Wen man befragen sollte, um an einigermaßen zuverlässige Informationen zu kommen (1/5)
Laute Musik erscholl in Martins Kopf, als er sich vom Teppich stürzte. Die ganze Zeit schon hatte er diese Melodie im Hinterkopf gehabt, sie hatte ihn ganz wuschig gemacht. Jetzt aber wurde sie geradezu unterträglich laut. Hier passiert gerade etwas absolut Wichtiges, Spektakuläres, Beeindruckendes!, schien sie zu schreien. Martin überlegte, ebenfalls zu schreien, um ein bisschen Druck abzulassen, aber sie sollten ja gerade unauffällig sein.
Gelang ihnen das?
Nein.
Der Fallschirm hatte sich vollständig entfaltet. Der alte Stoff zog einen Schweif aus Staub hinter sich her. Wie ein Komet, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen war. Unter ihnen befand sich gerade ein kleiner Marktplatz. Viele Leute zeigten mit den Fingern nach oben.
Horst überlegte, wo sie wohl landen würde. Der Wind wehte sie ein Stück treppauf. Igro hatte ihnen den Park dort hinten ans Herz gelegt, aber wehte der Wind stark genug? Na, vielleicht. Ansonsten... da waren ein paar Reihenhäuser. Auf einem Dach zu landen wäre nun wirklich auffällig. In einem Hinterhof würde sie aber mit Sicherheit auch irgendwer sehen. Ach, Mann.
Als Drachenpilot hatte er keine Angst vor der Höhe. Fallschirmsprünge hatten sie damals im Lager oft gemacht. Gelegentlich hörte er ein leichtes Ratschen, wenn ein Stück des alten Stoffs einriss. Trotzdem: Seiner Schätzung nach musste es locker bis zum Boden reichen. Da war dieser Teppich, auf dem Igro und Anna flogen, wesentlich beunruhigender.
Da oben flogen sie. Ihre Silhouetten konnte er noch erkennen. Sie saßen relativ dicht beieinander und düsten in Richtung der großen Drachenstation, ins Stadtzentrum.
Aus irgendeinem Grund wollte es Horst überhaupt nicht gefallen, dass sie so dasaßen. Warum auch immer. Tja, jetzt waren sie eh weg.
Und da war.. aaaaah, da war ein Dach, das auf ihn zuraste! Das war nicht gut. Ah, nein, er würde wohl doch im Hinterhof landen. Wo war Martin eigentlich? Er musste irgendwo hinter ihm landen, auf dem Dach vermutlich, aber als Horst den Kopf drehte, war der Alte nicht zu sehen.
Vor seiner Nase schwebte eine Reihe Dachziegel vorbei. Dann hatte er den Hinterhof erreicht. Er sah nach unten. Keiner da, gut.
Im engen Hof herrschte fast Windstille. Ganz langsam schwebte er abwärts. Wenn jetzt jemand aus dem Fenster sah... Da war auch schon eins, in der obersten Etage.
Mauer.
Erstes Fenster. Dunkel, nichts zu erkennen. Anscheinend niemand da.
Mauer.
Zweites Fenster. Vorhänge zugezogen. Nichts. Hier machten wohl gerade alle Mittagsschlaf. Oder sie arbeiteten.
Mauer.
Drittes Fenster. In einer schmutzigen Küche werkelte eine Frau am Herd und drehte ihm den Rücken zu.
Mauer.
Viertes Fenster. Vorhänge zu, dahinter aber flackerndes Licht.
Mauer.
Fünftes Fenster. Ein ordentliches Wohnzimmer, etwas abgewetzt. Ein bärtiger Greis im Schaukelstuhl, dem vor Schreck die Pfeife aus dem Mund fiel. Verwirrt rieb er sich die Augen und sah aus dem Fenster. Vielleicht würde er nachher denken, er habe nur geträumt.
Mauer.
Sechstes Fenster. Einfache Küche, zwei Kinder saßen am Tisch und aßen. Das Mädchen schaufelte die Suppe in sich hinein und schien dabei seinen eigenen, düsteren Gedanken nachzuhängen. Nicht hergucken, Kinder, brav weiteressen... zu spät, der Junge drehte den Kopf. Sein Mund formte ein O, dann trat helle Begeisterung auf sein Gesicht. Horst legte einen Finger auf den Mund. Bitte halt den Schnabel, Kurzer, bitte!
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Horst Meier und die Stange des Schreckens
FantasyHorst lebt ein friedliches Leben in den Diensten des Stufenimperiums und koordiniert Flugpläne für Drachen. Aber weil es ziemlich langweilig wäre, nur über so ein friedliches Leben zu schreiben, gelangt Horst eines Tages zufällig an ein Buch, das sä...