Kapitel 30 - Undercoveragent

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Die nächsten fünf Wochen kamen mir vor wie im Rausch. Nach weiteren Fällen von Magieverlust und hitzigen Diskussionen auf der Lehrerkonferenz – wie meine Mum es beschrieb – forderte Direktorin Frey von Blake Hampton Hilfe. Es musste sie jede Menge Mühe gekostet haben, dem schleimigen AFE-Leiter zu gestehen, dass sie nicht mehr weiter wusste. Der wiederum gab sich freundlich und zuvorkommend und nur wenige Tage später wimmelte es an der Akademie nur so vor Agenten in dunklen Anzügen und grimmigen Gesichtern. Überall lief man ihnen über den Weg und selbst im Unterricht stand immer mindestens einer im hinteren Teil des Raumes. Es war zum Fürchten.


Was die Sache mit Maras Filmriss anging, tappten wir weiterhin im Dunkeln. Dafür war Wills Anblick jeden Tag ein Lichtblick und seine Küsse eine Möglichkeit, die Realität für ein paar Minuten zu verlassen.

Derek hatte nach dem Kampf mit James eine Verwarnung erhalten, seine Stelle jedoch nicht verloren. Der Wächter war schon wenige Stunden, nachdem er geheilt worden war, wieder auf den Beinen gewesen und hatte sich von Direktorin etliche unschöne Dinge an den Kopf werfen lassen müssen. Inzwischen schienen die beiden sich aber wieder vertragen und die Sache mit Derek unter den Tisch gekehrt zu haben, auch wenn der Wächter dem Kampflehrer weiterhin mit verstecktem Misstrauen begegnete.

Kurz nachdem die Agenten der AFE die Akademie bevölkert hatten, tauchte sogar Blake Hampton höchstpersönlich auf, richtete sich ein Büro im Hauptgebäude ein und begann Befragungen durchzuführen. Er nahm sich jeden Schüler und jeden Lehrer genauestens unter die Lupe und schon bald machten Gerüchte die Runde, er vermute den Täter hier. Als jemanden aus der Akademie. Daraufhin schien die Direktorin es bitter zu bereuen, ihn um Hilfe gebeten zu haben, konnte den Mann aber nicht mehr vor die Tür setzen. Immerhin opferte der seine wertvolle Arbeitszeit für uns. Meine Befragung glich eher einem Verhör. So kam es mir jedenfalls vor.

„Hannah Windemear, richtig?", fragte er und musterte mich aus hinterlistig blitzenden Augen.

„Ja", erwiderte ich einfach nur und wartete auf die nächste Frage.

„Dein Element?"

„Luft."

„Ausschließlich?"

„Ja."
Daraufhin machte er sich eine Notiz, bevor er die Befragung fortsetzte.

„Du bist seit einem halben Jahr an der Akademie und wusstest bis zu diesem Zeitpunkt nichts von deinen Kräften?"

„Ja."

„Hat deine Mutter dir von deinem Vater erzählt?"

„Ein bisschen, aber eigentlich so gut wie gar nichts." Und plötzlich überfiel mich das unbändige Verlangen, endlich mehr über ihn zu erfahren.

„Was wissen Sie von ihm?", fragte ich mutig und entschlossen, nicht nachzugeben, bis ich eine ordentliche Antwort bekam.
An seinem Blick erkannte ich sofort, dass ihm die Frage missfiel.

„Ich weiß, dass Sie etwas wissen. Die Anspielungen beim Fest der Elemente waren ja wohl eindeutig", setzte ich noch hinterher und klemmte meine Hände vor Nervosität zwischen meine Knie.

„Bitte."
Ich ging wirklich nicht davon aus, dass er meinem Flehen nachgeben würde, aber nach einigen endlosen Minuten begann er tatsächlich zu reden.

„Jake war Agent der AFE. Ich ließ ihn in Raven Dragonis Gruppe einschleusen. Die Mission war streng geheim und außer mir und zwei weiteren Männern wusste niemand davon. Es gelang ihm über Jahre hinweg, uns Informationen zukommen zulassen, die äußerst hilfreich waren. Mit der Zeit wurden die Berichte spärlicher, da dein Vater sich zu Ravens engstem Vertrauten hochgearbeitet hatte und es zu riskant gewesen wäre, öfter zu verschwinden. Ich sammelte alle Informationen von ihm in einer gefälschten Akte. Dann kam es zu dem Kampf zwischen den Gorgonen und den anderen Elementarys. Während des Kampfes wechselte dein Vater die Seite, denn er war nicht in der Lage, seine eigenen Leute töten. Daraufhin wurde Raven unglaublich wütend und schwor, ihn zu jagen und zu töten. Ein Jahr lang schaffte er es unterzutauchen, bevor die Gorgonen ihn aufspürten und umbrachten."

Ich schwieg. Endlich hatte ich die Gewissheit, dass mein Vater nicht böse gewesen war. Trotzdem machte die Erzählung des AFE-Leiters mich unsagbar traurig. Ich mochte meinen Vater nicht kennen und doch empfand ich einen gewissen Schmerz in meinem Herzen, der nur für ihn bestimmt war.

„Danke", flüsterte ich und meinte es auch wirklich so.

„Gut, dann könne wir ja jetzt fortfahren." Die bedrückte Stimmung verflog bei Mr. Hamptons harschen Worten schlagartig, doch konzentrieren konnte ich mich so gut wie nicht mehr. Seine weiteren Fragen gingen in meine Ohren hinein und sogleich wieder hinaus. Ich beantwortete sie eher nebenbei und war unendlich erleichtert, als ich endlich entlassen war.
Am Abend desselben Tages erzählte ich meiner Mum, was ich erfahren hatte und wir weinten gemeinsam um den Mann, der für das Gute gestorben war.

Gegen Anfang März schien es immer noch keine neuen Erkenntnisse zu geben. Zumindest ließ Blake Hampton nichts durchsickern und verweigerte sogar der Direktorin eine Aussage.
Den einzigen Vorteil, den die Anwesenheit der Agenten brachte war die Tatsache, dass die Überfälle mit Magieverlust abnahmen und die angespannte Stimmung sowohl zwischen den Schülern, als auch den Lehrern schwand. Einzig allein die Laune der Direktorin besserte sich nicht. Sie schien die Anwesenheit der AFE – vorrangig jedoch die des Leiters – nur noch mit finsterer Miene ertragen zu können und ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.  

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt