Kapitel 21

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"Aber jetzt bist du wieder fit genug, um richtig durchzustarten?", schmatzte Tom und schluckte seine gekauten chinesischen Nudeln herunter.

"Ja, ich denke.", im Gegensatz zu ihm, kaute und schluckte ich erst herunter, bevor ich anfing zu sprechen. "Zumindest meinte der Arzt, dass ich wieder mit dem Training anfangen kann. Außerdem ist ja dein Bruder dabei, der aufpasst, dass ich mich nicht zu sehr verausgabe."

"Na ja, zur Not spielt er halt wieder den Retter.", grinste der ältere der Zwillinge seinen Bruder über den Tisch weg an.

"Wenigstens kann ich von mir behaupten, dass ich schon jemanden gerettet habe.", konterte dieser jedoch nur und stand mit einem zufriedenen Lächeln auf. "Kann ich deinen Teller auch schon mitnehmen, oder willst du noch was essen?", beugte er sich zu mir.

"Nee, hat wirklich lecker geschmeckt, aber ich bin satt.", schnell legte ich mein Besteck auf den Teller und beobachtete Tom dabei, wie er es mir nachtat. Doch ohne auch nur einen Hauch auf seinen Bruder zu achten, ging Bill an ihm vorbei in den Küchenbereich und ließ Wasser in das große Spülbecken.

"Danke, fürs Mitnehmen. Echt nicht nötig, Bruderherz.", flötete Tom ironisch, stellte seinen Teller ebenso in die Spüle und schlug seinem Bruder derweil leicht auf den Hinterkopf. "Aber du scheinst ja den Abwasch machen zu wollen. Dann gehen Claire und ich in der Zeit eine rauchen.", grinste er zufrieden und nickte in Richtung Balkontür. Unbeholfen stand ich mit einem unsicheren Lächeln auf und ging langsam um den Tisch herum.

"Schön, dass ihr euch vor dem Abwasch drückt - war ja klar!", brummelte Bill nur und hob warnend seinen Arm, um uns den Zeigefinger entgegenzustrecken.

"Also...ich kann dir auch helfen.", pflichtete ich ihm schnell bei und war schon wieder dabei mich umzudrehen und zu ihm zu gehen.

"Duuuu kommst schön mit.", schaltete Tom sich jedoch schneller als gedacht ein, und zog mich sanft aber dennoch bestimmend in die entgegengesetzte Richtung und somit zur Balkontür. Entschuldigend warf ich Bill noch einen Blick über meine Schulter zu, welchen er nur mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern hinnahm.

"Es ist total gemein, dass Bill jetzt unseren Dreck saubermachen muss.", nuschelte ich zwischen zwei Zügen an meiner Zigarette, woraufhin Tom laut auflachte.

"Für dich macht er es gern und für mich kann er das auch mal machen - ich mache es schließlich fast jeden Tag für ihn.", versuchte er mich zu überzeugen und grinste mich an. '

"Okay und wenn wir schon mal bei seinen Sünden sind - wusstest du schon, dass Bill einen heimlichen Verehrer hat?", ich wusste, dass Besagter mich für eben diese Aussage umbringen würde, jedoch brauchte ich ein Gesprächsthema, welches die Stimmung zwischen Tom und mir ein wenig auflockern würde - da kam mir das doch genau recht.

"Was bitte? Einen [i]Verehrer[/i]? Das habe ich schon richtig verstanden, ja?", entsetzt sah mich mein Gegenüber an. Grinsend nickte ich.

"Wen denn bitte?", lachte Tom auf und sah mich im nächsten Moment wieder so entsetzt wie zuvor an.

"Meinen Tanzpartner Joel. Er ist schwul und steht wohl total auf Bill.", kicherte ich.

"Ach du meine Güte.", lachte nun auch Tom. "Mach mal ein Date klar. Also ich meine so eine Art Blind Date, nur anders. Du sagst zu Bill, dass du dich mit ihm treffen willst, machst einen Treffpunkt aus und schickst dann Joel dahin. Und wir beide beobachten das Ganze aus unmittelbarer Nähe.", stolz über seine Idee bäumte Tom sich vor mir auf und bekam sein Lachen gar nicht mehr unter Kontrolle. Schnell drehte er sich weg, als er einen Blick durch die Glastür schweifen ließ, und sah, dass sein Bruder im Anmarsch war.

"Reiß dich zusammen. Wenn wir es umsetzen wollen, darf er nichts davon mitbekommen.", warnte ich ihn noch schnell, bevor ich wieder kerzengerade dastand und darauf wartet, dass Bill die Tür erreicht hatte und herauskommen würde.

"Glaubt ihr, ich bin bescheuert und mir sind keine Ohren seitlich an meinem Kopf gewachsen?", mit verschränkten Armen stellte er sich zwischen Tom und mich und ließ seinen Blick zwischen uns beiden herschweifen. Da Tom nach drei Versuchen, sein Lachen zu unterdrücken und ein Wort herauszuquetschen, wieder scheiterte, ergriff ich das Wort und versuchte zu erklären, was gerade vor sich ging.

"Na ja, du hast schon Ohren, das sieht man ja und das will ich auch gar nicht bestreiten-"

"Aber?!", unterbrach er mich. Mein Blick wanderte zu Tom, welcher mich grinsend ansah.

"Na ja, aber vielleicht haben diese Ohren ja etwas falsch verstanden.", vollführte er meinen angefangenen Satz.

"Genau. Das denke ich auch. Man kann doch immer etwas falsch verstehen. Das ist doch nur menschlich!", stimmte ich Tom zu und nickte schon fast euphorisch.

"Verarschen ist also auch menschlich, ja?", brummte er weiter und beobachtete uns beide immer noch misstrauisch. Klar wusste er, dass wir ihn hier verarschten und verarschen auf keinen Fall menschlich war, doch trotzdem wusste ich, dass er nicht klein beigeben wollte.

"Vielleicht.", lachte ich und warf noch einen Blick zu Tom. Verzweifelt und fast schon rot vor Wut, sah Bill sich auf dem großen Balkon um und blieb mit seinen Augen an zwei mittelgroßen Töpfen hingen, die mit Wasser gefüllt waren. Ohne noch weiter drüber nachzudenken - jetzt im Nachhinein gedacht, war es sicherlich Regen vom letzten Unwetter - lief ich los zu Tom und zog ihn hinter mir her in die hinterste Ecke des Balkons.

"Niemals wirst du das tun, Bill!", lachte Tom und zwickte mich in meinen Arm.

"Und ob. Wer nicht hören will, der muss eben fühlen. Und ihr fühlt gleich das arschkalte und voll peckige Wasser, wie es von euren Köpfen tropft.", warnte er uns vor, schnappte sich mit jeder Hand einen Blumentopf und kam mit einem gehässigen Lachen auf uns zu. Noch bevor wir überhaupt realisierten, dass wir in der hintersten Ecke standen und somit in einer völligen Sackgasse gefangen waren, spürte ich schon etwas Kaltes und vor allem Nasses auf meinem Kopf. Es fühlte sich schon nahezu so an, als würde sich die Kälte durch meine Schädeldecke fressen, weshalb ich wie am Spieß begann zu schreien. Auch ein Blick zur Seite verriet mir, dass Tom ebenfalls wie ein nasser Sack dastand und sich vor Kälte nicht zu regen vermochte.

"Und da fühlt ihr es.", strahlte Bill, beide Hände in die Hüften gestemmt, bis über beide Ohren und total siegessicher. Eines musste man ihm lassen: Ausnahmsweise hatte den Kampf gewonnen.

Things never turn out the way you expect!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt