Kapitel 19 - Ashley in Aktion

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Zu meiner Überraschung erschien Mara tatsächlich zum Abendessen, obwohl ich verstanden hätte, wenn sie auf ihrem Zimmer geblieben wäre. Sie redete und lachte, als wäre überhaupt nichts geschehen und wüsste ich nicht, wie es wirklich um sie stände, dann hätte ich ihr das Verhalten abgenommen. So wie Ethan und alle anderen auch. Ich machte mir eben Sorgen um sie und konnte mich nur zu einem gezwungenen Lächeln durchringen, als Ethan einen seiner Witze vom Stapel ließ.

Als ich am nächsten Morgen nach ihr sehen wollte, riss sie schwungvoll ihre Zimmertür auf.

„Hey, Hannah, ich habe nicht viel Zeit. Gleich ist Kampftraining. Du weißt schon ... wegen der Sache mit der verschwundenen Magie." Sie wirbelte ihr Schwert herum und grinste verschmitzt.

„Wie könnte ich das vergessen", murmelte ich mehr zu mir und bewunderte insgeheim, wie schnell sie über den Vorfall hinwegzukommen schien. Von Flora bekam man nur ein niedergeschlagenes Häufchen Elend zu Gesicht und es wurden die wildesten Spekulationen darüber verbreitet. Von einer Trennung mit einem Jungen über einen Todesfall in der Familie war alles vertreten und wurde hübsch ausgeschmückt, bis es eine dramatische Geschichte ergab.

„Bis später! Wir sehen uns!", rief Mara und lief an mir vorbei.

„Ja, bis später." Seufzend blickte ich ihr hinterher. Dann würde ich mich mal um meine Aufsätze kümmern.

Und so verbrachte ich den restlichen Sonntag in der Bibliothek, vergrub meine Nase in Büchern und betrieb einen Schreibmarathon bis meine rechte Hand zu schmerzen begann. Dummer Weise schweiften meine Gedanken dabei entweder zu Mara oder zu Flora oder - zu meiner besonderen Verärgerung - zu Will. Es war wie verhext und so kam es, dass ich schließlich Wörter aufschrieb, die überhaupt nicht in den Kontext gehörten, sodass ich zum wiederholten Mal den Tintenkiller zücken musste. Mein Blatt sah aus wie gewaschen.

Doch bis zum Abendessen hatte ich es dann tatsächlich geschafft, alle Hausaufgaben zu erledigen und zwar ohne gewisse Wörter.
Eigentlich hatte ich mir für den Abend vorgenommen, endlich die Akte meines Vaters durchzugehen, was ich wegen Maras Unfall völlig vergessen hatte, doch kaum lag ich im Bett, fielen mir vor Müdigkeit die Augen zu.

In der darauffolgenden Woche hatte ich das Gefühl, überhaupt keine Zeit mehr für mich zu haben und auch Mara bekam ich nur noch im Unterricht zu Gesicht, weil sie jede Minute mit Kampfunterricht verbrachte.
Mein so ziemlich einziger Lichtblick war Will, der sich beim Essen plötzlich an unseren Tisch setzte. Meistens unterhielt er sich nur mit Ethan, warf mir jedoch ab und an einen prüfenden Blick zu, der mir das Blut in die Wangen schießen ließ. Dazu kamen dann noch die neidischen Blicke Ashleys, die ebenfalls ein Auge auf Will geworfen hatte. So schön diese dreißig Minuten des Essens auch waren, so niederschmetternd waren die weiteren Fälle von Magieverlust. Innerhalb von wenigen Tagen verloren acht Elementarys ihre Kräfte. Sowohl Lehrer als auch Schüler und immer nach dem gleichen Muster. Derek war einer der ersten, der die Betroffenen fand und in den Krankenflügel brachte, um danach die Direktorin zu informieren. Ich wusste davon nur durch Mara Bescheid, die mir jedes Mal erzählte, wer alles neu beim Kampftraining war.

Jedes Mal, wenn wir während des Unterrichts im Buch arbeiteten, starrte die Direktorin gedankenverloren und mit düsterer Miene aus dem Fenster. Ich wartete nur auf den Tag, an dem sie endlich bekannt machen würde, was hier los war. Doch er kam nicht und die Spekulationen nahmen überhand, bis die Stimmung so aufgeheizt war, dass das Abendessen am Freitag eskalierte. Die Lehrer waren noch nicht eingetroffen und alles begann - wie sollte es anders sein - mit Ashley. Lautstark und verächtlich äußerte sie sich über den zusätzlichen Kampfunterricht, den einige bekamen, die wechselnden Lehrer, vor allem in den Fächern der Magiebeherrschung und schließlich ging sie soweit, Direktorin Frey zu unterstellen, sie hätte die Akademie nicht mehr unter Kontrolle. Daraufhin brach Tumult aus, der sich soweit zuspitzte, dass Ashley Flora herausforderte, die in einem plötzlichen Anfall von Wut die Direktorin in Schutz nahm.

„Genau, Flora", höhnte Ashley. „Nichts anderes hätte ich von dir erwartet. Schließlich gehörst du ja auch zu der Truppe."

„Halt die Klappe, Ashley!", zischte Flora mutig. „Aus deinem Mund kommen nichts als Lügen und Verleumdungen." Daraufhin wurde es unheimlich still im Saal und ich biss mir auf die Lippe. Ganz schlecht. Ganz, ganz, ganz schlecht. Ich konnte förmlich mit ansehen, wie Ashley vor Zorn rot anlief, dann die Hände zu Fäusten ballte und bedrohlich auf Flora zuging.

„Wie kannst du es wagen!" Ruckartig riss sie die Arme hoch und mir stockte der Atem. Die Magie kribbelte auf meiner Haut wie lauter Ameisen und die Zeit schien sich zu verlangsamen. Ein Wasserstrahl schoss auf Flora zu, die erschrocken die Augen aufriss.

„Sofort aufhören!", hallte plötzlich die scharfe Stimme der Direktorin durch die Halle und das Wasser gefror in der Luft zu Eis, sirrte durch den Raum und wurde von Direktorin Frey aufgefangen. Ashley zuckte zusammen und ich atmete erleichtert auf. Mit vor Wut blitzenden Augen marschierte sie auf Ashley zu und ich war heilfroh nicht Ziel ihres Zornes zu sein. Magie umgab sie knisternd, während ihr eisiger Blick die Tochter des AFE-Leiters durchbohrte.

„Ashley Hampton", sagte sie bedrohlich leise und ich schauderte. „Du kommst sofort in mein Büro." Damit fegte sie aus der Tür.

„Wow", machte Ethan. „So habe ich sie echt noch nie erlebt."

„Wen? Die Direktorin oder Ashley?" wollte Mara wissen.

„Die Direktorin. Von Ashley ist man sowas ja gewöhnt."

„Da hast du wohl recht."
Ich schnaubte.

„Obwohl das sogar für sie schon recht heftig war." Und da sollte man sich wirklich Gedanken machen. Ich hoffte bloß, dass die Direktorin endlich etwas unternahm.

Das tat sie wirklich. Am Samstag während des Frühstücks, bei dem Ashley übrigens besonders mürrisch dreinschaute, bat Direktorin Frey um Ruhe und erhob sich elegant von ihrem Stuhl.

„Der Vorfall gestern hat mir gezeigt, dass es Zeit ist, ein paar Dinge klarzustellen", begann sie. „Das zusätzliche Kampftraining für einige unter euch hat einen Grund. Einen Grund, der ernste Konsequenzen für diese Schüler mit sich getragen hat. Sie haben ihre Magie verloren und lernen nun intensiver, sich auch ohne sie zu verteidigen."

Im Saal wurde nach Luft geschnappt und Gemurmel setzte ein, das die Direktorin jedoch im Keim erstickte.

„Ich verlange, dass jeder von euch aufmerksam ist und jede unbekannte Person oder Sonstiges unverzüglich gemeldet wird und ich betone noch einmal: Magie gegen andere an dieser Akademie einzusetzen, ist strengstens Untersagt." Ihre Augen funkelten hart und ich hatte das Gefühl, Ashley zöge ihren Kopf ein klein wenig ein. Also musste Direktorin Frey ihr gestern ordentlich was erzählt haben. Hoffentlich hatte das ihr Selbstwertgefühl leicht gesenkt.

„Solche Auseinandersetzungen will ich nicht wieder erleben", fügte die Direktorin hinzu und schien jeden im Saal eindringlich zu mustern.

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt