Kapitel 60 - Verraten

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Meine Tante und Derek fuhren herum.

„Oh, Gott, ich hatte schon Angst, euch wäre etwas passiert", stieß ich erleichtert hervor. „Wir müssen etwas unternehmen. Die Gorgonen haben schon fast unsere letzte Linie durchbrochen und Raven Dragoni ist wie vom Erdboden verschluckt!"

Die Direktorin, die in ihrem Kampfanzug und den, von einem unsichtbaren Wind getragenen Haaren, aussah wie eine Göttin, blickte mich aus entschlossen funkelnden Augen an.

„Wir werden das Hauptgebäude aufgeben und uns vor der Bibliothek neu sammeln", erklärte sie knapp und drehte sich halb zu Derek um, der bisher nur stumm dagestanden hatte.

„Sie werden Hannah begleiten", befahl sie und blinzelte plötzlich verwirrt. Erschrocken bemerkte ich, wie ihr Gesicht von einer Sekunde auf die nächste aschfahl wurde und sie sich hilfesuchend gegen den Schreibtisch lehnte.

„Elara?", fragte ich vorsichtig, als mir schlagartig die Symptome klar wurden. Jemand entzog ihr die Magie!

Ich wirbelte herum und keuchte auf. Mit bösartig blitzenden Augen stand Raven Dragoni in der Tür, seine Hände auf Elara gerichtet, die sich mit verzerrtem Gesicht aufrichtete.

„Derek! Wir müssen ihn aufhalten!", brüllte ich meinen Kampflehrer an und sprang auf Raven zu.

„Halt sie mir vom Leib!", dröhnte da die Stimme des Gorgonenanführers durch den Raum und bevor ich reagieren konnte, versperrte Derek mir den Weg zu Raven.

„Derek, was tun Sie da?", rief ich irritiert.

„Dich aufhalten", erwiderte er kalt und alle Freundlichkeit war aus seinem Gesicht gewichen.

Für einen Augenblick war ich wie erstarrt. Verrat, Verzweiflung und Angst. Das war alles, was ich fühlte und ich konnte die Gefühle nicht kontrollieren. Der Mann, dem ich so vertraute hatte. Er hatte mich – er hatte uns alle – hintergangen.

Und da erschien mir alles vollkommen klar. Es war Raven Dragoni nie darum gegangen, nur die Akademie zu überfallen. Der Angriff war reine Ablenkung, um meiner Tante ihre Macht zu stehlen und er hatte es schon einmal versucht. In dem Klassenzimmer nachdem ich Ava Finley angeschrien hatte. Bloß, dass sie sich damals gegen seinen Einfluss gewehrt hatte, aber nun war Raven zu stark und Derek war die ganze Zeit über sein Spion gewesen. Alles ergab nun einen Sinn. Wieso Derek fast bei jedem Unfall als erster zur Stelle gewesen war und warum außer einigen Ausnahmen, nur Schüler sowie Lehrer mit den Elementen Feuer und Erde überfallen worden waren. Raven brauchte sie, um stärker als meine Tante zu werden. James' Misstrauen gegen diesen Mann war von Anfang an gerechtfertigt gewesen.

„Nein", hauchte ich und riss mein Schwert hoch, um es Derek in den Leib zu rammen, doch er war schneller und wehrte meinen wuterfüllten Schlag ab, während Raven seelenruhig an uns vorbeimarschierte.

Verzweifelt packte ich mein Schwert fester und griff Derek erneut an. Ich musste Raven aufhalten. Um jeden Preis, aber zuerst war der Kampflehrer dran.

Klirrend krachten unsere Klingen aufeinander und der Schlag erschütterte meine Knochen. Meine Haut prickelte und das magietypische Knistern erfüllte mein Bewusstsein. Die Kraft in mir verlangte danach, freigelassen zu werden und ich konnte dem Druck nicht standhalten, so heftig beherrschten meine Gefühle meine Handlungen. Der Windstoß riss Derek von den Füßen und schleuderte ihn gegen die Wand. Er sackte stöhnend zu Boden, sein Schwert rutschte unter Elaras Schreibtisch.

Ohne ihm weiter Beachtung zu schenken wirbelte ich herum.

