Kaum hatte ich die Haustür unseres Wohnhauses hinter mir zugezogen, ließ mich die kalte Nachtluft aufschaudern. Sofort zog ich den Reißverschluss meiner Jacke bis zum letzten Punkt zu, und wickelte mir meinen Schal um meinen Hals, in welchem ich versuchte mein Gesicht zu verstecken, da es mir nicht gerade wohl bei der Sache war, um kurz vor Mitternacht durch die dunklen Straßen Hamburgs zu gehen, um dann auch noch in einem gruseligen Park auf eine...gruselige Person zu treffen. Ob gruselig zu ihm passte, konnte ich eigentlich nicht genau sagen, doch vielleicht hätte ich ihn eher als ungewöhnlich abgestempelt, hätte ich im Voraus schon das ein oder andere Foto mit einer seiner seltsamen...Verkleidungen gesehen. Ich wusste, dass man keine großartigen Vorurteile gegenüber Menschen haben sollte, aber wenn man mal ehrlich war, waren seine Outfits mit Vogelfedern und seinen Latexstiefeln, die bis über die Knie gingen, schon ein wenig...anders, weswegen man doch eine mehr oder weniger andere Vorstellung von ihm hatte, als von seinem Zwillingsbruder; wobei der auch eine Liga für sich war, denn normal sah der auch nicht aus. Aber immer noch normaler als sein Bruder.
Fast schon total in meinen Gedanken versunken und ein wenig schmunzelnd über eben diese Outfits von Bill, bemerkte ich gar nicht, dass vor mir schon der Treffpunkt lag, der für heute um Mitternacht vorgesehen war. Seltsamerweise stieg in mir die Aufregung und die Nervosität, gleich einem Menschen gegenüber zu stehen, den ich hasste und den ich eigentlich nie wieder in meinem Leben wiedersehen wollte, rasant. Szenen von früher gingen mir durch den Kopf und dieses ungute Gefühl in meinem Körper, das sich immer ausbreitete, wenn ich daran dachte, kam zum Vorschein. Ein Hauch von Panik stieg in mir auf, als ich es seitlich von mir knacken hörte. Sofort schnellte ich herum, doch in der Dunkelheit, die sich vor mir befand, konnte ich nichts wahrnehmen, als jegliche Geräusche, die schon wieder verstummt waren - wahrscheinlich war es nur ein Tier. Und wahrscheinlich war es besser, wenn ich mich umdrehen und nach Hause rennen würde. Ich zweifelte an meinem Plan, mir das Ganze anzuhören, was er mir zu sagen hatte, und war schon wieder zwei Schritte rückwärts gegangen - ohne den Eingang des Parks vor mir aus den Augen zu lassen -, als die Turmuhr gleich um die Ecke anfing zu schlagen: es warzwölf Uhr.
Abrupt blieb ich stehen und biss mir auf die Unterlippe, als würde mein Leben von der folgenden Entscheidung abhängen; aber vielleicht tat es das auch. Irgendetwas in mir weigerte sich, die Schritte wieder vorwärts und in den Park zu gehen, und irgendetwas sagte mir, dass ich es endlich machen sollte. Vielleicht lag es daran, dass ich sonst Caprice enttäuschen würde, wenn sie davon Wind bekommen würde, oder aber daran, dass ich dann endlich mit dem Menschen geredet habe, der mir meine Jugend nicht gerade einfach gemacht und mich dazu noch geprägt hat, dass ich das alles bis heute nicht vergessen hatte.
Total verwirrt über die endlose Gedankenschleife in meinem Kopf schüttelte ich eben diesen einmal kräftig und setzte einen Fuß vor den anderen, um endlich in den Park zu gehen, wo wir aufeinander treffen sollten; die Turmuhr hatte längst aufgehört zu schlagen und wahrscheinlich hätte ich froh sein können, wenn er nicht schon nach Hause gegangen wäre. Aber vielleicht...ja, vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Sofort verlangsamerte ich meine Schritte und steckte meine Hände in die Tiefen meiner Hosentaschen, während ich mich rechts und links bedächtig und gleichzeitig vorsichtig umsah, um nach dem Rechten zu schauen. Wenn hier jetzt wer auflauern, mich packen und ins Gebüsch zerren würde...dann wäre das Umgucken jetzt auch schon zu spät, da die Leute, die so etwas vorhaben, es ja doch immer schaffen, oder nicht? Die Gedanken ließen mich schaudern, wie mich jemand an den Schultern berühren und mir eine Hand vor den Mund pressen würde, damit ich nichts mehr sagen konnte. Wahrscheinlich würde er mir noch irgendwas über den Kopf schlagen, damit er das, was er wollte, haben könnte und...
"Claire?", ein kurzer Schrei entwich meinem Mund, ehe ich mich panisch um meine eigene Achse drehte und meine Hände beschwichtigend in die Höhe riss. Meine schlimmsten Gedanken werden wahr, ratterte es in meinen Gedanken rauf und runter, als ich mich umsah und nichts erblicken konnte. Wahrscheinlich versteckte er sich gerade im Gebüsch und versuchte mich näher zu locken, bevor doch irgendwelche Leute mitten in der Nacht spazieren gingen und noch was mitbekommen würden; schließlich würde sein Plan dann nicht ungeschadet aufgehen und man würde ihn viel zu früh fassen.
"Claire.", wieder war da diese Stimme, die immer näher kam. Zu meiner Rechten fing das Gebüsch an zu rascheln, was mich wieder aufschrecken und ein paar Schritte nach hinten gehen ließ. Was war hier los? Wollte Bill Kaulitz mir auch noch einen "lustigen" Streich spielen? Womöglich, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, weil er vielleicht Angst hatte, dass ich ihm um den Hals falle - im Negativen gemeint. Auf der anderen Seite: wieso sollte er in einem Gebüsch sitzen und meinen Namen rufen? Das würde zu einem Kidnapper doch besser passen, als zu einem umjubelten Teeniestar, der sich hier und jetzt mit der kleinen Ballerina von damals treffen wollte, oder nicht? Ich war verwirrt. Hatte Angst; mir war unwohl zumute bei der ganzen Sache.
"Wer auch immer da ist, es ist nicht lustig!", rief ich eher heiser als klar in die kühle Nachtluft. Sofort bildeten sich weiße Wölkchen aus meinem Atmen und ich war mir sicher, dass sich meine Stimme viel zu ängstlich für die Situation angehört hatte - ganz egal, wer sich dort vor mir im Gebüsch befand, ob Kidnapper oder Teeniestar.
Lange Zeit tat sich gar nichts, meine Arme hatte ich mittlerweile um meinen zitternden Körper geworfen und ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es mittlerweile viertel nach Zwölf war. Er war längst weg, ging es mir durch den Kopf, was mich automatisch meine Schultern sinken ließ. Aber warum? Ich meine, eigentlich könnte ich froh sein, dass ich dem Gespräch in irgendeiner Art und Weise entfliehen konnte, da ich mich so um eine - für mich - doch wirklich nicht gerade tolle Situation drücken konnte.
"Nein, Claire, ich bin noch nicht weg.", flüsterte plötzlich wer vor mir, was mich sofort meinen Kopf hochreißen ließ. Und da stand er vor mir, in seiner ganzen Pracht - Bill Kaulitz. Er hatte eine dunkle Jeanshose an, dazu Turnschuhe, eine sportliche Jacke und eine Mütze plus Sonnenbrille, die sein Gesicht ein wenig verdeckte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich stand einfach nur da und starrte ihn an. Und ich war so starr, dass ich nicht ein einziges Wort herausbrachte und nicht einmal sagen konnte, wie ich mich fühlte. "Sorry, dass ich aus dem Gebüsch kam."
Langsam aber sicher trat ich aus meiner Starre hervor, als er ansprach, was mich in den letzten Minuten doch den ein oder anderen Tropfen Schweiß gekostet und mich zittern lassen hat.
"Was soll so eine Scheiße, Kaulitz? Denkst wohl immer noch, dass du alles mit mir machen kannst, oder was?", wurde ich dann auch schon lauter. Das Kaulitz hatte ich von damals immer noch nicht abgelegt; die Zwillinge waren immer nur Kaulitz wenn ich über sie sprach.
"Es tut mir leid, aber ich hab meinen Ring verloren.", um seine Aussage zu unterstreichen hob er seine Hand und deutet auf seinen Ringfinger. Wahrscheinlich noch der Verlobungsring von seiner netten Begleitung im Theater und ihm. Desinteressiert zog ich meine Augenbrauen in die Höhe.
"Aha. Und was willst du jetzt von mir? Und was sollte der Satz eben? Nein, Claire, ich bin noch nicht weg.", äffte ich ihn übertrieben nach. Als ich ihn ansah schmunzelte er ein wenig, was mich wütend machte - was bildet er sich eigentlich ein?! - wurde jedoch sofort wieder ernst.
"Ich weiß, was manche Gesten bei dir bedeuten. Ich kenn dich besser, als du denkst, Claire. Ich wollte...wollte mich mit dir unterhalten und dir einiges erklären.", er deutete auf eine Bank.
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Things never turn out the way you expect!
FanfictionEin Hobby? Nein, für Claire ist das Balletttanzen mehr als nur das. Wären da nicht die Jungs, die ihr jedes Mal nach dem Training vor dem Tanzhaus, nahe des Skateplatzes, auflauern und sie mit bloßen Worten schikanieren. Doch das jahrelange Training...