„Zur Tür", befahl Will, packte meinen Arm und zog mich hinter sich her. Aber noch bevor wir den Ausgang erreichten, wurde die Tür aufgerissen und bewaffnete Agenten strömten herein. Allesamt mit einem Blick, bei dem man glauben könnte, die Welt gehe unter. Keine Sekunde zu früh, gingen wir hinter einem Regal in Deckung. Mein Atem beschleunigte sich und Adrenalin pumpte durch meine Adern. Hinter mir hörte ich Mara leise fluchen. Noch immer hielt Will meinen Arm fest umschlungen und die Hitze seiner Hände übertrug sich auf meinen Arm.
„Durchsucht den ganzen Raum!", schallte der harte Befehl eines Agenten durch das Schrillen zu uns hinüber und ich machte mich noch kleiner. Im Gegensatz zu Will, der um die Ecke spähte.
„Wenn ich „los" sage, dann lauft ihr, so schnell ihr könnt. Dreht euch auf keinen Fall um und bleibt erst stehen, wenn ihr den Hörsaal erreicht habt."
„Und du?", wollte Mara wissen.
„Ich komme dann nach."
Eigentlich wollte ich protestieren, doch da sprang er schon auf.
„Los!"
Ich reagierte mit einer Sekunde Verzögerung, in der ich ihm in die eisblauen Augen starrte. Dann rannte ich zum Ausgang, während um uns herum Hektik herrschte. Noch immer Kreischte der Alarm, doch außer meinem eigenen Atem hörte ich nicht viel. Ich packte die Klinke der Tür und für einen Moment glaubte ich, sie sei verschlossen, doch dann schwang sie auf und Mara und ich stolperten in den Flur. Auch hier herrschte reger Betrieb und niemand bemerkte uns. So unauffällig wie es nur ging, rannten wir den Gang entlang zum Hörsaal. Außer Atem erreichten wir unser Ziel und entdeckten unsere Gruppe, als sie gerade von Agent McCord mit ernstem Gesicht nach draußen geführt wurde. Die Tür öffnete sich, Mara und ich duckten uns und als der letzte den Saal verlassen hatte, schlossen wir uns der Gruppe an, als seien wir nie weggewesen. Ich versuchte, meinen schnellen Atem zu verbergen und schob meine Hand in die Hosentasche mit meinem Handy. Diese Informationen, die ich nun mit mir herumtrug, durfte niemand je zu Gesicht bekommen.
„Leute, es tut mir echt leid, aber wir müssen den Rundgang vorzeitig abbrechen, ihr hört ja warum!", versuchte Derek sich Gehör zu verschaffen. „Wir werden das Gebäude durch den Notausgang verlassen. Bleibt bitte zusammen." Gemurmel erfüllte die Luft, als wir schließlich ins Freie traten. Die winterliche Sonne strahlte hell von einem blauen Himmel und die Stille, als das Schrillen der Sirene verstummte, war eine Wohltat für meine Ohren. Dann blickte ich mich suchend nach Will um. Ob er es geschafft hatte? Ich konnte mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er immer noch da drin war und vielleicht sogar erwischt wurde.
„Suchst du mich etwa?"
Zum wiederholten Mal an diesem Tag schrak ich zusammen und fuhr herum.
„Kannst du das gefälligst lassen?"
„Was denn?" Er grinste schelmisch.
„Dich immer so anzuschleichen!" Ich spürte den Ärger in mir deutlich, der jedoch sogleich von Erleichterung verdrängt wurde, als ich sah, dass Will unbeschadet zu sein schien.
„Haben sie dich gesehen?", fragte ich leise und er schüttelte den Kopf.
„Dann Danke."
Schweigen senkte sich über uns und wurde zu unangenehmer Stille, sodass ich schließlich den Blick senkte und mich wegdrehen wollte.
„Gern geschehen", antwortete Will und als ich mit pochendem Herzen wieder aufblickte, war er bereits nicht mehr da. Dafür aber ein Prickeln auf meiner Haut, das ich augenblicklich mit dem unguten Gefühl am Tag des Festes in Verbindung brachte. Ich schauderte und versuchte, den Ursprung der Magie auszumachen. Doch außer meiner Klasse, die wie wild darüber spekulierte, wer oder was im Archiv den Alarm ausgelöst haben könnte und Derek, der telefonierte, konnte ich nichts und niemanden entdecken, das verdächtig wirkte. Aber das Prickeln ließ nicht nach, sondern breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Ich schlank die Arm um meinen Oberkörper und kuschelte mich enger in meine warme Winterjacke. Vielleicht bildete ich mir dieses Gefühl auch nur ein und es war einfach der kalte Wind, der mich schaudern ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass Mara gar nicht mehr an meiner Seite stand. Wo war sie hin?
„Mara?", rief ich und entdeckte sie ein wenig abseits. Ihr Gesicht war blass und sie schien seltsam abwesend zu sein.
„Mara?"
Mit gerunzelter Stirn stellte ich mich vor sie und musterte sie besorgt.
„Hey, alles okay?"
„Mir ist schlecht", war das einzige, was sie hervorbrachte, bevor sie einfach in sich zusammensackte. Ich war nicht schnell genug und zu erschüttert, um sie aufzufangen und so schlug sie mit einem dumpfen Geräusch auf dem kalten Steinboden auf.
„Oh Gott, Mara!"
Ich ließ mich neben sie auf die Knie sinken und versuchte nachzudenken, aber mein Kopf war auf einmal wie leergefegt. Meine Freundin so zu sehen, versetzte mir einen Stich. Sie erinnerte mich erschreckend an Flora und plötzlich kam mir ein Gedanke. Was, wenn sie ebenfalls keine Magie mehr besaß? Nein. Ich verbot mir, daran auch nur im Geringsten zu denken und wandte meinen Kopf.
„Derek!", brüllte ich und alle anderen drehten sich ebenfalls um. Dann ging das Getuschel und Gemurmel von neuem los. Der Kampflehrer steckte sein Handy weg und drängte sich durch die anderen Schüler zu uns durch.
„Was ist passiert?"
„Sie ist einfach umgekippt."
Meine Stimme klang viel höher als sonst und ich biss mir auf die Lippen.
„Mara, hey", sagte der Kampflehrer fest und gab meiner Freundin einen leichten Klaps auf die Wange, der tatsächlich etwas bewirkte. Blinzelnd schlug Mara die Augen auf und ächzte leise. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich atmete auf.
„Derek!", schallte wieder eine Stimme zu uns hinüber und gleichzeitig rissen wir die Köpfe herum. Durch das Gewusel aus Beinen erkannte ich eine weitere reglose Gestalt am Boden und schnappte erschrocken nach Luft. Es war Mr. Greyham.
„Verdammter Mist!", fluchte Derek und sprang auf, während er mir noch etwas zurief: „Kümmere dich um Mara."
Das hätte er mir jetzt nicht zu sagen brauchen, denn genau das und nichts anderes hätte ich getan.
„Wie geht es dir?", fragte ich sanft und half meiner Freundin, sich aufzusetzen. Sie verzog das Gesicht.
„So oder so ähnlich muss Flora sich gefühlt haben und ich kann ihre Meinung nur teilen. Es ist echt nicht schön."
Trotz meiner Sorge musste ich lachen, doch sofort hatte ich wieder die Stimme im Kopf, die mir sagte, dass Flora keine Magie mehr besaß.
„Mara, ich hatte dir doch das mit Flora und ihrer Magie erzählt", begann ich zögernd. Meine Freundin nickte, dann verfinsterte sich ihr Gesicht schlagartig und sie schluckte.
„Glaubst du ... ich habe auch keine Kräfte mehr?"
„Ich ... ich weiß es nicht. Versuch es, wenn wir wieder in der Akademie sind und du dich ein bisschen ausgeruht hast."
„Du hast recht, aber was, wenn es wirklich so sein sollte?"
Darauf konnte ich nur hilflos mit den Schultern zucken. Mara wirkte trotz dieser schlechten Aussichten verwundernd ruhig. Aber das würde sich spätestens dann ändern, wenn sie Gewissheit bekam. Mir graute es jetzt schon davor. Natürlich würde ich meine Freundin unterstützen, wo ich nur konnte, doch der Verlust einer Kraft, die von Geburt an ein Teil ihres Lebens war, würde mehr als nur Schokoladeneis und Filme benötigen, um darüber hinwegzukommen. Wenn das überhaupt möglich war. Ich unterdrückte ein niedergeschlagenes Seufzen und richtete mich auf.
„Komm." Helfend reichte ich Mara meine Hand und zog sie auf die Füße.
„Danke."
Da sie noch ein bisschen blass um die Nase war, hakte ich mich kurzer Hand bei ihr unter und gemeinsam liefen wir zu unserem Kampflehrer, der sich um seinen Kollegen kümmerte. Auch Mr. Greyham war wieder bei Bewusstsein, doch er sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, die noch saurer war als sonst. Offensichtlich war es ihm peinlich, vor allen Schülern umgekippt zu sein.
„Mara! Alles okay?", fragte Ethan aufgeregt und musterte sie von oben bis unten.
„Es geht mir gut", besänftigte sie unseren Freund, der hektisch seine Brille zu putzen begann.
„Wirklich?"
„Ja, wirklich."
„Das will ich auch hoffen."
„Na klar."
„Leute! Der Bus ist da!", unterbrach Derek ihre Wortschlacht und sofort rannten alle auf unsere Mitfahrgelegenheit zu. Mara und ich schlenderten gelassen hinterher.
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Academy for Elementarys 1 - Verborgene Kräfte
Fantasy》„Hannah Windemear." Ich zuckte zusammen. Noch nie hatte sich mein Name so angehört, als würde ich mit Eiswasser übergossen werden.《 Nun ja, ich hatte auch noch nie jemandem mit Magie fast meine Tasche ins Gesicht geschleudert. Abgesehen davon, dass...