Im Gehöft gab es zwar einen Kamin, aber kein Feuerholz. In der Hoffnung, dass es dort wärmer war, setzte sich Horst in einen braunen, staubigen Sessel in der Ecke des Wohnzimmers. Früher einmal war es hier wohl ziemlich gemütlich gewesen, aber jetzt lagen Kälte und Staub über dem holzgetäfelten Raum.
„Wo ist denn jetzt das Holz?"
„Sie holt das irgendwo aus dem Keller."
„Und wo geht's in den Keller?"
„Ich weiß nicht. Äh."
„Du wohnst hier doch, oder?"
„Ja, aber... bist du jetzt beim Imperium oder nicht?"
„Weißt du, vielleicht solltest du nicht so in Extremen denken."
„Eine derartig ausweichende Antwort würde nur ein imperialistischer Spion geben."
Horst seufzte.
In einem anderen Sessel zitterte Martin vor sich hin. „Angespannt, die Atmosphäre ist total angespannt. Gleich passiert was!", murmelte er immer wieder."
„Sei doch bitte mal ruhig.", erwiderte Horst. „Wo ist denn eigentlich Komma?"
„Ich bin hier."
Ganz plötzlich trat Komma aus dem Nachbarzimmer.
„Ich habs gewusst.", grummelte Martin.
„Meisterin, da sind Sie ja, ich hab..."
„Was tust du hier mit dem Imperialisten?"
„Ich, ähm, also, der hat mir das Leben gerettet, und deswegen..."
„Deswegen ist er jetzt einer von uns?"
„Äh, keine Ahnung."
„Wo ist der Drache?", fragte Horst. Nur durch den Drachen konnte er hier möglichst schnell wegkommen, und genau das wollte er. Und außerdem - nicht auszudenken, was für Kosten auf ihn zukämen, wenn er den Drachen ersetzen müsste!
„Ein paar Dörfler haben ihn in die Scheune gesperrt. Ich glaube, sie wollen ihn morgen lynchen."
„Was?"
„Sie mögen keine Drachen. Du siehst, das ist definitiv keiner von uns. Er will sich mit dem Drachen aus dem Staub machen und uns verraten."
„Wenn Sie wollen, sage ich niemandem etwas, und dafür lassen Sie..."
„Schweig. Wo ist das Buch?"
„Hier!", krächzte Martin.
„Und wer ist das?"
„Ich passe auf das Buch auf."
„Das wäre mir neu. Als ich es aus der Eishöhle von Brr geholt habe, war niemand in der Nähe. Nur diese erbärmliche entstellte Kreatur."
„Ach, die Kreatur, die Sie so schnell in ihrem Wald aufgespürt hat? Die Kreatur, vor der Sie sich so erschrocken haben, dass Sie gleich abgehauen sind?"
„Sie muss meine Spuren sehr schnell verfolgt haben, als ich aus der Grotte gegangen bin. Ich hatte vor, aus dem Verborgenen einzugreifen, sobald die Situation kritisch wurde."
„Also, ich fand sie schon ganz schön kritisch."
„Das tut jetzt nichts zur Sache."
„Ja, und zwar weil ich das Ding umgelegt habe!"
„Mit dem Stock?"
„Genau."
„Gut. Nun gib mir den Stock und das Buch."
„Warum?"
„Wir werden sie sinnvoll einsetzen, um den Sieg zu erringen."
„Schön. Also, diesen Stock sollte am besten niemand benutzen. Und was das Buch angeht, das soll er entscheiden." Horst wies auf Martin.
„Gib mir das Buch!"
„Und was genau habt ihr damit vor?", fragte der Greis.
„Wir werden es sinnvoll einsetzen."
„Und wie sieht das sinnvolle Einsetzen jetzt konkret aus?"
„Zunächst werden wir versuchen, es zu entschlüsseln."
„Na, da bin ich ja mal gespannt."
„Wem willst du das Buch sonst geben? Herr Meier wird es sofort dem Imperium ausliefern."
„Würde ich nicht.", protestierte Horst.
„Ach nein?"
„Nein. Also, vielleicht, ich würde erst mal genau nachdenken."
„Und dann?", hakte Martin nach. „Was würden Sie denn machen, nachdem Sie es entschlüsselt haben?"
„Das geht dich nichts an."
„Also wissen Sie es auch nicht.", triumphierte Horst.
„Klappe, drakonistischer Abschaum."
„Also, mir reicht's. Soll doch er hier, entscheiden, was mit dem Buch passiert, der bewacht das ja. Ich verschwinde. Und ihr könnt mich nicht am Gehen hindern, ich habe nämlich die Stange!"
Seine Drohung schien zu funktionieren, aber das lag wohl auch daran, dass sich Komma um ein Problem nach dem anderen kümmern wollte. Bevor sie Horst wütend anfunkeln konnte, musste sie zuerst den Buchwächter wütend anfunkeln.
Also funkelte Komma den Buchwächter wütend an. Er hielt die Arme verschränkt und funkelte zurück.
DU LIEST GERADE
Horst Meier und die Stange des Schreckens
FantasíaHorst lebt ein friedliches Leben in den Diensten des Stufenimperiums und koordiniert Flugpläne für Drachen. Aber weil es ziemlich langweilig wäre, nur über so ein friedliches Leben zu schreiben, gelangt Horst eines Tages zufällig an ein Buch, das sä...