen Bücherwurm halten würde, ist ihm dieses Zimmer ganz und gar nicht unbekannt. Er hatte tatsächlich sehr viel Zeit hier verbracht. Dies war der einzige Ort in der Villa, den man abschließen und der ihn somit vor den Wutanfällen seines Vaters bewahren konnte. Als er kleiner war, hatte er sich oft hier eingeschlossen und gelesen, manchmal eine Stunde, manchmal einen halben Tag, je nach dem, wie lange es dauerte, bis sich sein Vater wieder einigermaßen beruhigt hatte oder sein Bruder ihn überreden konnte den Raum zu verlassen.

Damon steht grinsend vom Boden auf. Er hat es geschafft. Er ist am richtigen Ort gelandet. Aber ist er auch im richtigen Jahr angekommen? Er geht zu einem der großen Fenster herüber und blickt hinaus, nur um von dem riesigen sich am Himmel abzeichnenden Vollmond geblendet zu werden. Vor ihm befinde sich nichts außer einem weiten Feld, was rechts und links von einigen Bäumen begrenzt wird. Man kann scheinbar endlos in die Ferne blicken, ohne ein Haus am Horizont zu erkennen.

Ein Zeichen, dass er auf jeden Fall mehr als hundert Jahre in die Vergangenheit gereist sein muss. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war diese Fläche vollständig bebaut wurden, da war Damon sich sicher. Dieses Bild hatte sich ihm schon Jahrzehnte lang nicht mehr geboten.

Allerdings ist das noch lange kein Beweis. Damon tritt vom Fenster weg und nimmt misstrauisch die qualvollen Schritte, die ihn von der verschlossenen Holztür trennen. Er weiß nicht, was er außerhalb dieses Raumes vorfinden wird und ist sich auch nicht sicher, ob er es wirklich herausfinden will. Aber er muss es herausfinden. Damon nimmt einen tiefen Atemzug und bricht dann das Türschloss auf.

Er öffnet die Tür und spät vorsichtig hinaus, nur um einen völlig lehren Gang vorzufinden. Zum Glück! Damon lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen und läuft so leise wie möglich durch das komplett im Dunkeln liegende Haus, auf der Suche nach…er hat keine Ahnung, irgendeinem Hinweis, dass er im richtigen Jahr gelandet ist?

Er will gerade die große Treppe, welche direkt zum Eingangsbereich führt, hinuntergehen, als er von einer aufgeregten Frauenstimme von seinem Vorhaben abgehalten wird.

„Hallo? Ist da jemand?“ Bevor Damon Zeit hat, auch nur darüber nachzudenken, sich zu verstecken, tritt Emily aus einem der Nebenzimmer. Verdammt. Warum hat er sie nicht eher wahrgenommen? Er ist immerhin ein Vampir und hätte ihre Anwesenheit längst spüren müssen!

„Emily…“ Mehr bringt Damon nicht heraus. Er mustert die Hexe vor sich unsicher. Emily sieht ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Erstaunen an, dann tritt Misstrauen auf ihre Züge. Sie stemmt die Hände in die Hüften und verengt ihre dunklen Augen zu feinen Schlitzen. Hat sie ihn etwa schon durchschaut? Existiert er in dieser Zeit überhaupt?  „Damon, ich hätte dich wirklich nicht so schnell zurück erwartet“, sagt sie schließlich.

„Mich nicht…ach nein?“ Damon schließt den Mund, als er bemerkt, dass er gerade nicht fähig ist in vollständigen Sätzen zu sprechen. Im Moment rauschen einfach zu viele Gedanken durch seinen Kopf. Emily hat ihn tatsächlich nicht durchschaut? Ok, das ist gut, nimmt er jedenfalls an.

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