Meine Tante kämpfte angestrengt gegen Raven Dragonis Magie an und schleuderte ihm eine so kräftige Böe entgegen, dass es jeden anderen einige hundert Meter weitgeworfen hätte, doch er schien im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Boden verwachsen zu sein.

Der Wind raubte mir kurzzeitig den Atem und ich schnappte nach Luft, während die Fenster klirrend zu Bruch gingen und loses Papier durch den Raum gewirbelt wurde.

„Elara!", schrie ich durch das Rauschen des Windes und bemühte mich, zu ihr und Raven zu gelangen.

Aber meine Tante schien mich überhaupt nicht zu hören. Mit aller Macht wehrte sie sich gegen Raven Dragoni und ihre braunen Haare wirbelten wild um ihren Kopf. Jetzt erinnerte sie mich mit ihren leuchtend grünen Augen tatsächlich an eine Göttin, doch Erschöpfung zeichnete ihre Züge, denn die Magie verlangte ihren Preis.

Und dann, als ich halbwegs nah an Raven Dragoni herangekommen war, wandte er mir den Kopf zu, musterte mich abschätzend aus seinen unheimlichen, blutroten Augen und auf einmal loderte vor meiner Nase eine Feuerwand auf, die mir den Weg versperrte. Erschrocken stolperte ich zurück und hielt mir einen Arm vor das Gesicht. Mein Puls schoss in die Höhe und ich suchte nach einem Schlupfloch. Doch es gab keines. Die Flammen schlossen mich ein und ich konnte nichts dagegen tun. Die Hitze lähmte meine Gedanken und langsam, aber sicher begann ich, panisch zu werden.

Draußen kämpften meine Freunde gegen Ravens Gefolge und hatten keinen blassen Schimmer, was sich hier für eine Katastrophe heranbahnte.

„Elara, ich hoffe, du verzeihst mein Eindringen, aber ich stehe kurz vor meinem Ziel und werde mich nicht aufhalten lassen. Weder von dir noch von einem deiner Schüler", sagte Raven Dragoni und kam der Direktorin immer näher, die drohend die Augen zusammenkniff, jedoch nicht zurückwich.

„Das letzte, was mir noch fehlt, ist deine Magie. Und ich werde sie bekommen."

„Niemals", fauchte Elara eisig und riss die Hände in die Luft. Wasser formte sich blitzschnell zu einer Kugel und mit einer Geste ließ sie es gefrieren.

In meinem Feuerkreis gefangen, musste ich zusehen, wie Elara das Eisgeschoss auf Raven schleuderte und dieser es einfach in der Luft schmelzen ließ.

Angst wallte mir wie Säure in der Kehle hoch und ich biss mir vor Anspannung auf die Lippe. Wenn doch nur Will hier wäre. Zusammen hätten wir vielleicht die Macht, Raven Dragoni aufzuhalten.

Schweiß rann mir inzwischen in Bächen über die Stirn, während ich versuchte, meine Kraft zu nutzen, um das Feuer zum Erlöschen zu bringen, doch vergeblich. Immer, wenn es nur noch leicht flackerte, machte der Anführer der Gorgonen eine Handbewegung und sofort schossen die grellen Flammen mit neuer Kraft in die Höhe.

Das ständige Anwenden der Magie, forderte auch bei mir seinen Preis und ich merkte, wie ich schwächer wurde.

„Nein, nein, nein", stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte erneut, die Kraft in meinem Inneren zu wecken, doch das sonst so kraftvolle Pulsieren blieb aus. Dafür begann meine Haut plötzlich heftig zu kribbeln und augenblicklich riss ich den Kopf hoch.

Den Ursprung der Magie auszumachen, war nicht schwierig. Der Boden unter meinen Füßen erzitterte, wie bei einem Erdbeben und ich hatte meine Mühe, nicht in die Flammen zu stolpern. Doch Elara verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen ihren Schreibtisch. Dies war der Moment, auf den Raven Dragoni gewartet hatte. Sofort streckte er seine Hände nach ihr aus und schloss die unheimlichen Augen.

Das elektrische Knistern auf meiner Haut wurde immer stärker und ich sank auf die Knie. Keuchend schnappte ich nach Luft.

Ein hauchdünner, strahlender Lichtstrahl tauchte vor meinen Augen auf und da wusste ich, dass es die Magie meiner Tante sein musste.

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt