Harald hatte sich gerade damit abgefunden, dass er wohl sein Leben für den Widerstand gegen die Imperialisten opfern würde, als das grässliche Wesen, das mit seinen abartigen Fingernägeln auf ihn einstechen wollte, zusammenbrach. Für einen Sekundenbruchteil freute er sich, dass er sich doch nicht opfern musste. Dann registrierte er, dass das Ding auf ihn drauffiel, und er war ein wenig verärgert, dass die Verzögerung seines Opfers wohl nur von sehr kurzer Dauer war.
Zuckend wälzte sich der besondere Handlanger auf Harald herum. Dann wälzte er sich so weit zur Seite, dass Harald wieder den Himmel sehen konnte.
Stöhnend rappelte er sich auf. Jemand hatte den Imperialisten getötet oder verletzt. Seine tapfere Meisterin vermutlich.
„Alles in Ordnung?", fragte jemand. Es war nicht seine Meisterin. Es war der andere Imperialist. In seiner Hand hielt er die seltsame Stange.
„Was wollen Sie denn?", stöhnte Harald.
„Och, ich hab dir gerade das Leben gerettet. Nur so nebenbei, ne?"
„Was?"
„Ich hab mit diesem Dings auf ihn gezielt, auf den, äh, BH."
Verwirrt sah Harald zu, wie sein bisheriges Weltbild kollabierte.
Horst trat einen Meter weiter zur nächsten Kuhle im Schnee, um sich Nithrendil anzusehen.
Im ersten Augenblick dachte Horst, dass diese Waffe tatsächlich über noch unglaublichere Kräfte verfügen musste. Sie hatte Nithrendil nicht nur irgendwelche furchtbaren Qualen erleiden lassen, sondern ihn auch noch etwa vierzig Jahre älter gemacht, seine Kleidung entfernt und ihm stattdessen einen langen Bart und Lumpen verpasst.
Das war nicht Nithrendil.
Der alte Mann zitterte ein wenig, kein Wunder angesichts der Kälte, schien aber ansonsten wohlauf. Er öffnete die Augen und starrte Horst an.
„Hallo!", krächzte er.
„Äh, hallo."
„Is was?"
„Nein. Also, eigentlich doch. Eben war hier Nithrendil, und jetzt liegen Sie hier."
„Aha. Hm." Der Alte schaute sich um. „Ich denke, ich frage mal lieber nicht, wo ich bin, das bringt eh nix. Auf jeden Fall bin ich da, wo was los ist, das ist klar."
„Ja. Äh. Wo kommen Sie denn her?"
Der Greis stapfte durch den Schnee. Nach einigen Metern seufzte er erleichtert und hob etwas auf. Das Buch.
„Da ist es ja, sehr gut. Sag mal, der Kerl, der hier vor mir lag, war der verletzt?"
„Ja. Ja, ich glaub schon."
„Hm, ja. Dann ergibt das Sinn."
„Echt?"
„Echt."
„Na dann."
Nachdenklich schaute der Alte auf das Buch.
„Ich hab fast vergessen, wie es von außen aussieht."
„Von außen?"
„Ja. Ich war da drin."
„Im Buch?"
„Pass auf, äh. Folgendes: Ich war, also, eigentlich bin ich noch, der Wächter des Buches. Bloß hat das Buch in letzter Zeit eher mich bewacht, hihi. Irgend so ein schlauer Kerl hat das Buch aufgestöbert und wollte das unbedingt haben. Er hat das ganze Haus in die Luft gejagt, meine Güte."
„Ach. Und hat er das Buch bekommen?"
„Ich denk mal schon. Sonst wären wir nicht hier, oder?"
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Horst Meier und die Stange des Schreckens
FantasyHorst lebt ein friedliches Leben in den Diensten des Stufenimperiums und koordiniert Flugpläne für Drachen. Aber weil es ziemlich langweilig wäre, nur über so ein friedliches Leben zu schreiben, gelangt Horst eines Tages zufällig an ein Buch, das sä...