"Claire, aufwachen, hey.", leicht wurde ich an meiner Schulter gerüttelt, weswegen ich zusammenzuckte und aus meinem, nicht gerade ruhigem Schlaf, hochschrak.
"Mhm, ja...", nuschelte ich und streckte mich leicht. Sofort durchzog ein unangenehmer Schmerz meinen Nacken und meine Wirbelsäule, weswegen ich in meinen Bewegungen innehielt und sich mein Nuscheln zu einem Wimmern verwandelte.
"Warum liegst du hier auf dem Boden?", ein Lachen in Capes Stimme war kaum zu überhören. "Komm, steh erstmal auf, ich mach dir einen Kaffee, damit du richtig wach wirst.", sie stand aus ihrer Hocke auf und hielt mir ihre Hand hin, um mir hoch zu helfen. Dankend nahm ich sie an und quälte mich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Mein Kopf dröhnte, als hätte ich die gestrige Nacht mit Alkohol enden lassen und meinen Kopf konnte ich kaum nach rechts und links drehen. Ich musste gestern, an der Tür gelehnt, eingeschlafen sein. Dass das keine allzu gemütliche Nacht war, und die Nacken- und Kopfschmerzen jetzt derartige Folgen waren, die mir den Start in den Tag nicht gerade schmackhaft machten, war in irgendeiner Art und Weise klar.
"Ich fühle mich, als hätte ich gestern Alkohol on mass getrunken.", sprach ich meine Gedanken, mit der einen Hand im Nacken und der anderen Hand vor meiner Stirn haltend, aus.
„Hast du denn?", grinste Caprice, hinter welcher ich schlaftrunken und unmotivierter denn je her in die Küche schlurfte und mich auf einen Barhocker vor dem kleinen Tresen fallen ließ.
„Nein, natürlich nicht. Ich muss einfach an der Tür gelehnt, und dann auch noch im Sitzen, eingeschlafen sein.", nuschelte ich und stützte meinen Kopf auf den angewinkelten Armen, die Platz auf der Ablage vor mir gefunden hatten, ab. Lachend verdrehte Caprice ihre Augen, als sie eine Tasse unter die Kaffeemaschine stellte und per Knopfdruck den Kaffee aus dem Automaten in meine Tasse laufen ließ. Das Geräusch, welches dadurch entstand, ließ mich nur zusammenzucken und meine Finger gegen meine Schläfen pressen, welche ich sanft zu massieren versuchte. Doch ich hatte das Gefühl, dass es von Sekunde zu Sekunde nur noch schlimmer wurde. Ich hätte immer noch verzweifeln können.
„Wie war es gestern eigentlich?", fragend nahm Cape neben mir Platz und stellte mir die dampfende Tasse vor die Nase. Meinen Kopf ließ ich abrupt sinken, als sie mich auf den Grund ansprach, der mich hier wie ein Häufchen Elend sitzen ließ. Wäre all das gestern nicht gewesen, wäre mir jetzt so einiges erspart geblieben. Ich konnte nur den Kopf hängen lassen, da ich die ganze Nacht nicht auf einen klaren Gedanken gekommen bin - dabei sollte ich mich doch eigentlich freuen, oder nicht? Schließlich hatte ich eine grandiose Premiere getanzt und auch das Treffen an sich war nicht gerade schlecht verlaufen; immerhin hatte er sich entschuldigt. Ich verstand selber nicht, wo sich mein Problem im Endeffekt befand. Ich schätzte einfach nur, dass der Grund dafür die Vergangenheit war, die ich ihm nicht von jetzt auf gleich verzeihen konnte.
„Ich weiß es nicht.", antwortete ich mehr schlecht als recht und nippte an dem heißen Getränk in meiner Tasse.
„Du musst doch wissen, wie es war?! Was wollte er denn?", zähneknirschend sah meine Freundin mich an.
„Er wollte sich entschuldigen, nachdem er eine Glanzleistung an Dummheit dargeboten hat.", grummelte ich und erinnerte mich zurück. „Er kam aus einem Gebüsch gesprungen und wollte mir dann noch weis machen, dass er seinen Ring da verloren hat. Du glaubst gar nicht, was ich für eine Panik hatte, als hinter mir dauernd was im Gebüsch geraschelt hat. Ich dachte, ich werde gekidnappt.", schnaufte ich und konnte mir ein kleines Grinsen, auf Grund der Situation, nicht verkneifen. Aber Moment...wieso Grinsen? Es war einfach nur scheiße von ihm und alles andere als zum Grinsen!
„Und du hast natürlich gesagt, dass du dich nicht erschrocken hast und hast einen auf obercool getan?", grinste mein Gegenüber mich an.
„Das spielt gar nicht zur Sache.", wank ich ab und erzählte weiter. „Ich hab ihn natürlich erstmal angepampt, was ihm eigentlich einfallen würde, so eine Kinderkacke abzuziehen. Und ja, dann wusste er natürlich nicht, wie er anfangen soll, als wir uns dann auf eine Bank gesetzt haben und hat versucht um den heißen Brei herumzureden und alles ins Lächerliche zu ziehen; ich geh davon aus, dass er die Stimmung lockern wollte, dabei hat er mich nur noch wütender gemacht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlecht er das alles lösen wollte.", total in rage geredet fuchtelte ich mit meinen Händen in der Luft herum, erschlug fast meine beste Freundin neben mir, die nur seufzend meinen Bewegungen auswich, und vergaß dabei meinen schmerzenden Nacken, woraufhin ich mit schmerzverzerrtem Gesicht innehielt.
„Na ja, aber versetz dich mal in seine Lage. Es war schon ein großer und mutiger Schritt von ihm, sich überhaupt noch mal mit der ganzen Sache auseinanderzusetzen und sich bei dir zu entschuldigen. Da sitzt du nach Jahren vor ihm, er ist vielleicht ein komplett anderer Mensch als damals, weswegen ihm das Ganze schon nahezu peinlich und unangenehm ist...da hat man schon Angst, irgendetwas Falsches zu sagen.", nahm Cape Bill in Schutz.
"Ja, du magst wahrscheinlich recht haben, aber trotzdem kann ich das alles nicht so einfach vergessen.", seufzte ich auf und trank einen großzügigen Schluck von meinem, mittlerweile nur noch lauwarmen Getränk, um es kurz darauf meinen Rachen hinunterzuschlucken, ehe ich fortfuhr. "Er war auch wirklich so...so anders. Ich hatte das Gefühl, dass das gar nicht Bill ist. Er hat teilweise so erwachsen geklungen und hat zu seinen Fehlern gestanden; das war sonst nie seine Art. Er war immer der egoistische Anführer und hat nie Fehler gemacht, weißt du?", hilfesuchend und darauf hoffend, dass Cape mir irgendetwas sagt, dass ich glauben und mich überzeugen könnte, sah ich sie an.
"Er hat eine Zeit hinter sich, in der er hundertprozentig erwachsen geworden ist. In dem Musikbusiness ist nichts mit Egozügen oder einer Anführerposition. Da muss man in einem Team arbeiten, sich auch auf andere verlassen können und mit den anderen Eins sein; er wird draus gelernt haben.", sanft strich sie mir über den Rücken.
"Und weißt du was? Er hat gesagt, er hat immer an die Zeit zurück gedacht. Jedes Mal wenn er an Magdeburg gedacht hat oder dort war.", gestand ich ihr einen doch ziemlich wichtigen Aspekt des ganzen Gespräches.
"Eben drum, weil er erwachsen geworden ist. So etwas kann nicht mal mehr die härteste Schale auf sich sitzen lassen. Er wusste mit der Zeit ganz genau, wie es dich verletzt haben muss.", langsam stand ich auf, um meine Tasse in den Geschirrspüler zu stellen, hörte meiner Freundin aber trotzdem aufmerksam zu. "Wie seid ihr denn auseinander gegangen?"
"Er hat sich nach vielem hin und her bei mir entschuldigt, woraufhin ich halt meinte, dass ich erstmal über das Ganze nachdenken muss. Er hat das total verstanden und meinte, dass er jeden Tag um Mitternacht im Park ist und auf mich warten wird.", seufzte ich. Je mehr ich über diese Tatsache nachdachte, desto größer wurde die Gänsehaut, die sich auf meinem Körper ausbreitete. Er ging jeden Abend in den Park, um zu hoffen und zu warten, ob ich kommen würde? Wieso tat er das?
"Weißt du, was ich daran nicht verstehe? Süße Geste hin oder her, aber wieso hat er mir nicht einfach seine Handynummer gegeben, wo ich mich hätte melden können, wenn ich soweit wäre?"
"Er hat dir ziemliche Scheiße angetan, wer weiß, was du mit der Nummer angestellt hättest. Rache ist schließlich süß, Claire. Außerdem war Bill doch schon immer anders, oder nicht?", nickend sah ich sie an.
"Stimmt auch wieder.", nachdenklich sah ich auf die Arbeitsplatte der Küchenzeile. Rache ist also süß? Nein, ich wollte nicht so sein, wie er. Wenn ich eines durch Bill gelernt hatte, dann war es, dass genau das, was er getan hat - egal wie groß der Hass, die Wut oder jegliches negatives Gefühl war -, nie eine Lösung war. Ich wollte mich nicht auf sein Niveau fallen lassen und feige sein. Es würde keine Rache geben. Schließlich wäre ich dann keinen Deut besser als er.
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Things never turn out the way you expect!
FanfictionEin Hobby? Nein, für Claire ist das Balletttanzen mehr als nur das. Wären da nicht die Jungs, die ihr jedes Mal nach dem Training vor dem Tanzhaus, nahe des Skateplatzes, auflauern und sie mit bloßen Worten schikanieren. Doch das jahrelange Training...