Ein dumpfer Schmerz hinter meinen Schläfen weckte mich und ich blinzelte benommen gegen die Helligkeit. Mein Mund fühlte sich ausgetrocknet an und ich schluckte angestrengt. Da kehrten die Erinnerungen schlagartig zurück und ich fuhr hoch. Weiße Wände füllten mein Blickfeld und ich musste kurz die Augen schließen. Langsam beruhigte mein rasender Puls sich und ich sah mich um. Der Raum war kahl und strahlend weiß. Selbst das Bett, auf dem ich lag. Alles weiß. Wo zum Teufel war ich? Und wichtiger: Wo war meine Mum? Plötzliche Panik durchfuhr mich und ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Vor lauter Schwung strauchelt ich gegen die Wand. Dann fiel mein Blick auf die Tür. Hoffnung schimmerte in mir auf und ich griff nach der Klinke, doch natürlich war sie verschlossen. Minutenlang zerrte ich wie wild an ihr herum, doch sie rührte sich nicht einen Millimeter. ,,Verdammt", flüsterte ich den Tränen nahe und ließ mich erschöpft zu Boden sinken. Der Gedanke an einem fremden Ort eingesperrt zu sein, ohne zu wissen weshalb, machte mir Angst. Außerdem machte ich mir schreckliche Sorgen um meine Mum. Hatten diese Männer sie auch mitgenommen? Und warum? Immer wieder das warum. Ich verstand es einfach nicht. Da knirschte es im Schloss und ich fuhr ruckartig hoch. Die Tür schwang auf und wieder einer dieser muskelbepackten Männer im schwarzen Anzug stand davor. ,,Komm mit. Du wirst erwartet." Seine Stimme klang ausdruckslos, genau wie der Rest seiner Erscheinung auch. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust.
,,Ich gehe nirgendwo hin. Erst will ich wissen, wo meine Mum ist und warum ich hier eingesperrt werde."
Er reagierte auf meine Fragen mit dem ungeduldigen Zucken seines Kiefers und packte mich blitzschnell am Arm. Ich hatte nicht einmal Zeit mich zu wehren. Mit festem Griff führte er mich durch weiße Flure mit haufenweise Türen. Das ganze erinnerte mich stark an ein Labor. Noch mehr dieser Anzugtypen liefen herum, aber auch Männer und Frauen in Kitteln. Mich schüttelte es. Wo zur Hölle war ich gelandet?
Mein Bewacher schob mich in einen weiteren Raum, in dessen Mitte an einem Schreibtisch eine Frau saß, die sich nun erhob. ,,James, Sie können jetzt gehen", befahl sie und der Mann nickte zackig. Es war nicht zu übersehen, wer hier das Sagen hatte. Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum und starrte die Frau an. Sie war hochgewachsen und schlank und ihre dunkelbraunen Haare waren zu einem strengen Knoten zusammengebunden. Ich schätzte sie auf Ende dreißig. Das dunkelblaue, knielange Kleid schmiegte sich eng an ihren perfekten Körper. Ich hatte noch nie eine so schöne Frau gesehen, wären da nicht ihre Augen. Wie eisige Smaragde funkelten sie und bohrten sich in meine. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus und ich musste den Blick senken. Das Klappern ihrer schwarzen, hochhackigen Schuhe dröhnte in meinen Ohren. ,,Hannah Windmear. Willkommen an der Academy for Elementarys. Ich bin Elara Frey, Direktorin dieser Akademie." Ihre Stimme klang freundlich, doch der Rest ihres Gesichts blieb kalt und ausdruckslos. Ich musste all meinen Mut zusammenkratzen, um den Mund zu öffnen.
,,Wo ist meine Mutter? Was haben Sie ihr angetan?" Die Direktorin verzog genervt den Mund und wedelte mit der Hand.
,,Es geht ihr den Umständen entsprechend, doch das ist jetzt nicht von Bedeutung."
,,Natürlich ist es das!", brauste ich auf, denn ihre Antwort hatte mich nicht beruhigt. Eher im Gegenteil.
,,Was zur Hölle geht hier eigentlich vor? Ich will endlich wissen, warum Sie mich aus heiterem Himmel haben entführen lassen! Das waren doch Sie, oder? Denn wie es scheint, hören diese Männer da draußen ja ganz genau auf Sie." Ich rang wütend nach Luft und gestikulierte wild mit den Armen. Wieder schien sich die Luft um mich herum zusammenzuziehen und der Blumentopf auf Elara Freys Schreibtisch zersprang klirrend in hundert Teile. Erschrocken wich ich zurück. Es war schon wieder passiert. Wie bei dem Mann zu Hause.
,,Setz dich", sagte Direktorin Frey unbeeindruckt und deutete auf einen weißen Sessel. Widerwillig gehorchte ich, noch zu verwirrt von meiner Tat.
,,Die Academy for Elementarys wurde erschaffen, um den Nachkommen der vier Götter der Essenzen zu helfen ihre Gaben zu kontrollieren und zu perfektionieren", begann sie, ihr strenger Blick war die ganze Zeit auf mich gerichtet, wodurch ich mich sehr klein fühlte. Doch von dem, was sie da von sich gab, verstand ich nur Bahnhof. Götter? Gaben?
,,Erde, Wasser, Luft und Feuer. Diese vier Elemente sind Teil unseres Lebens und einige von uns sind Besonders. Wir sind die Nachfahren eben dieser vier Götter. Wie du vielleicht bemerkt hast, besitzt du ebenfalls Kräfte. Luftkräfte, mit denen du, wie ich anmerken darf, einem meiner besten Wächter sämtliche Knochen gebrochen hast." Ihre grünen Augen wurden zu schmalen Schlitzen und ich schluckte. Der Mann, den ich an die Wand geworfen hatte ... er war fast tot. Und ich war eine Beinahe-Mörderin. Um das Zittern meiner Hände zu verbergen, klemmte ich sie zwischen die Beine und konzentrierte mich aufs Atmen.
,,Du bist hier, damit du lernst diese Kräfte zu beherrschen, denn dazu bist du eindeutig nicht in der Lage." Sie lächelte spöttisch. ,,Ab heute wirst du hier unterrichtet und gehörst zu den Elementarys. Alles weitere erhälst du nach dem Abendessen." Damit wandte die Direktorin sich ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Mein überforderter Kopf schien ewig zu brauchen ihr Gesagtes zu verarbeiten. Trotzdem blieb eine Frage.
,,Was hat meine Mum damit zu tun?"
Ruckartig drehte Elara Frey sich herum, ein verärgerte Zug lag um ihre perfekt geschwungenen Lippen. Ich zwang mich ihr direkt in die blitztenden Augen zu sehen.
,,Deine Mutter hat einige Fehler begangen, die es nicht wieder gutzumachen gilt. Einer davon war, dich vor uns zu verstecken. Sie wird hierbleiben und wenn du es auch nur in Erwägung ziehst etwas Dummes zu tun, dann wird sie dafür bezahlen müssen." Der kalte, bedrohliche Unterton in ihrer leiser Stimme war nicht zu überhören und ich biss mir auf die Lippen. Langsam aber sicher begann ich diese Frau zu verabscheuen und das musste etwas heißen, denn eigentlich gab ich nichts auf erste Eindrücke.
,,Du kannst jetzt gehen", riss Direktorin Freys ungeduldige Stimme mich aus den Gedanken. Abrupt stand ich auf und lief zur Tür. Ich spürte ihren kalten Blick im Rücken und musste mich zwingen nicht loszurennen. Wahrscheinlich hätte das keine Vorteile gebracht. Draußen atmete ich erst einmal tief durch und entdeckte dann - wie nicht anders zu erwarten - James, die Arme lässig über der breiten Brust gekreuzt, an der Wand lehnend. Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu, den er mit einem amüsierten Grinsen quittierte. Da ich keine Ahnung hatte, wohin ich nun sollte, blieb ich einfach stur stehen. Schließlich verdreht James die Augen und bedeutete mir zu folgen.
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Academy for Elementarys 1 - Verborgene Kräfte
Fantasy》„Hannah Windemear." Ich zuckte zusammen. Noch nie hatte sich mein Name so angehört, als würde ich mit Eiswasser übergossen werden.《 Nun ja, ich hatte auch noch nie jemandem mit Magie fast meine Tasche ins Gesicht geschleudert. Abgesehen davon, dass...