Kapitel 42 - Besiegt

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Nach dem Mittagessen suchte ich James auf. Wir waren zu unserem Training verabredet und ich fand ihn wie immer auf der Wiese hinter der Turnhalle.

„Wollen wir?", fragte ich und schwang mein Schwert locker in der Hand.

„Klar", erwiderte er und ging in Angriffshaltung über. Ich tat es ihm gleich, fixierte ihn eindringlich und wartete auf seinen Angriff. Schnell wie eine Schlange schoss er auf mich zu und obwohl ich darauf vorbereitet gewesen war, überrumpelte mich seine Geschwindigkeit jedes Mal aufs Neue. Gerade noch so wich ich zur Seite aus und blockte seinen Schlag. Bisher hatte ich noch keinen einzigen Kampf gegen ihn gewonnen, doch ich beschloss, dass sich das ändern musste, auch wenn ich dabei ein wenig tricksen würde.

„Konzentration, Hannah", befahl James und vollführte eine atemberaubend rasante Drehung, wobei er mir fast die Beine unter dem Körper wegzog.

„Das sagt sich so leicht, wenn man gerade erfahren hat, dass Elara schwanger ist", stieß ich hervor und rettete mein Gleichgewicht mit einem kleinen Sprung.

„Sie hat es dir erzählt?" James klang ein wenig überrascht und ich nutzte seine dadurch verursachte, winzige Lücke in der Deckung.

„Ja, das hat sie." Der Wächter schien meinem Blick gefolgt zu sein und sein Schwert krachte gegen meines. Der Ruck ließ meinen Arm erzittern und ich biss die Zähne zusammen. Schweiß klebte mir im Nacken und der enge Kampfanzug saugte die Feuchtigkeit meiner Haut auf.

„Was war eigentlich mit ihr los? Im Büro?", wollte James wissen, während er versuchte, mir mit gezielten Schlägen mein Schwert zu entwinden.

Ich umklammerte den Griff krampfhaft und tänzelte zur Seite.

„Ihr ist von der Lasagne übel geworden. Eigentlich mehr von ihrem Geruch."

„Oh", machte er, täuschte einen Angriff nach links vor, bevor er blitzschnell nach rechts ausschlug.

„Ja, oh", keuchte ich. Inzwischen begann meine Schulter vor Anstrengung zu brennen und wenn ich jetzt nicht aufpasste, hatte ich schon wieder verloren.

Ich duckte mich unter einem weiteren seiner Schwerthiebe und wich leichtfüßig zur Seite aus, während mein Blick den Wächter vor mir fixierte. Konzentriert kniff ich die Augen zusammen und analysierte so schnell wie möglich jede auch so kleine seiner Bewegungen, die mir verrieten, was er als nächstes tun würde.

„Du solltest ihr einen Heiratsantrag machen?", schlug ich vor und hoffte, dass die Frage in so überrumpelte, dass er seine Deckung vernachlässigen oder einen Fehler machen würde.

„Wie bitte?", fragte er verdutzt und schlug zu.

Ich blockte seinen kraftvollen Hieb mehr schlecht als recht ab und tänzelte um ihn herum.

„Heiratsantrag machen", stieß ich hervor und entwand ihm schließlich mit einer schnellen, gezielten Abfolge von Schlägen seine Waffe.

Dumpf fiel das Schwert auf die Wiese und ich erlaubte mir ein kleines, triumphierendes Lächeln, während ich nach Luft rang.

„Gewonnen!"

James schien gar nicht zu interessieren, dass er gerade von mir besiegt worden war, sondern wirkte nachdenklich.

„Meinst du das ernst?", richtete er sich an mich und hob sein Schwert auf.

„Na ja, eigentlich wollte ich dich damit nur ablenken, aber wieso nicht", entgegnete ich spontan. „Ich meine, du liebst sie und sie dich und ihr bekommt ein Kind. Besser geht es doch gar nicht."

„Hm. Gut gekämpft übrigens", lobte er mich. „Bis auf die Ablenkung." Jetzt blitzte es amüsiert in seinen Augen und ich grinste.

Auf dem Weg zurück in mein Zimmer wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und krempelte die Ärmel meines Kampfanzuges nach oben.

„Na, du Kämpferin", meinte eine mir nur allzu bekannte Stimme und dann umarmte Will mich von hinten.

Hastig machte ich mich los und er sah mich verdutzt an.

„Ich bin völlig durchgeschwitzt", erklärte ich und deutete auf mein Gesicht, das von der Anstrengung bestimmt noch gerötet war.

„Und du glaubst, das stört mich?"

„Ähm, keine Ahnung."

„Na siehst du." Er verzog seine Lippen zu einem schelmischen Grinsen und ich schmolz dahin.

„Wenn du mir einen Kuss gibst, darfst du dich umziehen gehen."

„Und wenn nicht?"

„Dann werden wir wohl noch eine Weile hier stehen." Er machte einen Schritt auf mich zu.

„Pass auf, ich habe hier ein Schwert", warnte ich ihn mit gespieltem Ernst und hob leicht meine Klinge. Seine Augenbrauen wanderten herausfordernd in die Höhe.

„Ich hoffe, du weißt, dass ich das nur für die Dusche tue", scherzte ich, ließ das Schwert fallen und legte ihm meine Arme um den Hals.

„Das weiß ich zu schätzen." Bei seinem übereifrigen Tonfall lachte ich auf, bevor ich meine Lippen sanft auf seine legte. Sofort zog er mich enger an sich und erwiderte den Kuss fest. Eine angenehme Wärme flutete durch meine Adern und die hatte garantiert nichts mit der Anstrengung des Trainings zu tun hatte. Ich verlor mich ganz in der Berührung seines Mundes auf meinem, bis – ja bis – James' Stimme uns auseinanderfahren ließ.

„Wer sollte hier wem einen Heiratsantrag machen?"

„James!", rief ich peinlich berührt aus und warf dem grinsenden Wächter einen bösen Blick zu, doch der war schon an uns vorbei gelaufen.

„Heiratsantrag?", wiederholte Will verwirrt und sah mich neugierig an.

„Vergiss es", wehrte ich mit brennenden Wangen ab und bückte mich nach meinem Schwert, bevor er weitere Fragen stellen konnte.

„Ich gehe dann mal."

„Hey, hey, hey, nicht ablenken", widersprach Will und hielt mich am Arm fest. „Was hat der Wächter gemeint?"

„Nicht so wichtig. Das war nur ein kleiner Spaß zwischen uns."

„Aha", machte mein Freund und seine Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. „Wer ist denn seine Glückliche?"

Innerlich verfluchte ich mich aufs übelste. Was sollte ich denn jetzt machen? Will anlügen oder Elaras zweitgrößtes Geheimnis verraten? Keine leichte Entscheidung.

„Das ... das kann ich dir nicht sagen", wich ich aus, doch er schien aus meinem Zögern die Antwort bereits zu erraten.

„Es ist die Direktorin. Deine Tante."

„Nein", versuchte ich es zu leugnen, aber es war aussichtslos, also änderte ich meinen Plan. „Ja, okay, die beiden sind zusammen, aber halt bloß die Klappe, denn wenn sie herausfindet, dass du es weißt, dann kann es passieren, dass sie dich einfriert oder Schlimmeres. Ich habe das nicht einmal Mara erzählt."

„Ich werde schweigen wie ein Grab", versprach er und hob wie zum Schwur die rechte Hand, was mich erneut zum Lachen brachte.

„Ich meine es ernst."

„Ich hab's verstanden", versicherte er.

„Das will ich auch hoffen, denn sonst ..." Ich fuhr mir mit einer dramatischen Geste über den Hals. Will verdrehte amüsiert die Augen.


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