Kapitel 35 - Plötzlich Nichte

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„Bei meinen Recherchen bin ich auf einige interessante Zusammenhänge gestoßen. Sie wuchsen seit Ihrem ersten Lebensjahr bei Adoptiveltern auf, nicht wahr?"

„Wenn Sie meine Akte gelesen haben, dann müsste man davon ausgehen, Sie wüssten das", entgegnete die Direktorin frostig.

„Ja, allerdings. Aber wissen Sie auch, wieso?"

„Was soll dieses Ratespielchen? Rücken Sie jetzt mit Ihren ach so interessanten Zusammenhängen raus oder ich gehe. Ich bin nämlich müde und bin es leid, Sie ansehen zu müssen", fauchte Direktorin Frey gereizt und ich verstand ihren Ärger.
Der AFE-Leiter verzog nicht einmal ansatzweise das Gesicht und fuhr fort.

„Ihre leibliche Mutter starb, als Sie gerade ein Jahr alt waren. Deswegen kamen Sie zu Pflegeeltern, ebenfalls Elementarys. Ihr leiblicher Vater starb noch vor Ihrer Geburt. Er wurde bei einem Kampf getötet. Hier." Er öffnete auf einem der Computer eine Bilddatei und projizierte sie auf die weiße Wand. Das lächelnde Gesicht einer jungen Frau mit tiefblauen Augen und gewellten braunen Haaren schaute mich an, daneben ein Mann mit grünen Augen und dunkelblondem Haar. Mir stockte der Atem, denn die blauen Augen der Frau erinnerten mich stark an meine und die meiner Mum, während die des Mannes eindeutig zu Direktorin Frey gehörten.

„Wie Sie sehen, haben Sie die Haarfarbe von Ihrer Mutter und die Augen von Ihrem Vater. Aber weiter im Text. Nach Ihrer Geburt lernte Ihre Mutter einen neuen Mann kennen." Blake Hampton drückte eine Taste und ein weiteres Bild öffnete sich. Diesmal erkannte ich einen Mann mit braunen Augen und blonden Locken.
„Sie wurde erneut schwanger. Mit Helen Windemear." In der Sekunde, als er diese Worte aussprach, klappte meine Kinnlade herunter und ich begriff. Ich schielte zu Direktorin Frey, um zu sehen, ob sie ebenfalls verstanden hatte.

„Nein", stieß sie hervor und schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich."

„Aber so ist es. Sie und Mrs. Windemear sind Halbschwestern. So wie Ihr Vater, starb auch der Vater von Helen im Kampf und Ihre Mutter gab Helen zu Pflegeeltern, kurz nachdem sie geboren worden war, wo sie auch deren Namen annahm. Unwissend voneinander sind Sie und ihre Schwester aufgewachsen und haben sich erst hier auf der Akademie kennengelernt. Mein Vater war zu Ihrer Zeit Lehrer und erzählte mir, dass Sie beide vom ersten Moment an unzertrennlich gewesen waren."

„Sie lügen!", fuhr die Direktorin den AFE-Leiter an und ich spürte, wie aufgewühlt sie war. Magie flirrte um ihren Körper und ließ ihre Haare knistern. Ich selbst musste diese Neuigkeit erst einmal verdauen, denn wenn die Direktorin und meine Mum Schwestern waren, dann war Elara Frey meine Tante.

„Nein, hierbei können Sie mir ausnahmsweise mal glauben", antwortete Blake Hampton ruhig und schmunzelte leicht, was mich völlig verwirrte.
Ruckartig stieß Direktorin Frey sich von dem Tisch ab, an dem sie gerade noch gelehnt hatte und fuhr sich durch die Haare. Ihre Augen huschten unruhig umher, sie wirkte fahl im Licht der Lampen und atmete angestrengt.

„Schwestern", hauchte sie fassungslos und sank erschöpft auf einen der Stühle nieder. In diesem Moment tat sie mir furchtbar leid.

„Sieht so aus, als wären Sie dann meine Tante", meinte ich und schnaubte belustigt.

„Ja", erwiderte sie noch immer entgeistert und lachte auf. Unsere Müdigkeit verzerrte diese Tatsache ins Lächerliche und ich prustete los.

„Sie sollten beide zurück zur Akademie gehen und sich ausruhen. Wir werden es aussehen lassen, als ständen Sie noch immer unter Verdacht, die Beweislage hätte sich aber geändert", sagte Blake Hampton und brachte uns zurück ins Hauptgebäude. Kaum hatte der AFE-Leiter sich verabschiedet, flammte das große Licht der Eingangshalle auf und meine Mum stürmte in ihrem Morgenmantel auf uns zu.

„Elara! Hannah!", rief sie erleichtert, wobei mich ein mahnender Blick streifte. Sie umarmte mich fest.

„Darüber reden wir noch, Fräulein", flüsterte sie mir ins Ohr. „Aber jetzt ab ins Bett." Ich nickte müde und löste mich aus ihrer liebevollen Umarmung. Dann drehte ich mich zu meiner Direktorin – pardon – zu meiner Tante um und stellte zu meiner Überraschung fest, dass sie neben ihrer Erschöpfung unglaublich unsicher aussah. Fast so, als wüsste sie nicht, wie sie sich meiner Mum gegenüber nun verhalten sollte.

„Was ist passiert?", wollte meine Mutter wissen, doch die Direktorin wehrte ab.

„Helen, nicht jetzt. Ich bin müde und ... muss allein sein."

„Schon gut", antwortete meine Mum sanft und deutete dann auf den Bluterguss. „Den solltest du untersuchen lassen."

„Ja", murmelte Elara und rieb sich die Stirn.

„Gute Nacht, Mum", gähnte ich. „Gute Nacht, Tantchen." Der Satz rutschte einfach so aus mir heraus und ich hätte mich ohrfeigen können.

„Oh verdammt", fluchte ich, während Elaras Blick mich wie ein vergifteter Pfeil traf, meine Mum mich verwirrt und entsetzt anstarrte und ich mir wünschte, die Zeit zurückdrehen zu können. Aber jetzt war es zu spät.

„Elara, was soll das heißen?", wandte meine Mutter sich an die Direktorin und ihre Stimme zitterte.

„Sind wir ...?", setzte sie an und verstummte.

„Wir sind Schwestern", brachte Elara hervor und ihre bis dahin angespannte Haltung sackte in sich zusammen. „Halbschwester", schob sie noch hinterher.

„Aber wie?"

„Es ... es ist kompliziert."

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt