Weihnachtsgeschenke und der erste Tag im Waisenhaus

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Durch ein lautes Klopfen an der wackeligen Tür wurde uns von Mrs. Cole „fröhlich" signalisiert, dass wir in zehn Minuten beim Frühstück erscheinen mussten. Ich hatte diese Nacht kein Bisschen geschlafen. Ständig hatte irgendein Kind geweint oder geschrien und das „Bett" war auch mehr als unbequem.

Tom war die Zustände hier wohl schon mehr als gewöhnt, denn er wachte soeben auf. Mit zerzausten Harren richtete er sich auf und blickte sich um. Es wirkte fast so, als wusste er nicht wo wir waren, oder er wollte es einfach nicht wahrhaben.

Nun wanderten seine Augen zu mir und sein Blick wurde sanfter, oder bildete ich mir das nur ein?

„Guten Morgen Tom!", wünschte ich ihm so fröhlich, wie es nur ging.

„Morgen.", grummelte er zur Antwort.

Seine Stimme war tiefer und rauchiger als sonst, was wohl daran lag, dass er grade erst wach geworden war.

„Wir sollten uns fertig machen.", stellte er in einem sachlichen Ton fest.

Mit einem Nicken meinerseits stand ich auf und verließ den Raum auf der Suche nach dem Bad. Ich erinnerte mich vage daran, dass ich gestern, als wir angekommen waren, ein Bad in der Nähe der Treppen gesehen hatte.

Ich lief also den langen dunklen Flur entlang. Vorbei an vielen Türen, hinter denen sich wahrscheinlich genauso kleine Zimmer verbargen, wie das von Tom. Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, hier aufwachsen zu müssen.

Keine Menschenseele begegnete mir auf meinem Weg ins Badezimmer. Wahrscheinlich waren schon alle beim Frühstück.

Als ich endlich an meinem Ziel ankam, war ich erstmal geschockt. Das „Bad" war so groß wie eine Besenkammer und es befanden sich grade mal ein schief hängender, zerbrochener Spiegel und ein kleines, dreckiges Waschbecken darin. Es gab kein Fenster. Licht schenkte nur eine flackernde Glühbirne. Und dieses Bad mussten sich alle hier teilen?

Fassungslos über die Zustände hier, machte ich mich fertig und auf den Weg nach unten. Tom war schon da. Das Speisezimmer war ein etwas größerer Raum mit zwei Tischen darin. Ein sehr langer Tisch in der Mitte und ein kleinerer am anderen Ende des Zimmers.

An letztgenanntem saß Tom alleine. Er tat mir irgendwie leid.

Während ich auf ihn zuging, schaute ich mich im Raum um. Kahle Wände, dreckige Fenster, dunkler Fußboden. Die Kinder spiegelten das wider. Alle waren still und ohne Leben in ihren schmalen Gesichtern. Sie blickten sich nicht mal an. Mrs. Cole beobachtete mich hingegen misstrauisch. Was hatte ich ihr bloß getan?

Als ich mich zu Tom setzte, blickte er mich nur stumm an. Ich lächelte nur kurz und widmete mich meinem Essen. Naja, jedenfalls bezeichnete man es hier als Essen. In der Schüssel die vor mir stand, befand sich irgendein komischer Brei, der bei diesem Licht schon fast grau wirkte. Er roch nach gar nichts und schmeckte schrecklich. Unmerklich verzog ich mein Gesicht, doch Tom hatte es genau beobachtet. Er schmunzelte. Wie konnte man an so einem Ort nur richtig lächeln?

„Das ist Haferbrei.", erklärte mir Tom gerade.

Ja Haferbrei, vermutlich aus dem Jahr 1810. So schmeckte er jedenfalls.

„Wie schafft du es, den zu essen?", fragte ich ihn mehr als neugierig.

„Ich halte mir einfach vor Augen, dass wir bis morgen Früh nichts mehr zu essen bekommen und ich esse lieber das als hungrig zu sein."

Mit diesen Worten widmete er sich wieder seinem ekelhaften Schleim.

War das die Wahrheit? Bekamen wir hier nur einmal am Tag Nahrung? Das konnte doch nicht ihr ernst sein. Aber wenn es stimmte, sollte ich wirklich etwas essen.

Eine völlig andere Welt (Tom Riddle/Oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt